Wieder einmal verurteilt der Gerichtshof in Straßburg Bulgarien wegen der Art und Weise, wie der Staat Entscheidungen über den Abriss illegaler Bauten trifft, auch wenn diese die einzige Wohnstätte der Betroffenen sind.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat wieder einmal festgestellt, dass sich der bulgarische Staat eines Bruchs der Europäischen Menschenrechtskonvention schuldig gemacht hat, indem er den Abriss des Hauses einer Familie anwies, ohne eine alternative Unterkunft anzubieten.
In seinem Urteil vom 21. April im Fall Ivanova and Cherkezov v. Bulgaria, entschied der EGMR, dass der Auftrag für den Abriss des einzigen Haus einer Familie einen Verstoß darstellt gegen Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention, der das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens und der Wohnung behandelt.
In seinem Urteil bemerkte der Gerichtshof in Straßburg, dass es die bulgarischen Gerichte normalerweise ablehnen, Argumente zur Verhältnismäßigkeit dieser Maßnahmen zu prüfen, wenn es um die Berücksichtigung der persönlichen Situation der Betroffenen geht, weil diese für die Frage der Rechtmäßigkeit des Abrisses nicht relevant ist.
Das bedeutet, dass es im bulgarischen Recht keine Rolle spielt, ob die Ausführung eines Auftrags den Geschädigten auf die Straße setzt.
Illegal gebaut
Mavruda Ivanova und Ivan Cherkezov, zwei bulgarische Staatsangehörige, strengten am 15. September 2015 den Fall gegen den Staat an. Im Jahr 2005 zogen die Antragsteller in das Dorf Sinemorets, wo Ivanova von ihren Eltern 77 Prozent eines 625 Quadratmeter großen Grundstücks geerbt hatte.
Ohne Baugenehmigung, setzte Ivanova das verfallene Haus auf dem Grundstück in Stand. Seitdem wohnten die beiden in dem eingeschossigen Ziegel-Haus.
Bulgarische Polizei umstellt ein Haus auf dem Roma auf dem Dach stehen, um gegen den Abriss des Hauses in einem Vorort der Stadt Stara Zagora zu protestieren. (Bild: Stoyan Nenov, Reuters)
2009 erhielten alle anderen Erben ihrer Eltern eine gerichtliche Feststellung, dass sie die Eigentümer der restlichen Anteile des Grundstücks und der darauf gebauten Häuser sind. Als Ergebnis ihres Antrags prüften städtische Beamten das Haus im Jahr 2011 und stellten fest, dass es illegal errichtet worden war.
Die Nationale Bauaufsichtsbehörde eröffnete anschließend ein Verfahren für den Abriss des Hauses. Sowohl das Verwaltungsgericht als auch das Oberste Verwaltungsgericht wiesen die Einsprüche Ivanovas zurück.
Keines der Gerichte berücksichtigte die Gesundheit der Bewohner und die Tatsache, dass das Haus ihre einzige Wohnstätte war.
Weil Ivanova sich weigerte dem Abrissbefehl nachzukommen, beauftragten die Behörden ein privates Unternehmen, den Abriss durchzuführen. Das Gericht betonte, dass das Gleichgewicht zwischen den Rechten derer, die ihre Häuser in Folge einer Abrissanordnung verlieren und dem öffentlichen Interesse an einer wirksamen Umsetzung der Bauvorschriften nur durch eine grundsätzliche Regel, die keine Ausnahmen erlaubt, gewahrt bleiben kann; Normalerweise kann dies jedoch nur von Fall zu Fall geprüft werden.
Ähnliche Entscheidungen
Dies ist nicht der erste derartige Entscheidung gegen Bulgarien. Im Jahr 2012, im Fall von entschied der EGMR, dass Bulgarien seine nationale Gesetzgebung anpassen muss, weil diese unterschiedslos Zwangsräumungen erlaubt, die bedürftige Menschen in die Obdachlosigkeit treiben können.
Eine bulgarische Roma-Frau hält ein Kind auf dem Arm, während im Jahr 2012 ein Bagger ein Haus in einem Roma-Dorf in Bulgarien abreißt. (Bild: Stoyan Nenov, Reuters)