Demokratie & Gerechtigkeit

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Frankreichs Regierung hat strengere Migrationsgesetze verabschiedet. Im "Land der Menschenrechte" ist das Klima für Flüchtlinge und Asylbewerber, aber auch für Menschenrechtler, immer feindseliger geworden.

by Jascha Galaski

Im vergangenen Jahr hat die französische Regierung mehrere neue Asyl- und Einwanderungsreformen beschlossen. Mit strengeren Gesetzen will Frankreich die Bearbeitung von Asylanträgen beschleunigen und die Ausweisung abgelehnter Personen erleichtern. Zu den neuen Regeln, die am 1. Januar 2019 in Kraft getreten sind, gehören:

  • Strenger geregelter Zugang zum Territorium: Die Grenzpolizei kann einer Person, die innerhalb von zehn Kilometern nach einem Grenzübertritt verhaftet wurde, die Einreise verweigern.
  • Beschleunigte Asylverfahren: Die Zeit in der ein Asylantrag eingereicht werden kann wurde von 120 auf 90 Tage verkürzt.
  • Haftbedingungen: Die maximale Haftdauer für Asylbewerber wird von 45 auf 90 Tage verdoppelt.

Zur Freude der Migrantenfeinde schlug Präsident Emmanuel Macron in seinem Schreiben an das französische Volk vor, Quoten einzuführen um die illegale Einwanderung zu stoppen (obwohl in Wirklichkeit die Einführung von 'Obergrenzen' die illegalen Einreisen nicht einschränken). Neben einer strengeren Migrationspolitik sehen sich Migranten und Menschenrechtsaktivisten mit einem zunehmend feindlichen Umfeld konfrontiert.

Kein Frieden in Sicht

Frankreich wurde von der Zivilgesellschaft wegen der schlechten Haft- und Aufnahmebedingungen für Asylbewerber stark kritisiert. In den oft überfüllten Haftanstalten kommt es häufig zu Spannungen und Gewalttaten. Der psychische Gesundheitszustand der Inhaftierten verschlechtert sich, die Frustration nimmt zu und einige Menschen sind sogar in Hungerstreik getreten. Laut einem Jahresbericht, der von zivilgesellschaftlichen Organisationen erstellt wurde, die die Haftanstalten überwachen, hält Frankreich jedes Jahr fast 50.000 Menschen fest, obwohl sie keine Straftaten begangen haben, dazu zählen auch zahlreiche Kinder.

Eine Gruppe von NGOs wies in einem Brief an Präsident Macron auf das Versagen des Staates beim Schutz und der Unterbringung von Migranten hin. Weil es an Unterkünften mangelt, leben viele Asylbewerber, auch Minderjährige, immer noch auf der Straße. Einige Zentren müssen Plätze verlosen, da an bestimmten Tagen die Nachfrage nach Schlafplätzen achtmal so hoch ist, wie es die Kapazitäten zulassen. Die Unglücklichen müssen auf der Straße schlafen, inmitten von Müll und Ratten, kaum geschützt vor der Kälte und ständigen Schikanen der Polizei ausgesetzt.

Du darfst nicht durch.

Seit Macron Staatsoberhaupt geworden ist, sind die Grenzkontrollen verschärft worden. Der Europäische Rat für Flüchtlinge und Vertriebene (ECRE) berichtet in seinem jährlichen Länderbericht, dass die französische Polizei "massive und rechtswidrige Zurückweisungen (Push Backs)" durchgeführt hat, die Migranten dazu veranlassen, ihre Wege "auf riskantere Routen durch die Alpen" zu verlagern. Oft ohne Essen und Winterkleidung, leiden sie unter der Kälte und der Schikane durch die Sicherheitskräfte. Aufgegriffene werden sofort an die Grenze zurückgebracht.

Die französische Polizei verstärkte auch die Operationen an der spanischen Grenze. Im Baskenland wird jeder Bus und jeder Zug kontrolliert. Die NGO SOS Rassismus beklagt, dass auch Menschen, die sich bereits auf französischem Gebiet befinden, regelmäßig nach Spanien zurückgebracht werden, ohne dass ihr Asylrecht berücksichtigt werde.

Auch die Menschen, die im Norden Frankreichs darauf hoffen, das Vereinigte Königreich zu erreichen, sind von Seiten der französischen Polizei mit Feindseligkeit und Brutalität konfrontiert worden. Mehr als zwei Jahre nach dem Abriss des Lagers "Jungle" in Calais sind willkürliche Verhaftungen, Einschüchterungstaktiken und vorsätzlicher Schlafentzug nach wie vor an der Tagesordnung. Laut der britischen Zeitung The Guardian führte die Polizei 393 separate Lagerräumungen durch und hinterließ dabei Hunderte von unbegleiteten Kindern in einer prekären Situation.

Das Verbrechen der Solidarität

Doch nicht nur Migranten sehen sich einer zunehmenden Feindseligkeit ausgesetzt. Aktivisten, die Mitgefühl mit Migranten zeigen, können dafür im Gefängnis landen. Ein Artikel des Einwanderungsgesetzes bedroht jeden, der "versucht, die illegale Einreise, die Fortbewegung oder den Aufenthalt eines Ausländers zu erleichtern", mit bis zu fünf Jahren Haft. Im Oktober berichtete Liberties über den Prozess gegen sieben Personen, denen vorgeworfen wurde, Migranten beim Überschreiten der französisch-italienischen Grenze geholfen zu haben. Im Dezember erklärte ein Gericht die Menschenrechtler für schuldig, "undokumentierten Ausländern zu helfen" und verurteilte die Menschenrechtsaktivisten zu sechs bis zwölf Monaten Gefängnis.

Cédric Herrou, Landwirt und Aktivist aus dem Roya-Tal (La Vallée Rebelle), wurde nach seiner Verhaftung im Juli 2017 zum Symbol des Widerstands, weil er mehr als 200 Migranten geholfen hatte, die französisch-italienische Grenze zu überschreiten und sie in seinem Bauernhaus in Südfrankreich beherbergte. Er forderte die Abschaffung des, inoffiziell so betitelten 'délit de solidarité' (Verbrechen der Solidarität) und erzielte in diesem Sommer einen großen juristischen Sieg, indem der französische Verfassungsrat zum ersten Mal das "Prinzip der Brüderlichkeit (fraternité)" berücksichtigte und argumentierte, dass "uneigennützige Hilfe" nicht strafrechtlich verfolgt werden könne. Das Urteil war ein wichtiges Signal an die Bevölkerung: Ja, man kann Menschen helfen, auch wenn sie sich in einer irregulären Situation befinden.

Dieser Sieg beendete jedoch nicht das Verbrechen der Solidarität. Bereits wenige Wochen später wurde der junge Aktivist Loan Torondel der Verleumdung für schuldig befunden, weil er ein Bild von Polizisten twitterte, die über Migranten standen, die aus informellen Lagern in Calais vertrieben wurden. Im Januar erhielt Raphaël Faye, ein junger Mann, der vier Migranten beim Überschreiten der französisch-italienischen Grenze geholfen hatte, eine zweimonatige Bewährungsstrafe. Letztendlich übertrumpft das Verbrechen der Solidarität das Prinzip der Brüderlichkeit. Weitere Informationen zur Kriminalisierung der humanitären Hilfe für irreguläre Migranten findest Du hier.

Nicht nur schlechte Nachrichten.

Einige der Gesetze, die Frankreich verabschiedet hat, sind großzügiger gegenüber den Neuankömmlingen. Asylsuchende haben nun nach sechs statt nach neun Monaten Zugang zum Arbeitsmarkt, in Deutschland können Asylsuchende im Vergleich dazu bereits nach drei Monaten einen Job suchen.

Darüber hinaus haben subsidiär Schutzberechtigte jetzt Anspruch auf Aufenthaltstitel mit einer Gültigkeit von bis zu vier Jahren im Vergleich zu den bisherigen einjährigen Aufenthaltstiteln, und unbegleitete Kinder, die internationalen Schutz genießen, können nun von ihren Eltern begleitet werden.

Der Staat plant auch Investitionen in Aufnahmeplätze für Neuankömmlinge. Laut ECRE will das Innenministerium die Zahl der Unterkünfte für Asylbewerber bis Ende 2019 von 86.592 auf 98.476 erhöhen.

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