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Porträt der spanischen Justiz

Spanien kämpft nach wie vor mit gravierenden Mängeln bei der Unabhängigkeit der Justiz. Als einer der Grundpfeiler demokratischer Gesellschaften, ist diese aber essentiell für das Vertrauen der Öffentlichkeit in ihre Institutionen.

by Rights International Spain

In den vergangenen Jahren hat sich das Liberties-Mitglied Rights International Spain regelmäßig an die UNO-Organe und die Europäische Kommission gewandt, um schwere Mängel in den Bereichen Unabhängigkeit der Justiz und Recht auf Zugang zur Justiz anzumahnen.

Mittlerweile haben die Probleme bei der Unabhängigkeit der Justiz in Spanien ein solches Ausmaß angenommen, dass sich vier Richterverbände und drei Staatsanwaltschaften auf einen Aktionsplan geeinigt haben, der am 22. Mai in einem Streik gipfeln soll, wenn die Behörden bis dahin keine ernsthaften und sinnvollen Vorschläge machen. Gefordert werden unter anderem Maßnahmen zur Stärkung der Unabhängigkeit der Justiz, zur Modernisierung des Justizsystems, einschließlich angemessener und ausreichender materieller und personeller Ressourcen, zur Reform des Allgemeinen Rates der Justiz und zur Gewährleistung einer Politik der Gleichheit und der Transparenz, bei der die Kriterien für die Einstellung von Richtern deren Leistungen und ihre Qualifikation sind.

Ständige Gesetzesänderungen

Das Justizgesetz wurde zwischen 2011 und 2015 durch Gesetzesvorlagen der Regierung bzw. der Fraktion der Regierungspartei im Kongress bereits neunmal reformiert, eine zehnte Reform ist derzeit in Arbeit.

Obwohl sich der Geltungsbereich der Reform zunächst darauf beschränkte, Maßnahmen wieder einzuführen, welche die Vereinbarkeit von Berufs- und Familienleben der Richter gewährleisten sollen, hat die Regierungsfraktion im Kongress unter Ausnutzung ihrer Mehrheit bedeutende Änderungen vorgenommen, die auf eine "umfassende versteckte Reform" mit Auswirkungen auf das Funktionieren des Justizsystems hinauslaufen. Das ordentliche Gesetzgebungsverfahren wird dabei missachtet, denn die Regierung ignoriert ihre Verpflichtung, obligatorische Berichte von einer Reihe von Gremien einzuholen.

Mangelnde Effizienz und Qualität

Im Jahr 2017 reichten die vier Justizvereinigungen gemeinsam eine Beschwerde gegen den Generalrat des Justizverwaltungsrates ein. Sie warfen ihm vor, seiner Verpflichtung, die Arbeitsbelastung der Richter sinnvoll zu begrenzen, nicht nachzukommen. Die Verbände machen ihr Leitungsorgan für die Überlastung durch die fehlende Festlegung von Höchstgrenzen verantwortlich. Zu den "14 grundlegenden Vorschlägen zur Verbesserung des Justizsystems", auf die sich die Justizvereinigungen 2017 geeinigt haben, gehört auch die "Erhöhung der Zahl der Richter, um dem europäischen Durchschnitt angeglichen zu werden, indem für die nächsten vier Jahre jährlich 250 neue Stellen berufen werden".

Der Generalrat der Justiz und das Justizministerium verabschiedeten 2017 einen Dringlichkeitsplan zur Schaffung von 54 Gerichten in den Provinzhauptstädten, die sich ausschließlich mit Fällen der "Geschoss-Klausel" (d.h. mit missbräuchlichen und unfairen Klauseln in Hypothekarkreditverträgen) befassen und reagierte damit auf das Urteil der Großen Kammer des Gerichtshofs der EU in den verbundenen Rechtssachen C-154/15, C-307/15 und C‑308/15.

Diese Entscheidung wurde sowohl von den Anwaltskammern als auch von den Richtern heftig kritisiert und abgelehnt. Die Schaffung dieser Gerichte wurde als "chaotisch" bezeichnet. Sie würde zu einer Überlastung der Gerichte führen, da es an angemessenen und ausreichenden personellen und materiellen Ressourcen für ihr korrektes Funktionieren mangele, was in der Folge das Recht auf effektiven Rechtsschutz gefährde.

Die spanischen Gerichte mussten sich auch mit einer hohen Zahl von Fällen politischer Korruption auseinandersetzen. Im Jahr 2017 haben die Gerichte 97 Verfahren wegen Korruptionsvergehen abgeschlossen und 126 Urteile (78% Verurteilungen) gegen 411 Personen gefällt. Diese Fälle sind komplex und um sie rechtzeitig und effektiv untersuchen zu können, werden erhebliche Mittel und Ressourcen gebunden. Deshalb haben Staatsanwälte und Richter mehr Mittel gefordert. In einigen Fällen bestand die Antwort jedoch lediglich darin, dass Personal aus anderen Gerichten verlegt wurde, was die Arbeitsbelastung dieser eh schon überlasteten Gerichte erhöht und sich somit insgesamt negativ auf die Rechtsprechung auswirkt.

Schließlich hat eine Rechtsreform von 2015 dafür gesorgt, dass immer weniger kostenloser Rechtsbeistand zur Verfügung gestellt werden kann, wodurch den Bürgern der Zugang zu dieser wichtigen öffentlichen Dienstleistung erheblich erschwert wurde. Darüber hinaus leiden Rechtsanwälte unter langen Verzögerungen bis sie bezahlt werden, in einigen Fällen sogar mehr als sechs Monate, und unter den sehr niedrigen Gebühren, der Durchschnitt pro Fall liegt bei 135 Euro. Beides ist in den letzten 20 Jahren unverändert geblieben. Darüber hinaus sollten nach dem Gesetz die aus den Gerichtsgebühren eingenommenen Gelder zum Teil zur Verbesserung des Rechtsbeistands eingesetzt werden. Doch seit im Jahr 2012 das Gerichtsgebührengesetz verabschiedet wurde, ist dahingehend nichts unternommen worden.

Beeinträchtigung der richterlichen Unabhängigkeit

Die Unabhängigkeit der Justiz ist in einer demokratischen Gesellschaft von grundlegender Bedeutung und entscheidend für das Vertrauen der Öffentlichkeit in ihre Institutionen. Der im Dezember 2017 angenommene GRECO-Zwischenbericht über die Einhaltung der Vorschriften in Spanien kam zu dem Schluss, dass keine der im Bericht über die vierte Runde der Evaluierung enthaltenen Empfehlungen zufriedenstellend umgesetzt wurde, dies gilt auch für die Reform des Rechtsrahmens des Allgemeinen Rates für die Justiz. Nach Aussage der vier Verbände "scheint es jedoch keine klare Mehrheit für eine Reform des Justizverwaltungsrates zu geben".

GRECO empfahl auch, die Ernennung der höheren Ränge der Justiz zu überprüfen. Eine der Justizvereinigungen gab sogar eine Erklärung ab, in der sie die unverschämte Handhabe der Ernennungspolitik durch den Generalrat der Justiz anprangerte. Der Justizverband warf dem Generalrat vor, mit der Regierung und ihrer Partei gemeinsame Sache zu machen, um Richter ihrer Wahl zu ernennen und so die Tätigkeit der Gerichte in zahlreichen Korruptionsfällen zu kontrollieren. Damit würde die Fähigkeit der Gerichte, ihre Aufgaben wahrzunehmen, erheblich beeinträchtigt und dies sei auch kein Einzelfall sondern während der laufenden Amtszeit des derzeitigen Generalrates der Justiz eher die Regel.

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