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Polens Verfassungsgericht erklärt Änderungen an der Verfassung des Verfassungsgerichts für verfassungswidrig

Das Gericht erklärte das vom Parlament im Dezember verabschiedete Gesetz über das Verfassungsgericht insgesamt für verfassungswidrig

by Polish Helsinki Foundation for Human Rights
(Image: REUTERS/Kacper Pempel/Files)

Der Verfassungsgerichtshof erörterte am 8. Und 9. März die Beschwerden im Hinblick auf das im Dezember 2015 verabschiedete Gesetz über das Verfassungstribunal, welche vom nationalen Ombudsmann, dem Präsidenten des Obersten Gerichtshofs, dem Nationalrat der Justiz Polens und zwei Gruppen von Abgeordneten eingereicht wurden.

Die umstrittene Reform zielt darauf ab, die Arbeit des Verfassungsgerichts zu lähmen, aber das Gericht hat nun die gesamte Gesetzesänderung für verfassungswidrig erklärt.

Obwohl die Urteile des Verfassungsgerichts endgültig und bindend sind, haben die Vertreter der Regierung bereits erklärt, dass das sie nicht vorhaben das Urteil im Gesetzblatt zu veröffentlichen.

"Die Verfassungskrise in Polen wird nach dem Urteil des Verfassungsgerichts vom 9. März und den Erklärungen von Vertretern der Regierung weiter eskalieren", sagt die Präsidentin der HFHR, Danuta Przywara.

Ernennung von Richtern

Die Verfassungskrise, die vor einigen Monaten in Polen begann, hat zwei Aspekte. Zum einen geht es um den Prozess der Ernennung der Richter des Verfassungsgerichts.

Das Verfassungsgericht besteht aus 15 Richtern, die für eine Amtszeit von neun Jahren ernannt werden. Im Juni 2015 verabschiedete das frühere Parlament ein Gesetz, welches den Sejm (das Unterhaus des polnischen Parlaments) berechtigt, fünf Richter des Verfassungsgerichts zu ernennen. Im November 2015 liefen die Amtszeiten von drei Richtern und im Dezember 2015 die Amtszeiten von zwei weiteren Richtern aus.

Die Änderungen am Gesetz über das Verfassungsgericht traten im August 2015 in Kraft und im Oktober 2015, während einer der letzten Sitzungen des Parlaments, ernannte die ehemalige Regierungsmehrheit in einer einzigen Sitzung fünf neue Richter.

Nach den Parlamentswahlen im Oktober 2015 erklärte der neue Präsident Andrzej Duda, dass er die fünf Richter nicht ins Amt schwören würden, da er ernsthafte Zweifel in Bezug auf das Verfahren ihrer Ernennung habe.

Eine der ersten Amtshandlungen der neuen Regierungsmehrheit, war die Ernennung fünf neuer Richter. Das Parlament fasste Beschlüsse nach denen es die Ernennung der vorangegangenen fünf Richter widerrufen konnte, wozu es allerdings erst die Verfahrensregeln des Sejm ändern musste, daraufhin ernannte es im Dezember 2015 fünf neue Richter. Der jetzige Präsident schwor diese dann sofort, noch in der gleichen Nacht, ins Amt.

Die Regierung hat die Regeln des Unterhauses des Parlaments, des Sejm, geändert, um fünf neue Richter ernennen zu können.  (Image: Kancelaria Premiera)

Angesichts dieses Urteils erklärte der Präsident des Verfassungsgerichts Anfang Januar 2016, dass zwei der im Dezember 2015 von der neuen Regierungsmehrheit ernannten Richter bereits Fälle zugeordnet wurden. Im Augenblick besteht das Verfassungsgericht aus 12 aktiven Richtern.

Umstrittene Änderungen

Ein weiterer Aspekt der Verfassungskrise steht im Zusammenhang mit der Änderung des Gesetzes über das Verfassungstribunal. Ende Dezember 2015 hatte der Sejm die Änderung des Gesetzes über den Verfassungsgerichtshof in beschleunigtem Tempo und ohne Konsultation der Öffentlichkeit beschlossen.

Mit der Änderung wurden zahlreiche umstrittene Bestimmungen eingeführt. Nach dem neuen Gesetz soll das Verfassungsgericht Entscheidungen in den meisten Fällen bei voller Besetzung fällen, also mit allen 13 Richtern statt wie bisher mit 9.

Die Helsinki Foundation for Human Rights legte einen Amicus Curiae Brief in Bezug auf das Verfahren vor. Zusammengefasst, sagte die HFHR, dass solche übereilten Gesetzgebungsverfahren als eine Gefahr für die Stabilität der verfassungsgemäßen Ordnung und das Prinzip eines demokratischen Staates gewertet werden müssen."

Das Verfassungstribunal

Am 9. März traf das Gericht in einem Gremium von 12 Richtern seine Entscheidung. Es sagte, dass es unter dem neuen Gesetz seine Arbeit nicht durchführen könne und befand es in jeder Hinsicht für verfassungswidrig.

Das Gericht entschied, dass die Änderungen des Gesetzes und die Art und Weise, in der diese durch das Parlament gebracht wurden, gegen die Verfassung verstoßen.

Das Gesetzgebungsverfahren wurde so übereilt durchgezogen, dass es unmöglich war, den Gesetzentwurf effektiv zu bewerten und das trotz der weit verbreiteten Zweifel an seiner Verfassungskonformität, so das Gericht.

Ein weiterer verfassungswidriger Aspekt war, nach dem Urteil, die Tatsache, dass das Gesetz bereits am Tag seiner Veröffentlichung in Kraft trat.

Das Gericht ist der Ansicht, es könne unter dem neuen Gesetz seine Aufgaben nicht erfüllen und erklärte es für in jeder Hinsicht verfassungswidrig. (REUTERS/Kacper Pempel)

Das Gericht stellte ferner fest, dass die Anforderung, die meisten Fälle mit einer vollen Besetzung anzuhören, das Verfahren der Rechtsprechung unangemessen verlangsamt. Außerdem seien die neuen Regeln für die Zuweisung der Fälle an bestimmte Gruppen von Richtern keinen rationalen Kriterien zuzuordnen.

Auch die Bestimmung, die Fälle chronologisch, in der Reihenfolge in der sie vor Gericht gebracht wurden, anzuhören und dies unter Zeitdruck zu tun, wurde vom Gericht kritisiert:

"[Der Gesetzgeber muss] für die richterlichen Entscheidungen die bestmöglichen Bedingungen schaffen, anstatt den Prozess der Urteilsfindung zu stören, indem Termine gesetzt werden, an denen das Gericht einen Fall zu untersuchen hat."

Zu dem gleichen Ergebnis kam das Gericht in Bezug auf die Regelung, dass Verhandlungen nicht eher stattfinden können als frühestens drei bis sechs Monate nachdem alle betroffenen Parteien in Kenntnis gesetzt wurden.

Die Reaktionen

Die Vertreter der Regierung sagen öffentlich, das Urteil des Tribunals sei nur "eine Nachricht von Richtern", und nicht verbindlich. Premierministerin Beata Szydło behauptet, es sei in der Tat das Urteil, welches mit dem polnischen Recht nicht vereinbar ist.

Sie sagte sogar bereits vor der Anhörung, dass sie das Urteil nicht veröffentlichen werde. "Die Mitteilung, die einige der Richter morgen präsentieren werden, wird kein Urteil in Übereinstimmung mit dem Gesetz sein. Im Hinblick darauf, kann ich die Verfassung nicht verletzen, indem ich ein solches Dokument offiziell mache und veröffentliche."

In seiner Antwort auf die Entscheidung sagte der Außenminister, Witold Waszczykowski: "Der Präsident des Verfassungsgerichts scheint sich immer mehr zu verhalten wie ein Ayatollah aus dem Iran."

Der Ombudsmann, Adam Bodnar sagte nach der Anhörung des Gerichts: "Wenn das Urteil nicht veröffentlicht wird, werden wir in ein rechtliches Chaos gestürzt, eine Welt, in der bestimmte Standards der Rechtsstaatlichkeit nicht mehr gelten."

Außenminister Witold Waszczykowski sagte, der Vorsitzende des Verfassungstribunals benehme sich wie ein Ajatollah aus dem Iran. (Image: Polish Institute of International Affairs - Flickr/CC content)

Zwei Rechtssysteme

Die Helsinki Foundation for Human Rights wertet die aktuelle Verfassungskrise in Polen als eine Gefahr für die Rechtsstaatlichkeit. Der Sinn hinter dem Akt, das Urteil des Verfassungstribunals nicht anzuerkennen, besteht darin seine politische Position zu untergraben, was, wie die HFHR hervorhebt, zu einem ernsthaften Bruch im Rechtssystem führen würde.

Die Präsidentin der HFHR, Danuta Przywara, sagte: "Ich fürchte, dass es im schlimmsten Fall zwei Rechtssysteme geben wird, eines welches Urteile des Gerichtshofs nicht anerkennt, nämlich die Regierung und ihre gesamte Verwaltung - und dann das andere, also Teile des Justizsystems. "

Nach Auffassung der HFHR verstößt die derzeitige Krise ernsthaft gegen die Menschenrechte, und bedarf internationaler Aufmerksamkeit. "Doch die Lösung ist einfach - es genügt, die Urteile des Gerichtshofs umzusetzen", sagte Frau Przywara. "Aber es sieht nicht so aus, als werde das in absehbarer Zeit geschehen."
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