Die Themen über die Whistleblower der Öffentlichkeit Informationen zur Verfügung stellen, können sehr unterschiedlich sein, etwa eine Gefährdung des öffentlichen Interesses oder der nationalen Sicherheit, Betrug, Korruption, Missbrauch personenbezogener Daten, unrechtmäßige Verwendung privater Informationen oder Missmanagement von Geldern. Weil sie Fehlverhalten melden, sind Whistleblower selbstverständlich gefährdet, Vergeltungsmaßnahmen von ihren Arbeitgebern ausgesetzt zu sein. Sie können ihren Arbeitsplatz verlieren, von Bossen belästigt oder verklagt werden.

Wie weit wird die Kommission gehen?

Wenn Whistleblower illegales oder unethisches Verhalten öffentlich bekannt machen, brechen sie manchmal (aber nicht immer!) selbst das Gesetz: Sie laden Informationen aus Datenbanken herunter, auf die sie keinen Zugriff haben dürften, machen illegale Aufzeichnungen, sie verbreiten hochgradig vertrauliche Informationen. Whistleblower sind in der Regel mit rechtlichen Problemen konfrontiert und riskieren strafrechtliche Verfolgung.

Die Europäische Kommission hat kürzlich eine öffentliche Konsultation zum Schutz von Hinweisgebern durchgeführt. Nach Ansicht der Kommission können Hinweisgeber durch Meldung oder Offenlegung rechtswidriger Handlungen oder Unterlassungen Schaden für das Gemeinwohl verhindern. Auf der Grundlage dieser Annahme über die Nützlichkeit von Whistleblowing plant die Kommission, den Schutz von Whistleblowern zu verbessern. Jetzt stellt sich die Frage, wie weit sie dabei gehen wird? Werden sie nur vollkommen gesetzestreue Whistleblower vor Vergeltungsmaßnahmen am Arbeitsplatz schützen oder wird der Schutz auch etwas weiter reichen?

Gesetze müssen weiter gefasst werden

Es ist wichtig festzuhalten, dass die bestehenden Gesetze die gesetzestreuen Whistleblower standardmäßig nur an ihren jeweiligen Arbeitsplätzen vor Verfolgung schützen und nicht in allen Fällen anwendbar sind, in denen Whistleblower das Gesetz bei dem was sie tun brechen. Liberties ist aber davon überzeugt, dass das notwendig ist. Wir sind der Meinung, dass das Gesetz ausdrücklich festlegen sollte, dass Whistleblower nicht für ihre rechtswidrigen Handlungen bestraft werden sollen, wenn zwei wichtige Bedingungen erfüllt sind. Erstens enthüllt ein Hinweisgeber der Öffentlichkeit neue Informationen und es gibt keine andere Möglichkeit, das in Frage stehende Fehlverhalten aufzudecken, ohne das Gesetz zu brechen. Die zweite ist, dass der durch die Gesetzesverletzung verursachte Schaden in einem angemessenen Verhältnis zu dem sich daraus ergebenden Nutzen für das Gemeinwohl sein sollte.

Wir behaupten, dass Whistleblower (nur) unter bestimmten Umständen geschützt werden sollten, wenn sie das Gesetz brechen. Und zwar, weil sie keine gewöhnlichen Straftäter sind. Übliche Täter brechen das Gesetz für ihre eigenen Interessen, um ihr eigenes Wohlergehen zu verbessern. Im Gegensatz dazu dienen Whistleblower dem öffentlichen Interesse, wenn sie das Gesetz brechen, indem sie in der Regel ihr Einkommen, ihre Freiheit und ihre psychische Gesundheit gefährden. Sie sollten ermutigt werden, an die Öffentlichkeit zu gehen. Dies geschieht jedoch nicht in ausreichendem Maße, da bestehende Regeln Whistleblower überhaupt nicht schützen oder Unklarheiten darüber bestehen, wann Whistleblower Schutz erhalten können.

Über das Brechen des Gesetzes …

Manchen von Ihnen ist vielleicht unwohl, wenn Sie diese Zeilen lesen. Sie können einwenden, dass diese Leute schließlich das Gesetz brechen. Und einige von denen riskieren nicht nur ihr eigenes Wohlergehen - was sie gerne tun dürfen -, sondern sie gefährden darüber hinaus auch noch das öffentliche Interesse. Schließlich sind einige der Informationen, die Whistleblower ausplaudern, aus einem bestimmten Grund vertraulich. Diese Art von Informationen zu verlieren, kann die nationale Sicherheit oder die wirtschaftlichen Interessen des Staates untergraben. Sie können glauben, dass wir Whistleblowern nicht unbedingt vertrauen können, um zu wissen, wann das gemeinsame Interesse, dem sie zu dienen vorgeben, wichtig genug ist, um zu rechtfertigen, dass sie das Gesetz brechen.

Vielleicht möchten Sie hinzufügen, dass Whistleblower das Gesetz brechen, weil sie denken, dass ihr Gesetzesbruch moralisch gerechtfertigt ist. Vielleicht denken Sie auch, dass auch Sie manchmal moralisch im Recht wären, wenn Sie das Gesetz brechen würden, zum Beispiel, weil Sie denken, dass ein bestimmtes Gesetz (z. B. jenes, das Sie verpflichtet, Steuern zu bezahlen) grob ungerecht ist. Wenn Sie jedoch aufgrund Ihrer moralischen Meinungsverschiedenheit Ihre Steuern nicht in voller Höhe bezahlen, wird kein Menschenrechtsanwalt dafür kämpfen, Sie vor den rechtlichen Konsequenzen Ihrer Handlungen zu schützen. Ist das nicht unfair? Und ist es wirklich so eine gute Idee von Liberties, einige Leute, potenzielle Whistleblower, zu ermutigen, die Gesetze zu brechen, wenn und wo sie es für richtig halten?

Dies sind wirklich wichtige Fragen. Bedenken Sie jedoch, dass die Forderung nach einem stärkeren Schutz von Hinweisgebern nicht dasselbe ist wie die Forderung, dass jemand einfach nur vor den rechtlichen Konsequenzen seiner Handlungen geschützt wird. Unser Argument bleibt immer noch, dass, eine Person beweisen muss, dass das, was sie getan hat, der Gesellschaft zugute kommt, um Schutz als Hinweisgeber einzufordern. Ein potenzieller Hinweisgeber muss noch berücksichtigen, dass er Strafverfolgung riskiert. Wir behaupten, dass es außergewöhnliche Situationen gibt, in denen diese Rechtfertigung greifen kann, aber dies bleiben Ausnahmefälle. Wenn Sie den Tod eines Menschen verhindern können, indem Sie illegal Daten über die Misswirtschaft einer Pensionskasse erhalten und sie „leaken“ lassen, bevor alles wirklich schief geht, befinden Sie sich in einer solchen Situation. Wenn Sie einfach nicht mit einem etablierten und akzeptierten Gesetz übereinstimmen, dass alle Steuern zahlen sollten, ist das nicht der Fall.

Bilden Sie sich Ihre eigene Meinung

Jetzt fühlen Sie sich vielleicht etwas überrant und haben immer noch Fragen. Okay, die Menschenrechtsanwälte von Liberties glauben, dass Menschen eine moralische Pflicht haben, den Gesetzen zu gehorchen, und dass Gesetzesbruch sehr selten gerechtfertigt ist. Aber warum haben wir eine moralische Pflicht, den Gesetzen zu gehorchen? Warum genau sind wir verpflichtet, Regeln zu befolgen, die andere Leute gemacht haben und denen wir nicht zustimmen?

Sie werden überrascht sein zu erfahren, dass es unter den größten Denkern unserer Zeit keine Übereinstimmung gibt, warum wir dem Gesetz gehorchen sollten. In den folgenden Artikeln stellen wir Ihnen eine Reihe von Theorien verschiedener Philosophen vor, die untersuchen, warum wir das tun sollten. Wir werden auch zeigen, wie diese Theorien auf nicht gesetzestreuen Whistleblowern anwendbar sein können und unter welchen Umständen sie Rechtsbruch als gerechtfertigt ansehen. Sie müssen sich keiner dieser Theorien anschließen - alles, was wir hier tun wollen, ist, Sie dazu zu ermutigen, sich zu diesem Thema selbst eine Meinung zu bilden.