Der EGMR stellte fest, dass Gesetze, welche die Anerkennung solcher Partnerschaften verhindern, gegen das Recht auf Achtung des Privatlebens verstoßen. In seinem Urteil verwies der Gerichtshof direkt auf den von dem Liberties-Mitglied the Helsinki Foundation for Human Rights (HFHR) vorgelegten Amicus Curiae-Brief.
Orlandi und andere gegen Italien
Die zugrundeliegende Klage wurde von 11 Personen italienischer Staatsbürgerschaft und einer kanadischen Person eingebracht, die alle in Ländern verheiratet sind, die gleichgeschlechtliche Ehen gesetzlich anerkennen. Nach ihrer Rückkehr nach Italien beantragten sie die Eintragung dieser Ehen bei den italienischen Behörden, die ihre Anträge mit der Begründung ablehnten, eine Eintragung würde gegen die öffentliche Ordnung verstoßen. Nach Auffassung der Kläger handelte es sich bei diesen Entscheidungen um eine Diskriminierung aufgrund der sexuellen Ausrichtung.
In der Rechtssache Orlandi and Others v. Italy betonte der Gerichtshof, dass die Mitgliedstaaten zwar frei entscheiden können, ob sie gleichgeschlechtliche Ehen akzeptieren wollen oder nicht, sie allerdings dazu verpflichtet seien, gleichgeschlechtliche Paare rechtlich anzuerkennen und zu schützen. Wie der Gerichtshof feststellte, erkennt die Mehrheit der Mitglieder des Europarates (27 von 47 Staaten) gleichgeschlechtliche Beziehungen in Form von zivilrechtlichen Partnerschaften an. Diese sind eine mit der Ehe vergleichbare Institution und werden allgemein als ausreichend für die Einhaltung der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) angesehen.
Doch bis zum Inkrafttreten eines neuen Gesetzes über gleichgeschlechtliche Partnerschaften im Jahr 2016 gewährte das italienische Recht gleichgeschlechtlichen Paaren keinerlei Rechtsschutz. Der EGMR vertrat die Auffassung, diese Situation sei mit rationalen Argumente nicht zu rechtfertigen, da sie zu einer Verletzung von Artikel 8 der Konvention (dem Recht auf Schutz der Privatsphäre und des Familienlebens) führten.
Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Paare in Polen
In ihrer dem Straßburger Gericht vorgelegten Amicus Curiae-Stellungnahme verwies die HFHR auf polnische Vorschriften und stellte fest, dass es in Polen kein Verfahren für die offizielle Registrierung von Zivilen Partnerschaften oder gar zur Anerkennung von im Ausland geschlossenen gleichgeschlechtlichen Ehen gibt. Nach polnischem Recht ist eine Ehe zwischen Personen unterschiedlichen Geschlechts die einzig gültige Form der ehelichen Vereinigung.
In der Stellungnahme wurde betont, dass es keine Rechtfertigung für die Beibehaltung eines solchen Status quo in Polen gibt, einem Land, das nicht einmal den grundlegendsten Standard der rechtlichen Anerkennung gleichgeschlechtlicher Paare gewährleistet.
Die genannten Gesetzeslücken führen zu einer Diskriminierung sexueller Minderheiten auf vielen Ebenen. Die Helsinki-Foundation hat sich mit vielen verschiedenen Formen der Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung auseinandergesetzt: Diskriminierung beim Zugang zu sozialen Rechten und Steuervorteilen; Unmöglichkeit, eine Genehmigung für den Erwerb eines Grundstücks in Polen durch einen ausländischen homosexuellen Partner eines polnischen Bürgers zu erhalten; Weigerung, zwei gleichgeschlechtliche Eltern in die Geburtsurkunde eines Kindes aufzunehmen; Probleme beim Erwerb der polnischen Staatsbürgerschaft durch Kinder gleichgeschlechtlicher Paare.
Darüber hinaus wurden seit 2003 alle Gesetzesvorschläge, die darauf abzielten, die offizielle Registrierung Ziviler Partnerschaften in Polen zu ermöglichen, egal ob sie von Organisationen der Zivilgesellschaft oder von politischen Parteien eingereicht wurden, vom Parlament abgelehnt oder schlichtweg ignoriert. In der Stellungnahme wird auch auf die wachsende öffentliche Unterstützung für den Schutz gleichgeschlechtlicher Beziehungen unter polnischem Recht hingewiesen.
Der vom Team des Strategic Litigation Programme der HFHR verfasste Amicus Curae Brief ist hier verfügbar.