Es gibt verschiedene wirksame Mittel, um Desinformation zu bekämpfen: indem die Integrität von Online-Diensten gestärkt wird, die Monetarisierung von Desinformation eingeschränkt wird, Nutzer in die Lage versetzt werden, ihr Recht auf Zugang zu Informationen auszuüben, und die offene und diskriminierungsfreie Zusammenarbeit zwischen Plattformen, akademisch Forschenden und Faktenprüfenden verstärkt wird. Ob die Schäden durch Desinformation erfolgreich eingedämmt werden können, hängt jedoch davon ab, ob dass bestehende Recht auch konsequent durchgesetzt wird.
Die Allgemeine Datenschutzgrundverordnung gewährleistet angemessene Schutzmaßnahmen gegen gezielte und individuell zugeschnittene, irreführende Nachrichten. Das kommende Gesetz für digitale Dienste muss sinnvolle und robuste Transparenzmechanismen für Online-Werbung, Content Policing und algorithmische Systementwicklungen einführen. Diese Gesetze müssen durchgesetzt und auf das Problem der Desinformation angewendet werden. Liberties setzt sich für sinnvolle, transparente und durchsetzbare Regeln ein. Selbst die besten Gesetze und Selbst- und Koregulierungsmechanismen sind sinnlos, wenn sie nicht durchgesetzt und durch einen angemessenen Aufsichtsmechanismus gestützt werden. Unser Grundsatzpapier wurde verfasst, um den Meinungsbildungsprozess der Kommission zur Überprüfung des Verhaltenskodex für Desinformation im März 2021 zu unterstützen.
Desinformation eindämmen und gleichzeitig die Meinungsfreiheit bewahren
Die EU ist, wenn sie gegen Desinformation vorgeht, verpflichtet die Charta der Grundrechte zu respektieren. Die Verpflichtung der EU, die freie Meinungsäußerung zu schützen, impliziert, dass es unerwünschte Inhalte wie Desinformationen und Fehlinformationen bis zu einem gewissen Grad immer geben wird. Darüber hinaus ist Desinformation auf Online-Plattformen nicht die Ursache, sondern eher ein Symptom für umfassendere gesellschaftliche Probleme, wie z. B. die Dysfunktion der Politik, Rassismus, Sexismus und Ungleichheit. Desinformation lässt sich nicht beseitigen, ohne diese zugrunde liegenden Faktoren anzugehen.
Keine zusätzliche Macht für die Mächtigen
Obwohl die sozialen Medien nicht die zugrundeliegende Ursache für Desinformation sind, verstärken sie deren Wirkung ungemein. Das Geschäftsmodell von Plattformen wie Facebook und Twitter und anderen Tech-Giganten wie Google und Amazon basiert auf der Monetarisierung von Informationen jeglicher Art, einschließlich Desinformation. Diese Unternehmen haben bereits jetzt unverhältnismäßig großen Einfluss und Macht über Kultur, Gesellschaft, Wirtschaft und Politik.
Die Reaktion der EU auf Desinformation sollte nicht dazu führen, dass diese Unternehmen weiter gestärkt werden. Wenn wir diese Unternehmen dazu ermächtigen, ermutigen oder anweisen, mehr Daten zu sammeln, mehr zu verfolgen, mehr zu überwachen und mehr Fakten zu überprüfen, erhalten sie auch mehr Informationen über ihre NutzerInnen. Das wird ihnen nicht nur noch mehr Macht und Einfluss bringen, sondern ihnen auch erlauben, genau die Art von Informationen zu sammeln, welche die Verbreitung von Desinformation möglich und profitabel macht.
Transparenz
Tech-Unternehmen müssen transparent über ihre Aktivitäten informieren. Sie müssen, sowohl auf Landes- als auch auf Sprachebene, kohärente Berichte, aussagekräftige Datensätze und Datenbanken zur Verfügung stellen.
Gleiches gilt für die von den Tech-Unternehmen eingesetzten Algorithmen. Technologieunternehmen mögen legitime Interessen haben, ihre Waren und Dienstleistungen zu verkaufen und ihr geistiges Eigentum zu schützen. Dies kann jedoch nicht als Rechtfertigung dafür herhalten, NutzerInnen, Forschung und Aufsichtsbehörden vorzuenthalten, welche Ziele und Kriterien die Unternehmen in die von ihnen verwendeten Algorithmen eingearbeitet haben, um Demokratie und Grundrechte zu schützen.
Integrität der Dienste
Um Demokratie und Grundrechte zu schützen, müssen Politik, Forschung und Aufsichtsbehörden die Auswirkungen von Tech-Unternehmen auf die Grundrechte und die Freiheit demokratischer Debatten verstehen. Die Stärkung von Maßnahmen zum Schutz der Integrität ihrer Dienste gegen den Einsatz von manipulativen Techniken wird die Verstärkung von Desinformationskampagnen einschränken. Deshalb müssen Risikobewertung und Risikominimierung und die Gestaltung der Dienstetransparent und überprüfbar sein. Und das muss auch für das Empfehlungssystem, die Kuratierung und Moderation von Inhalten und des Advertising-System gelten.
Wir warnen vor einer "Real-Account-Policy" und davor, die Möglichkeit, anonym zu kommunizieren auszuschalten. Risikogruppen wie Mitglieder der LGBTQ-Gemeinschaft, Menschen, die mit psychischen Krankheiten leben, oder Opfer häuslicher Gewalt werden eventuel von ihren Regierungen verfolgt oder können gesellschaftlicher Diskriminierung ausgesetzt sein. Diese Gruppen sind auf Anonymität angewiesen, um sich zu schützen, und dürfen nicht vom Zugang zu Diensten, wie z. B. Social-Media-Plattformen, ausgeschlossen werden.
Das Geschäftsmodell der Online-Manipulation
Die Richtlinien von Technologieunternehmen darüber, welche Inhalte sie ihren Nutzern zeigen, welche sie promoten und welche sie beiseite lassen, sowie die Art und Weise, wie sie Inhalte kontrollieren, werden fast ausschließlich von ihren wirtschaftlichen Interessen bestimmt. Das Geschäftsmodell der Online-Plattformen - die Monetarisierung von Desinformation - ist das Kernproblem.
Tech-Unternehmen setzen Micro-Targeting und Surveillance Advertising ein, indem sie Nutzerdaten als Grundlage für Entscheidungen darüber nutzen, welche Werbung angezeigt werden soll. Dieser Missbrauch von Daten zur Manipulation der NutzerInnen unterstreicht die Notwendigkeit einer starken ePrivacy-Verordnung als Mittel, um das Gleichgewicht der Anreize für Unternehmen zu verändern - weg von einem Modell, das auf Datensammeln und Datenweitergabe setzt, weg von einem Modell, das auf Sensationslust und Schockwirkung setzt.
Unsere Empfehlungen im Detail: Das vollständige Strategiepapier steht hier zum Download bereit.
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Das Chaos und die Falsche Gefahr durchschauen