Edith Schippers (Liberale), die Gesundheitsministerin der Niederlande, hat es nicht geschafft, rechtzeitig die Fragen des Senats zu dem Gesetzentwurf über elektronische Gesundheitsdaten zu klären und wird dies jetzt mit dem neu eingesetzten Senat tun müssen.
Im Senat hatte der Gesetzentwurf von Anfang an viele Fragen aufgeworfen. Aus diesem Grund hatte der Senat für den 13. April eine Expertenanhörung zu diesem Thema anberaumt. Der Entwurf bietet Richtlinien für alle elektronischen Patientendaten (EPDs) sowie einen legalen Rahmen für die nationalen EPDs, die sogenannten LSPs. Nahezu alle Experten übten Kritik an dem Vorschlag.
Seit der Expertenanhörung steht der Senat auf Seiten der Kritiker des Gesetzentwurfes. Die Liberalen meinen, der Vorschlag trüge nichts zum besseren Schutz der Privatsphäre der Patienten bei. Einvernehmlich mit den Experten gehen die Liberalen, die Sozialisten und die Grünen davon aus, dass Teile des Entwurfs schlicht nicht umsetzbar sind. Die Sozialdemokraten sind der Meinung, dass die Gesetzesvorlage für die Patienten statt Vorteilen nur Nachteile bringt. Nach der Expertenanhörung sei die Sozialistische Partei "sogar noch skeptischer als sie es eh schon war, was die Nützlichkeit, Notwendigkeit und die Umsetzbarkeit des Vorschlags betrifft."
Die Sozialdemokraten, die Sozialisten und die Grünen, sowie auch die Liberalen sprechen sich für eine Suche nach einem alternativen System zum Datenaustausch aus. Mit einem alternativen System für das LSP könnte der undurchführbare Teil der Vorlage gestrichen werden. Allgemeinmediziner sprechen sich ebenfalls für solch eine Alternative aus.
Spezifische Einwilligung
Ein wichtiger Teil des Gesetzentwurfs betrifft die Einführung einer neuen Methode, mit der Patienten ihre Einwilligung erklären können. Während Patienten derzeit jedem Gesundheitsdienstleister einzeln die Einwilligung geben müssen, ihre Daten einzusehen, sollen sie nach dem neuen Gesetzesentwurf zukünftig eine "Spezifische Einwilligung" geben, womit tatsächlich eine pauschale Einwilligung für eine ganze Kategorie von Gesundheitsdienstleistern gemeint ist.
Das ist notwendig weil das LSP nicht darauf ausgelegt ist, mit der derzeitigen Methode der Einwilligung zu funktionieren. Das LSP ist somit nicht in der Lage, den geltenden Gesetzen bezüglich Vertraulichkeit und Privatsphäre zu genügen. Durch das Zusammenfassen einer ganzen Gruppe von Dienstleistern zur pauschalen Einwilligung, brächte die Einführung der "Spezifischen Einwilligung" de facto eine Schwächung des Schutzes der Privatsphäre.
Die Experten sind der Meinung, die neue Definition sei nicht praktikabel, sie schaffe umfangreiche administrative Belastungen und das Gesundheitssystem sei nicht dafür geeignet. Das LSP selbst muss auch noch angepasst werden. Gemeinsam mit den Experten stellen die Liberalen, die Sozialisten und die Grünen fest, dass diese neue Definition nicht Praxistauglich scheint. Nach Aussage der Sozialisten finden die Experten den Vorschlag "so unklar, unverständlich und kompliziert, dass er den Patienten kaum nützen könne [...] außerdem sei er bei wichtigen Kernthemen nicht praktikabel.
Da es sich um ein zentrales Element des Gesetzentwurfs handelt, fragen die Grünen den Minister, ob damit der Vorschlag insgesamt hinfällig sei. Die Liberalen fordern den Minister auf, zurück zum Staatsrat zu gehen und das Thema "Spezifische Zustimmung" dort zu klären.
Ein Alternatives System
Viele parlamentarische Gruppierungen fragen sich, ob mit dem LSP der richtige Weg beschritten wurde. Die Grünen wollen vom Minister wissen, ob ein nationales Patientendaten-System bei dem tatsächlichen Bedarf für Datenaustausch überhaupt angemessen sei. Sie verweisen damit auf die Erkenntnis des Niederländischen Datenschutzbeauftragten, "dass viele Dienstleister im Gesundheitswesen Defizite im Bereich Informationsmanagement und Datensicherheit aufweisen".
Die Liberalen fragen den Minister nach dem Ausmaß des Problems, für welches das LSP die Lösung sein soll. Allgemeinmediziner setzten sich bei der Anhörung für ein alternatives System ein, welches von Anfang an mit den bestehenden Gesetzen hinsichtlich der ärztlichen Schweigepflicht und dem Schutz der Privatsphäre übereinstimmt Sowohl die Grünen als auch die Liberalen wollen wissen, ob diese Alternative ausreichen würde.
Die Sozialdemokraten und die Sozialisten sprechen sich für eine Alternative aus, die dem Patienten die Kontrolle über seine eigenen Daten überlässt. Dafür müssten Bürger, sofern sie dies wünschen, ihre persönliche Gesundheitsakte erhalten.
Bereits 2011 hat der Senat das LSP niedergestimmt weil es, unter anderem, die Privatsphäre nicht ausreichend schützte. Damals war Minister Schippers für eine Neuauflage des Nationalen Elektronischen Patientendaten-Systems verantwortlich.
Eindeutige Mehrheit im Repräsentantenhaus
In Anbetracht der großen Zweifel des Senats ist es erstaunlich, dass das Repräsentantenhaus diesen Gesetzentwurf am 1. Juli 2014 mit einer großen Mehrheit akzeptiert hat. Auch die Frage der Einwilligung zur Einsicht der Patientendaten wurde im Repräsentantenhaus besprochen. Nach einem Vorschlag der Christdemokraten wurde die neue Definition der Spezifischen Einwilligung in den Gesetzentwurf aufgenommen.
Verbote für Krankenversicherungen
Krankenversicherungen dürfen an dem elektronischen Daten-Austauschsystem nicht teilnehmen und haben keinen Zugriff auf die Patientendaten. Dies wird von der Niederländischen Gesundheitsbehörde überwacht. Sollte der Betreiber eines Austauschsystems vermuten, dass sich eine Krankenversicherung Zugang zu einem EPD verschafft hat, muss er das Gesundheitsamt umgehend darüber informieren.
Krankenversicherer müssen mit hohen Geldstrafen rechnen, wenn sie sich Zugang zu eine Elektronischen Austauschsystem verschaffen. Die Höchststrafe pro Verstoß beträgt 500.000 Euro oder 10 Prozent des Umsatzes des Versicherers (je nachdem welcher Betrag höher ist). Gesetzesübertreter können Strafrechtlich verfolgt werden Betroffene Versicherte haben das Recht, ihre Versicherung fristlos zu kündigen. Die Liberalen im Senat fragen sich, wie das mit einem weiteren Gesetzentwurf von Minister Schipers zusammenhängt, der Versicherern den Zugriff auf Patientendaten zur Rechnungsprüfung erleichtern soll.
Auf Antrag der Sozialisten, ist es Gesundheitsdienstleistern nicht gestattet, Finanzielle Anreize zu schaffen, um Patienten dazu zu bewegen, an einem EPD teilzunehmen. Derzeit sind solche finanziellen Anreize ein Teil der Neuauflage des gescheiterten LSP, um mehr Patienten in das System zu bekommen. Die Liberalen, die Sozialdemokraten und die Christdemokraten im Senat wollen vom Minister wissen, ob Krankenversicherungen Menschen dazu drängen, bei dem LSP mitzumachen und wie sie das verhindern wird.
Privacy Barometer
Gemeinsam mit der Bürgerrechtsbewegung Vrijbit hat die Watchdog Organisation "Privacy Barometer" einen Brief an das Repräsentantenhaus verfasst, der sich mit der Entwicklung des Gesetzentwurfs und der Einführung eines nationalen Patientendatensystems beschäftigt. Die Sozialisten haben diesen Brief als Ganzes dem Repräsentantenhaus als Parlamentarische Anfrage vorgelegt.
Von: Privacy Barometer