Teil 1 der Serie beschäftigt sich damit, wie Asylsuchende, die gerade in Deutschland angekommen sind, untergebracht werden sollen. Nach dem neuen Gesetz sollen sie ab sofort länger in Erstaufnahmeeinrichtungen wohnen. Aus der Zivilgesellschaft gab es heftige Kritik.
Die neue Gesetzeslage
Asylsuchende sind zu Beginn des Asylverfahrens verpflichtet, in sogenannten Erstaufnahmeeinrichtungen zu wohnen. Das sind oft eingezäunte Gelände mit Polizei, Arzt, Kantine und Schlafsälen für viele Menschen. Nach dem neuen Gesetz wird die Zeit, die Asylsuchende in diesen Unterkünften leben müssen, von drei auf sechs Monate verlängert. Danach erst sollen die Asylsuchenden deutschlandweit auf die Gemeinden verteilt werden. Die im Sommer eingeführte Lockerung des Arbeitsverbots wird mit der Verlängerung der Verpflichtung, in Erstaufnahmeeinrichtungen zu wohnen, praktisch rückgängig gemacht. Denn solange Asylsuchende in Erstaufnahmeeinrichtungen wohnen müssen, dürfen sie nicht arbeiten.
Nach Angaben der Bundesregierung ist das Ziel, die Verfahren zu beschleunigen. Dies könne mit der Regelung erreicht werden, da Asylsuchende in den Erstaufnahmeeinrichtungen für Behörden besser zu erreichen seien.
Aus einer Grund- und Menschenrechtsperspektive
Schnellere Verfahren sind wichtig, aber durch die Neuregelung wohl kaum zu erreichen, so ein Zusammenschluss aus der Wissenschaft. Die neuen Regelungen bergen zudem grund- und menschenrechtliche Probleme. Das praktisch drängendste Problem ist sicherlich, dass überall Unterbringungsmöglichkeiten fehlen. Das führt oft zu überfüllten oder improvisierten Unterkünften, die den geltenden minimalen Menschenrechtsstandards nicht genügen. Durch eine längere Unterbringung in den Unterkünften sind die Asylsuchenden diesen Bedingungen nun noch länger ausgesetzt. Der Menschenrechtskommissar des Europarates hat Deutschland empfohlen, bundesweit verbindliche Mindeststandards einzuführen, wie Aufnahmeeinrichtungen betrieben werden müssen. Nur so könne sichergestellt werden, dass die Aufnahmebedingungen im ganzen Land den Menschenrechtsstandards entsprechen. Hier zwei Beispiele, warum das wichtig ist:
- Kinder haben ein Recht auf Bildung: Dieses ist zum Beispiel in Artikel 13 des Internationalen Pakts über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (Sozialpakt) geregelt. Für die Unterbringung bedeutet das, dass es für Kinder einen Zugang zu Bildungsangeboten geben muss, das heißt, dass zum Beispiel Schulen gut erreichbar sind oder neue Bildungseinrichtungen in der Nähe der Unterkünfte geschaffen werden.
- Frauen haben ein Recht auf Schutz vor geschlechtsspezifischer Gewalt: Für die Unterbringung bedeutet das zum Beispiel, dass Maßnahmen nötig sind, um Frauen vor Übergriffen und sexueller Belästigung zu schützen.
Menschenrechte bergen Rechtsansprüche
Deutschland hat sich verpflichtet, Grund- und Menschenrechte zu achten und zu schützen. Werden Grund- und Menschenrechte in Deutschland verletzt, können die Betroffenen dies geltend machen. In Deutschland spielen das Grundgesetz und die Grundrechte dabei natürlich eine wichtige Rolle. Über diese Ebene hinaus existieren für Deutschland weitere menschenrechtliche Verpflichtungen, die zur Auslegung der deutschen Gesetze und auch des Grundgesetzes herangezogen werden müssen. Dazu gehören zum Beispiel die Europäische Menschenrechtskonvention und weitere Konventionen auf Ebene der Vereinten Nationen (UN-Kinderrechtskonvention, Sozialpakt usw.).
Im Asylrecht wird dies zukünftig eine große Rolle spielen. Nach aktuellen Berichten plant das deutsche Innenministerium bereits eine neue Gesetzesänderung zur weiteren Verschärfung des Asylrechts. Die drängende Frage wird sein, ob und wie Deutschland dabei seinen Grund- und Menschenrechtsverpflichtungen gerecht werden kann.