Die vorgeschlagene Änderung des polnischen Gerichtsgesetzes senkt das Rentenalter der Richter und ermächtigt den Justizminister, den Vorsitzenden eines Gerichts zu entlassen und seinen Ersatz zu ernennen.
Gemeinsam mit den zuvor umgesetzten Änderungen im Bereich der Justiz, würde der neue Änderungsantrag die Gerichte in gefährliche Nähe zum Einfluss der Exekutive stellen.
Die neue Machtfülle des Ministers
Der Änderungsentwurf wurde als eine Reform der ordentlichen Gerichte verkauft, die neben organisatorischen Veränderungen wie der Ernennung von Beamten für internationale Zusammenarbeit und Menschenrechte kaum auffällt. Der wahre Zweck des Änderungsantrags besteht jedoch darin, dem Justizminister die Möglichkeit zu geben, die Zusammensetzung der Gerichte zu kontrollieren.
Der Änderungsantrag würde es dem Justizminister ermöglichen, die Vorsitzenden der Gerichte des Landes zu ernennen, ohne vorher die Justizvertreter der betroffenen Gerichte zu konsultieren.
Die Befugnisse des polnischen Justizministers Zbigniew Ziobro wären nach den vorgeschlagenen Änderungsantrag stark erweitert.
Diese Situation würde eine Entscheidung des polnischen Verfassungsgerichts verletzen, welches geurteilt hatte, dass der Justizminister bei der Ersetzung von Gerichtsvorsitzenden einen vollständigen Beratungsprozess durchführen muss.
Vereinfachtes Verfahren
Zusätzlich zu der oben erwähnten neuen Machtfülle wird der Justizminister auch die Befugnis erhalten, die Vorsitzenden der Gerichte zu entlassen, indem er einfach eine neue Rechtsgrundlage für die Kündigung geltend macht, die Feststellung einer "besonders unwirksamen Durchführung der Verwaltungsaufsicht eines Vorsitzenden oder eine ineffektive organisatorische Funktion des Gerichtes welchem sie vorsitzen, oder in den Gerichten, die ihnen untergeordnet sind".
Darüber hinaus ist eine gerichtliche Entscheidung des Nationalen Rates der Justiz über die Entlassung eines Richters für den Justizminister nur dann verbindlich, wenn eine qualifizierte Mehrheit von zwei Dritteln der stimmberechtigten Mitglieder die Entscheidung unterstützt.
Das Verfassungsgericht hat bereits Urteile gefällt, die nahelegen, dass Teile des neuen Änderungsantrags nicht rechtmäßig sein können.
Es ist klar, dass die Annahme des Änderungsantrags dem Justizminister umfangreiche neue Befugnisse geben wird. Er wird in der Lage sein, alle Vorsitzenden und stellvertretenden Vorsitzenden ordentlicher Gerichte ohne Grund zu entlassen und zwar ohne vorher um eine Stellungnahme des Nationalen Rates zu bitten.
Frührente
Der vorgeschlagene Änderungsantrag setzt auch das Rentenalter der Richter herab und führt unterschiedliche Ruhestandsschwellen für Frauen und Männer ein (60 bzw. 65 Jahre). Ein Richter kann jenseits dieser Altersgrenzen dienen, aber nur mit Zustimmung des Justizministers.
Nach dem gegenwärtigen Gesetz kann ein Richter im Amt bleiben, wenn er seinen Wunsch, dies zu tun, begleitet von ärztlichen Bescheinigungen, die seine körperliche Eignung belegen, dem Justizminister vorlegt.
Die neu vorgeschlagene Änderung stellt eine eindeutige Verletzung eines Urteils des Verfassungsgerichts von 1998 dar, in dem festgelegt wird, dass "es eindeutig inakzeptabel wäre, wenn ein politisches Gremium (z.B. das Justizministerium) außerhalb der Organisationsstruktur der Justiz ermächtigt würde, die Verlängerung juristischer Arbeitsverhältnisse zu genehmigen, wie es im kommunistischen Polen der Fall war".
Nachgeordnete Justiz
Die erörterte Änderung des Gerichtsgesetzes ist eine weitere von vielen Änderung am Gerichtssystem, die in den letzten Monaten umgesetzt wurden. Bisher haben die "Reformen" enthalten:
- Vollständige Unterordnung der Gerichtsvorsitzenden unter den Justizminister: Die Führungskräfte werden nach Gutdünken des Ministers ernannt und entlassen, ohne dass eine öffentliche Konsultation stattfindet;
- Assoziierte Richter werden vom Justizminister ernannt, vorbehaltlich einer Herausforderung durch den Nationalrat der Justiz, die innerhalb eines Monats nach einer Ernennung eingereicht werden muss;
- Nach einem Legislativvorschlag, dessen zweite Lesung während der nächsten parlamentarischen Sitzung stattfinden soll, wirdder Sejm die Richter delegieren, die im polnischen Nationalen Rat der Justiz sitzen, der aus zwei Versammlungen bestehen wird, von denen eine hauptsächlich Politiker umfasst und die andere Richter.