Demokratie & Gerechtigkeit

Was bedeutet Investigativer Journalismus: Definition, Beispiele, Bedeutung

​Investigativer Journalismus spielt eine wichtige Rolle in jedem Staat. Doch was unterscheidet ihn von anderen Formen von journalistischer Arbeit? Und welchen Herausforderungen muss er sich im 21. Jahrhundert stellen?

by Franziska Otto

Was ist investigativer Journalismus?

Investigativer Journalismus, häufig auch als “Qualitätsjournalismus” bezeichnet, ist eine besondere Unterkategorie von journalistischer Arbeit. Er zeichnet sich dadurch aus, dass er sich auf Themen konzentriert, die von großer sozialer oder politischer Relevanz sind. Es geht also nicht darum, die Bundesliga-Spiele des vergangenen Wochenendes zu analysieren, sondern eher darum, einen großen Steuerskandal aufzudecken. Dafür verwenden Journalistinnen und Journalisten Informationen, die nicht einfach frei zugänglich sind, etwa weil sie einer Geheimhaltungsstufe unterliegen.

Eben weil Quellen nicht leicht zu finden sind, ist investigativer Journalismus besonders zeit- und arbeitsintensiv. Er bedarf einer besonders gründlichen Recherche, es müssen Hinweisgeber (z.B. Whistleblower) gefunden und davon überzeugt werden, mit ihren Erkenntnissen an die Öffentlichkeit zu gehen. Dabei müssen Journalistinnen und Journalisten auch immer besonders wachsam sein, denn Dritte könnten versuchen, ihre Arbeit zu instrumentalisieren. Es kann vorkommen, dass Informanten ihre eigene Agenda verfolgen und entweder gezielt oder nur unvollständig Informationen weiterleiten. Dies macht eine besondere Sorgfalt notwendig, um sicherzustellen, dass nicht fehlerhaft berichtet wird.

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Auch deshalb ist die Arbeit von Investigativjournalisten immer auch mit einem Risiko verbunden. In einigen Staaten auf dieser Welt kann sie sogar lebensgefährlich sein. So wurde 2017 die maltesische Investigativjournalistin Daphne Caruana Galizia durch eine Autobombe getötet. Sie hatte über Korruption, Off-Shore Firmen und Geldwäsche bis in Kreise der maltesischen Regierung recherchiert.

Wozu dient der Investigativjournalismus?

Man kann sich die unterschiedlichen Formen von Journalismus auf einer Skala vorstellen. Auf dem einen Ende liegt das, was man als “Hofberichterstattung” bezeichnen kann. Aussagen und Quellen werden für bare Münze genommen und nicht hinterfragt oder überprüft. Nach dem Motto “Wenn der Herr Politiker das so sagt, dann stimmt das auch so”. Solch eine Form von Berichterstattung ist natürlich sehr bequem und erfreulich für Personen in Machtpositionen.

Auf dem anderen Ende dieser Skala liegt investigativer Journalismus. Er tut das genaue Gegenteil von Hofberichterstattung. Er hinterfragt Aussagen und versucht, durch hartnäckige und gründliche Recherchen Missstände aufzudecken. Damit spielt er eine entscheidende Rolle, wenn es zum Beispiel darum geht, Bürgerinnen und Bürger über die Arbeit ihrer Regierung zu informieren. Gleichzeitig kann er so Menschen in Machtpositionen, sei es in der Wirtschaft oder in der Politik, zur Verantwortung ziehen. Deshalb ist es besonders wichtig, dass Journalistinnen und Journalisten unabhängig und ohne Druck von außen arbeiten können.

Wie funktioniert investigativer Journalismus heute?

Investigativer Journalismus im 21. Jahrhundert hat sich verändert. Aus Hollywood Filmen kennen wir alle die Szenen, in denen Journalisten zusammen in verrauchten Büros über Dokumenten brüten. Und während auch das immer noch Teil journalistischer Arbeit ist, zumindest das Dokumente sichten, so haben sich durch technologische Errungenschaften auch neue Wege für investigative Recherchen eröffnet.

Zum einen können elektronische Hilfsmittel die Arbeit deutlich erleichtern. Recherchierenden steht nun eine gigantische Menge an Daten zur Verfügung, die eine Story weiter stützen können oder Skandale gar erst richtig sichtbar machen. Durch bestimmte Tools ist es viel einfacher geworden, diese Daten nach den richtigen Informationen zu durchsuchen. Und auch für Informanten können elektronische Kommunikationsmittel eine Möglichkeit sein, mit Hinweisen an Redaktionen von Zeitungen oder Fernsehsender heranzutreten. Viele Redaktionen bieten dafür elektronische Briefkästen, bei denen Tipps abgegeben werden können.

Doch gleichzeitig eröffnen sich so auch neue Problemfelder, denn Elektronik ist eben nicht hundertprozentig sicher. Plattformen und Programme müssen in der Lage sein, Informationen so zu verschlüsseln, dass sie weder abgefangen werden können, noch dass sich Rückschlüsse auf den ursprünglichen Informanten ziehen lassen können. Und Software kann gezielt genutzt werden, um Journalisten und ihre Quellen zu überwachen. Am 18. Juli 2021 veröffentlichte die französische NGO Forbidden Stories ihre Untersuchungen zur israelischen Überwachungsfirma NSO. Dabei wurde auch enthüllt, dass unter anderem Ungarn deren Spionagesoftware Pegasus dazu nutze investigative Journalisten auszuspitzeln. Die Software wurde auch auf Telefonen gefunden und erlaubte dem Nutzer so, sämtliche Inhalte auf dem Telefon einzusehen.

In vielen Redaktionen werden daher die Vor- und Nachteile eines persönlichen Kontaktes mit Informanten abgewägt. Während bei einem die Meinung vorherrscht, dass man nur durch persönliche Treffen eine Quelle schützen kann, meinen andere, dass es ein Vorteil sein kann, am Ende der Recherche immer noch nicht richtig zu wissen, wer die Quelle war.

Doch investigativer Journalismus ist auch mit vielen Problemen konfrontiert. Während er in den letzten Jahren eine wahre Renaissance erlebt hat und viele Redaktionen großer Zeitungen eigene Investigativ-Ressorts eingeführt haben, sieht es bei kleineren Zeitungen meist schlechter aus. Gerade Lokaljournalismus wird häufig als sehr wichtig für investigativen Journalismus angesehen, doch durch den Abbau von Stellen in Medienhäusern haben viele Journalistinnen und Journalisten neben ihrer normalen Arbeit kaum noch Zeit für aufwändige Recherchen. Und auch große Medienunternehmen tun sich für große Storys zusammen, um so Ressourcen zu bündeln.

Ein Problem, das leider nicht neu ist, aber auch heute noch immer die Arbeit von investigativem Journalismus erschwert, ist, dass Regierungen versuchen, kritische Recherchen zu verhindern. So dürfen etwa nur öffentlich zugängliche Quellen genutzt werden. In Ländern wie Ungarn werden Medienunternehmen von regierungsfreundlichen Personen gekauft. Journalismus, der sich kritisch gegen Politiker richtet, wird so verhindert.

Presserecht und investigativer Journalismus: Wie hängen sie zusammen?

Artikel 5 des deutschen Grundgesetzes sagt, dass jeder das Recht hat seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet.

Die Pressefreiheit ist in Deutschland also ein hohes Gut und kann nicht abgeschafft werden. Außerdem steht in Artikel 5 GG, dass man sich aus allgemein zugänglichen Quellen informieren darf. Wie bereits erwähnt, ist das Besondere des Investigativjournalismus aber, dass er eben nicht frei verfügbare Informationen nutzt. Deshalb ist der Informantenschutz besonders wichtig. In Deutschland muss kein Journalist seine Quelle verraten und kann von einem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch machen. Der Informantenschutz ist damit eine Grundvoraussetzung für die Pressefreiheit.

Viele der Rechte der freien Presse wurden gerichtlich erkämpft. Dazu gehört auch, dass Informationen genutzt werden dürfen, die auf nicht legale Weise beschaffen wurden, wenn das öffentliche Interesse an einem Sachstand das individuelle Schutzbedürfnis des Betroffenen überwiegt.

Grundsätzlich lassen sich im deutschen Presserecht keine Punkte finden, die die Arbeit von Investigativjournalisten unterbinden können. Mit dem Pressekodex, einer Sammlung journalistisch-ethischer Grundsätze, setzen sich Journalisten aber einige eigene Grenzen. So sollen sie bei ihrer Arbeit keine unlauteren Methoden anwenden und sich in der Regel als Journalisten zu erkennen geben.

Beispiele für investigativen Journalismus

Investigativer Journalismus kann großen Einfluss haben. Beispiele aus der Vergangenheit zeigen, dass durch Recherchen und journalistische Arbeit kriminelle Strukturen aufgedeckt und sogar Regierungen zum Rücktritt gezwungen werden können.

Die Watergate-Affäre

Die Recherchen zur Watergate-Affäre werden als Glanzstück des investigativen Journalismus angesehen.

Im Juni 1972, nur wenige Monate vor der US-Präsidentschaftswahl, brachen fünf Männer in das damalige Hauptquartier der Demokratischen Partei in Washington, D.C. ein. Unter ihnen war auch der Sicherheitschef des Komitees zur Wiederwahl von Richard Nixon. Ihr Ziel war es, Informationen über die Opposition zu beschaffen, die im Wahlkampf gegen sie verwendet werden kann. Dieser Einbruch war nicht der erste. Bereits einige Wochen vorher hatten die Männer Abhörwanzen ausgetauscht, die beschädigt worden waren.

Doch dieses Mal wurden sie von einem Sicherheitsbeamten erwischt. Nixon, der zu dem Zeitpunkt in den Umfragen vorne lag, behauptete, nichts über die Einbrüche gewusst zu haben. Tatsächlich gewann er zunächst auch seine Wiederwahl sehr deutlich.

Bob Woodward und Carl Bernstein, Journalisten der Washington Post, hatten den Auftrag bekommen, über den Einbruch zu berichten. Sie waren maßgeblich an der Aufdeckung des Watergate-Skandals beteiligt. Durch ihre Recherchen und die Informationen einer anonymen Quelle, konnten sie aufklären, dass die Aktion durch illegale Wahlkampfspenden finanziert wurde und sich die Spuren der Täter bis ins Weiße Haus verfolgen lassen.

Schlussendlich sah sich Richard Nixon gezwungen, als Präsident zurückzutreten. Woodward und Bernstein erhielten für ihre Arbeit den Pulitzer-Preis.

Die Panama-Papers

Die Panama-Papers sind eine Recherchearbeit der Süddeutschen Zeitung in Kooperation mit dem International Consortium for Investigative Journalists. Ein anonymer Whistleblower trat 2015 an die Süddeutsche Zeitung heran und übermittelte interne Dokumente der panamaischen Kanzlei Mossack Fonseca. Die Firma verkaufte weltweit anonyme Briefkastenfirmen, mit deren Hilfe sich so ziemlich jegliche Geschäfte verschleiern ließen.

Insgesamt wurden 11,5 Millionen Dokumente mit einer gesamten Dateigröße von 2,6 Terabyte übergeben, das größte Leak, mit dem Journalisten je gearbeitet haben. Über den Zeitraum von einem Jahr entwirrten die Journalistinnen und Journalisten die Dokumente und Geflechte aus Briefkastenfirmen. Sie fanden Spuren zu Bestechungsskandalen, Steuerhinterziehung und korrupten Staats- und Regierungschefs. In zahlreichen Ländern führte die Veröffentlichung der Panama Papers zu Ermittlungen gegen Politiker und Prominente.

Die Kooperation stellt die bislang größte dagewesene grenzüberschreitende Zusammenarbeit dar. Rund 400 Journalisten aus mehr als 100 Medienorganisationen in 80 Ländern waren an ihr beteiligt. Auch für manche Journalistinnen und Journalisten hatte die Mitarbeit an den Panama-Papers weitreichende Folgen. Noch Monate nach ihrer Veröffentlichung müssen Redakteure der panamaischen Zeitung “La Pensa” von Leibwächtern geschützt werden. Viele andere wurden beschimpft oder erhielten Morddrohungen.Weitere empfohlene Lektüre:

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Photokredit:
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