Teil 3 der Serie beschäftigt sich damit, dass nach dem neuen Gesetz das in Deutschland geltende Konzept der „sicheren“ Herkunftsstaaten verschärft wurde. Aus der Zivilgesellschaft gab es heftige Kritik.
Die neue Gesetzeslage
Es gibt eine Liste von Staaten, die Deutschland zu „sicheren“ Herkunftsstaaten erklärt hat. Auf diese Liste sind in der letzten Zeit vor allem Länder geraten, aus denen besonders viele Menschen in Deutschland Asyl beantragt haben. Diese Liste wurde jetzt um Albanien, Kosovo und Montenegro erweitert, so dass es inzwischen acht solcher Staaten gibt. Bei Asylsuchenden aus „sicheren“ Herkunftsstaaten wird gesetzlich vermutet, dass sie nicht verfolgt werden. Ihr Asylantrag ist offensichtlich unbegründet, es sei denn, die Person kann darlegen, dass sie doch vor einer Verfolgung geflohen ist. Für sie gelten zudem verkürzte Rechtsmittelfristen. Neu ist, dass Menschen aus „sicheren“ Herkunftsstaaten dauerhaft in den Erstaufnahmeeinrichtungen wohnen müssen und nicht arbeiten dürfen.
Nach Angaben der Bundesregierung sollen die Anträge von Menschen aus „sicheren“ Herkunftsstaaten beschleunigt bearbeitet werden. Bei ihnen erscheine gewährleistet, dass die Voraussetzungen für die Gewährung von Asyl, Flüchtlingsschutz oder subsidiärem Schutz nur in Einzelfällen vorliege.
Aus einer Grund- und Menschenrechtsperspektive
Aus einer Grund- und Menschenrechtsperspektive sind die neuen Regelungen in verschiedener Hinsicht problematisch:
- Experten bezweifeln, dass die ausgewählten Staaten tatsächlich „sicher“ sind. Untersuchungen zeigen, dass Minderheiten, zum Beispiel Roma im Kosovo, der Zugang zu Gesundheitsversorgung, Arbeitsmarkt, Sanitärversorgung und Bildung versperrt ist. Kindern wird zum Beispiel der Schulbesuch verweigert. Minderheiten sind oft nicht nur grundlegende wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte versperrt, sondern ihnen drohen auch gewalttätige Übergriffe. Dies kann den Schweregrad der flüchtlingsrechtlichen Verfolgung erreichen.
- Asylsuchende haben ein Recht auf Zugang zu wirksamen Asylverfahren: Dieses ergibt sich zum Beispiel aus Artikel 13 der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK). Es bedeutet, dass nationale Behörden jeden Asylantrag unabhängig und sorgfältig prüfen müssen. Ist die gesetzliche Vermutung damit vereinbar?
- Menschen haben ein Recht auf Schutz vor Diskriminierung: Das Diskriminierungsverbot ist ein Strukturprinzip der Menschenrechte, das im Grundgesetz in Artikel 3 Absatz 3 geregelt ist. Es zielt darauf ab, allen Menschen um ihrer Menschenwürde willen gleichberechtigte Freiheit zu gewähren. Die Sonderregelungen für Asylsuchende aus „sicheren“ Herkunftsstaaten knüpfen allein an das zugeschriebene Merkmal der Herkunft an und verstoßen gegen das Diskriminierungsverbot.
Menschenrechte bergen Rechtsansprüche
Deutschland hat sich verpflichtet, Grund- und Menschenrechte zu achten und zu schützen. Werden Grund- und Menschenrechte in Deutschland verletzt, können die Betroffenen dies geltend machen. In Deutschland spielen das Grundgesetz und die Grundrechte dabei natürlich eine wichtige Rolle.
Über diese Ebene hinaus existieren für Deutschland weitere menschenrechtliche Verpflichtungen, die zur Auslegung der deutschen Gesetze und auch des Grundgesetzes herangezogen werden müssen. Dazu gehören zum Beispiel die EMRK und weitere Konventionen auf Ebene der Vereinten Nationen, z.B. die UN-Kinderrechtskonvention oder die UN-Behindertenrechtskonvention.
Im Asylrecht wird dies zukünftig eine große Rolle spielen. Nach aktuellen Berichten plant das deutsche Innenministerium bereits eine neue Gesetzesänderung zur weiteren Verschärfung des Asylrechts. Die drängende Frage wird sein, ob und wie Deutschland dabei seinen Grund- und Menschenrechtsverpflichtungen gerecht werden kann.