Laut einer Erklärung des Liberties Mitglieds the Helsinki Foundation for Human Rights (HFHR), "behindert das Gesetz die Arbeit und reduziert die Effektivität des höchsten Gerichts in Polen, das jetzt Hunderte von Fällen auf seiner Warteliste hat".
Änderungen am Gesetz über das Verfassungstribunal
Im Juli 2017 hat Polens Präsident zwei der drei umstrittenen Gesetze zur Reform der Justiz mit seinem Veto abgelehnt. Außerdem kündigte er an, dem Unterhaus des polnischen Parlaments, dem Sejm, seine eigenen Gesetzesvorschläge für den Obersten Gerichtshof und den Nationalen Justizverwaltungsrat vorlegen zu wollen.
Das genannte Gesetz wurde Ende 2017 geändert und im Dezember desselben Jahres in einer neuen Fassung verabschiedet. Diese Neufassung unterscheidet sich allerdings nicht wesentlich von dem im Juli abgelehnten Gesetz.
Das neue Gesetz senkt das Rentenalter für Richter des Obersten Gerichtshofs, führt mit der außerordentlichen Klage eine neue besondere Berufungsmaßnahme ein und schafft zwei neue Kammern des Obersten Gerichtshofs: die Disziplinarkammer und die Kammer für außerordentliche Überprüfung und öffentliche Angelegenheiten.
"Bedauerlicherweise garantiert das neue Gesetz nicht, dass die Unabhängigkeit und institutionelle Kontinuität des Obersten Gerichtshofs angemessen geschützt wird", heißt es in der Erklärung der HFHR.
Neues Rentenalter
Gemäß dem neu geänderten Gesetz müssen alle Richter, die älter als 65 Jahre sind, in den Ruhestand treten, es sei denn, der Präsident selbst genehmigt eine dreijährige Verlängerung der Amtszeit eines Richters.
Laut HFHR verringert eine solche Regelung "....effektiv die Unabhängigkeit der Richter. Die Einführung des neuen Rentenalters für Richter, stellt im Zusammenhang mit dem Verfahren der präsidialen Genehmigung der weiteren Amtsausübung, eine Lösung dar, die zu einem raschen Austausch vieler Richter des Obersten Gerichtshofs führen wird."
Das neue Rentenalter für Richter wurde von der Europäischen Kommission in ihren Empfehlungen zur Rechtsstaatlichkeit in Polen vom Dezember 2017 angesprochen. Diese Empfehlung wurde jedoch von der polnischen Regierung genauso wenig umgesetzt, wie die früheren EU-Empfehlungen aus den Jahren 2016 und 2017.
Außerordentliche Klage
Die Helsinki Foundation for Human Rights äußerte auch ihre Besorgnis über die neuen Regelungen zur außerordentlichen Klage, die nach Ansicht der HFHR eine Gefahr für die Rechtssicherheit darstellen.
"Die außerordentliche Klage kann missbraucht und statt zu einer Maßnahme zur Anfechtung grob ungerechter Gerichtsentscheidungen, zu einer politischen Waffe werden. Weitere Bedenken ergeben sich aus der Tatsache, dass außerordentliche Fälle von Fach- und Laienrichtern verhandelt werden", heißt es in der Stellungnahme der Organisation.
Die Zukunft des Obersten Gerichtshofs
Die neue Gesetzgebung des Obersten Gerichtshofs ist ein weiteres Instrument der Regierung, um die Justiz unter ihre Kontrolle zu bringen. Nach Aussage der HFHR liegt der Schutz der Rechtsstaatlichkeit in Polen nun in den Händen der Richter selbst:
"Die Umsetzung des neuen Gesetzes über den Obersten Gerichtshof ist eine weitere Phase der Veränderungen im Justizsystem, die es schrittweise unter die Kontrolle der herrschenden Mehrheit bringen sollen. Die Wahrung der Rechtsstaatlichkeit wird nun weitgehend von der moralischen Haltung der Richter und ihrer Entschlossenheit zur Verteidigung der Grundprinzipien eines demokratischen Rechtsstaates abhängen."