Am 13. Juni 2017 verabschiedete das ungarische Parlament das Gesetz über die Transparenz der aus dem Ausland unterstützten Organisationen. Das Gesetz ist Teil einer Reihe von Maßnahmen, mit denen im Jahr 2013 begonnen wurde, zivilgesellschaftliche Organisationen zu diskreditieren und zum Schweigen zu bringen und zwar insbesondere jene, die versuchen, die Regierung zur Verantwortung zu ziehen und sie dazu zu bewegen, ihren Verpflichtungen in Bezug auf Korruption, Umweltschutz, Grundrechte, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit nachzukommen. Zu den weiteren Maßnahmen zählen Maßnahmen sind unbegründete Vorwürfe von Mitgliedern der ungarischen Regierung, irreführende Berichterstattung regierungstreuer Medien, die Bedingungen der sogenannten "Let's Stop Brüssel" Konsultation sowie ungerechtfertigte Ermittlungen.
Die Regierung von Ungarn wurde, durch die Resolution des Europäischen Parlaments vom 17. Mai 2017 zur Lage in Ungarn unmissverständlich aufgefordert, den Gesetzentwurf T/14967 zurückzuziehen. Der erste Vizepräsident der EU-Kommission, Frans Timmermans äußerte sich besorgt darüber, dass der Gesetzentwurf mit dem EU-Recht unvereinbar ist, einschließlich der Vorschriften über den freien Kapitalverkehr. Die EU Grundrechte-Agentur und der EU-Kommissar für Menschenrechte äußerten sich gleichfalls besorgt über die Vereinbarkeit des Gesetzentwurfs mit den europäischen Grundrechtsnormen. Die Resolution 2162 (2017) der Parlamentarischen Versammlung des Europarates forderte die ungarische Regierung auf, die nationale parlamentarische Debatte über den Gesetzentwurf bis zur Stellungnahme der Venedig-Kommission auszusetzen.
Es wurden zwar kosmetische Änderungen an dem Gesetz vorgenommen, bevor es angenommen wurde, aber in seiner endgültigen Form steht es weiterhin im Widerspruch zu verschiedenen Regeln des EU-Rechts, einschließlich der Richtlinie 2015/849 über Geldwäschebekämpfung und Terrorismusfinanzierung, Artikel 63 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union und der Richtlinie 88/361 über die Freizügigkeit des Kapitals sowie zu verschiedenen Bestimmungen der EU-Charta der Grundrechte. In das verabschiedete Gesetz wurden die in der vor der Verabschiedung des Gesetzes veröffentlichten, vorläufigen Stellungnahme der Venedig-Kommission enthaltenen, Empfehlungen nicht integriert. Nach der Annahme des Gesetzes stellte die endgültige Stellungnahme der Venedig-Kommission fest, dass das "Gesetz" eine unverhältnismäßige und unnötige Einmischung in die Freiheit von Vereinigung und Meinungsäußerung, das Recht auf Privatsphäre und das Verbot der Diskriminierung verursachen wird".
Die Hungarian Civil Liberties Union, das Hungarian Helsinki Committee und Liberties bekräftigen, dass dieses Gesetz unnötig ist und aufgehoben werden muss. Bestehende Gesetze garantierten bereits die finanzielle Transparenz der zivilgesellschaftlichen Organisationen.
Organisationen der Zivilgesellschaft bilden einen wesentlichen Bestandteil der nationalen Infrastruktur, die zum Schutz und zur Förderung der Rechtsstaatlichkeit, der Grundrechte und der Demokratie erforderlich ist, wie es die Institutionen der EU wiederholt angeben. Die Umsetzung der Grundwerte der EU beruht auf dem Vorhandensein adäquater renommierter Organisationen der Zivilgesellschaft, die ihre Tätigkeit ohne unzulässige Eingriffe ausüben können. In Anerkennung dieser Tatsache bietet die EU technische, finanzielle und politische Unterstützung für die Zivilgesellschaft, um in Drittländern, auch während des Beitritts zur EU, zu gedeihen.
Wir fordern Frans Timmermans, den ersten Vizepräsidenten der Europäischen Kommission auf, eine unterstützende Stellungnahme für in Ungarn an der Förderung der Grundwerte der EU arbeitende unabhängige zivilgesellschaftliche Organisationen zu veröffentlichen. Wir fordern den ersten Vizepräsidenten auch auf, eine Stelle in der Europäischen Kommission zu schaffen, die direkt an ihn berichtet, an die sich zivilgesellschaftliche Organisationen wenden können, um über Belästigungen und unangemessene Beschränkungen ihrer Arbeit zu berichten.
Wir fordern die Europäische Kommission auf, so rasch wie möglich ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die ungarische Regierung in Bezug auf das Gesetz einzuleiten. Die Europäische Kommission sollte jedoch anerkennen, dass Vertragsverletzungsverfahren ein unzureichendes Instrument sind, um eine konzertierte und umfassende Strategie zu bekämpfen, die darauf abzielt, eine Infrastruktur zu demontieren, die demokratische Standards, den Schutz der Grundrechte und die Rechtsstaatlichkeit verteidigen sollte. Auch wenn die Vertragsverletzungsverfahren zu einem positiven Urteil des Gerichtshofs führen, kann die Entscheidung so umgesetzt werden, dass sie keine praktischen Auswirkungen hat, wie dies in der Rechtssache Case C-286/12 Commission v Hungary dargelegt ist.
Dementsprechend fordern wir die Europäische Kommission auf, ihren Rechtsrahmen für die Rechtsstaatlichkeit gegenüber Ungarn zu aktivieren. Nach sieben Jahren Maßnahmen, die darauf abzielen, das Gleichgewicht der Befugnisse zu erodieren und die Macht an die Exekutive zu übergeben, ist die für die Wahrung der Rechtsstaatlichkeit in Ungarn zuständige Infrastruktur nicht mehr in der Lage, die Grundrechte zu schützen oder die Beibehaltung demokratischer Standards zu garantieren. Durch die Aktivierung des Rechtsrahmens wird die Kommission in der Lage sein, der ungarischen Regierung auf der Grundlage eines formalen Dialogs umfassendere Empfehlungen vorzulegen, wie man den Staat wieder an die Grundwerte der EU anpassen kann. Dies kann als maßgeblicher Ausgangspunkt für eine weitere Diskussion über die Situation der Mitgliedstaaten im Rat dienen.Wir fordern das Europäische Parlament auf, seine Entschließung vom 17. Mai 2017 zur Lage in Ungarn zu befolgen, um Artikel 7 Absatz 1 so rasch wie möglich auszulösen.
Wir fordern auch die Europäische Kommission, das Europäische Parlament und den Rat auf, Maßnahmen zu ergreifen, um Organisationen der Zivilgesellschaft zu unterstützen, die die Umsetzung des EU-Rechts und die Grundwerte der EU fördern. Während das Beispiel Ungarns möglicherweise das eindrücklichste ist, sehen sich auch in anderen Mitgliedstaaten die zivilgesellschaftlichen Organisationen mit Einschränkungen ihrer Aktivitäten, finanziellen Kürzungen und Angriffen auf ihre Reputation konfrontiert. Die Union sollte daher Maßnahmen zur Unterstützung zivilgesellschaftlicher Organisationen ergreifen. Solche Maßnahmen sollten die Schaffung eines Fonds zur Unterstützung EU-interner zivilgesellschaftlicher Organisationen, die die Grundwerte der EU fördern beinhalten. Ein solcher Fonds sollte operative Zuschüsse zur Verfügung stellen,sowie Rechtsstreitigkeiten und Watchdog-Aktivitäten und den Kapazitätsaufbau unterstützen.