Was ist institutioneller Rassismus?
Mit institutionellen Rassismus werden Formen von Diskriminierung, Ausgrenzung und Abwertung bezeichnet, die von staatlichen Institutionen, wie Behörden und Ämtern, aber etwa auch von der Polizei und Schulen ausgehen. Wichtig ist hier anzumerken, dass es nicht um die Handlungen einzelner geht, also dass sich zum Beispiel eine Mitarbeiterin des örtlichen Bürgerbüros rassistisch äußert. Vielmehr bezeichnet institutioneller Rassismus die Art und Weise, wie Regeln und Vorschriften ausgelegt werden, aber auch welche Normen und Praktiken sich innerhalb einer Institution etabliert haben. Diese Strukturen werden häufig unbeabsichtigt reproduziert, einfach weil sie so normalisiert sind.
Institutioneller Rassismus kann vorliegen, wenn Regeln so angewendet werden, dass Bevölkerungsgruppen gezielt anders behandelt werden. Aber auch, wenn alle gleich behandelt werden, obwohl diese Regeln für manche Menschen diskriminierende Auswirkungen haben. Ein Beispiel hierfür ist, dass in Grundschulen häufig davon ausgegangen wird, dass bereits alle Kinder fließend deutsch sprechen und es ihnen deshalb nicht mehr beigebracht werden muss. Aus unterschiedlichen Gründen, etwa weil das Kind aus einem Kriegsgebiet geflohen ist, ist dies aber nicht immer der Fall. Das Kind ist also von Anfang an benachteiligt.
Beispiele für institutionellen Rassismus
Institutioneller Rassismus kann unterschiedliche Formen annehmen. Ein extremes Beispiel waren die sogenannten “Jim Crow” Gesetze in den Vereinigten Staaten von Amerika oder das Apartheidsregime in Südafrika. In beiden Fällen gab es Gesetze, die eine Trennung von weißen und schwarzen Menschen in jeglichen Bereichen des täglichen Lebens vorsahen. In den USA gab es zum Beispiel getrennte Schulen für weiße und schwarze Kinder. Es gab außerdem Nachbarschaften, in denen Schwarze, Latinos, Asiaten und manchmal auch Juden nicht leben durften.
Heute gibt es solche Gesetze zwar nicht mehr, doch häufig prägen rassistische Vorurteile die Arbeit von Behörden auf andere Art und Weise. In der Öffentlichkeit ist vermutlich der Begriff des “Racial Profiling” als Beispiel für institutionellen Rassismus am bekanntesten. Racial Profiling bezeichnet die Praktik, wenn polizeiliche Maßnahmen oder Maßnahmen von Sicherheits- oder Einwanderungsbehörden nicht auf einem konkreten Verdacht beruhen, sondern auf äußerlichen Merkmalen (wie der Hautfarbe) oder vermutetet Religionszugehörigkeit. Personen sind also nicht deshalb verdächtig, weil sie gesehen wurden, wie sie etwas stehlen, sondern werden wegen ihres Aussehens für verdächtig gehalten. Dadurch kann es auch zu sich selbst erfüllenden Prophezeiungen kommen, denn wenn eine bestimmte Bevölkerungsgruppe häufiger kontrolliert wird, wird man bei ihr auch mehr Vergehen feststellen. Diese fließen dann wiederum in die allgemeine Strafstatistik ein, die die Grundlage für das Verhalten bei zukünftigen Kontrollen darstellt.
Und auch im Umgang mit Geflüchteten kann sich institutioneller Rassismus zeigen, da es für sie Sonderbestimmungen gibt. Ein Beispiel ist die sogenannte Residenzpflicht, nach der sich Asylbewerber und Asylbewerberinnen nur in einem ihnen zugewiesenen Gebiet innerhalb der Bundesrepublik Deutschland bewegen dürfen, zumeist der Bezirk in dem die für sie zuständige Ausländerbehörde sitzt. Diese Regel gilt nur für Asylbewerber und Geduldete, aber für keine anderen Menschen in Deutschland.
Was ist der Unterschied zwischen institutionellem und strukturellem Rassismus?
Allgemein wird zwischen individuellem Rassismus, also Rassismus von einer einzelnen Person, und systematischem Rassismus unterschieden. Institutioneller und struktureller Rassismus sind beide Unterkategorien von letzterem. Zwar werden die Begriffe häufig synonym verwendet, es gibt aber auch Unterschiede.
Während institutioneller Rassismus von staatlichen Organen ausgeht, lässt sich struktureller Rassismus nicht auf einzelne Institutionen zurückführen. Vielmehr bezeichnet er Verhältnisse, die sich tief in Strukturen, Diskurse und Bildern der gesamten Gesellschaft verankert haben. Er führt etwa auch dazu, dass bestimmte Bevölkerungsgruppen in wichtigen Positionen in Politik, Verwaltung oder der Wirtschaft nicht angemessen vertreten sind. So haben im aktuellen Deutschen Bundestag 11,3% der Abgeordneten einen Migrationshintergrund, in der deutschen Bevölkerung liegt der Anteil jedoch bei 26%. Sie sind damit unterrepräsentiert.
Was müssen wir über institutionellen Rassismus in Deutschland wissen?
In Deutschland ist Rassismus als ein ganzgesellschaftliches Problem noch immer ein Tabu. Das hat auch damit zu tun, dass Rassismus oft mit Rechtsextremismus gleichgesetzt wird. Dabei wird ignoriert, dass nicht nur Menschen mit sehr radikalen politischen Ansichten rassistisch sein können. Hinzu kommt, dass Rassismus vor allem als Fehlverhalten von Einzelpersonen angesehen wird. Das macht es sehr schwierig zu untersuchen, ob und in welcher Form es institutionellen Rassismus gibt. Zum Teil auch deshalb, weil sich eben diese Institutionen gegen Forschung stellen. In 2020 lehnte zum Beispiel der damalige Bundesinnenminister Horst Seehofer eine Studie zum Thema “Racial Profiling” in der Polizei ab, obwohl diese von der Europäischen Kommission gegen Rassismus und Intoleranz empfohlen wurde. Die Begründung, dass Racial Profiling in der polizeilichen Praxis verboten sei und deswegen nicht untersucht werden müsse war mehr als fragwürdig.
Doch gerade der deutschen Polizei wird von internationalen Organisationen, wie Amnesty International oder auch Expertengruppen der Vereinten Nationen, ein Problem mit institutionellem Rassismus unterstellt. Deshalb wären solche Studien umso wichtiger, da durch solche Eigenreflexion auch Vertrauen in der Bevölkerung hergestellt werden kann.
Welche Auswirkungen hat institutioneller Rassismus?
Institutioneller Rassismus führt dazu, dass nicht allen Menschen die gleichen Chancen und Ressourcen zustehen. Wenn etwa Kinder mit Migrationshintergrund in der Schule trotz gleicher Leistung schlechtere Noten bekommen, so kann sich dies auf ihren weiteren Lebensweg auswirken. Arbeitsagenturen entscheiden darüber, welche Weiterbildungen Personen genehmigt bekommen. Wenn aber innerhalb der Strukturen die Praktik vorherrscht, dass Förderung für geflüchtete muslimische Frauen eher nicht genehmigt wird, weil das Vorurteil herrscht, sie würden eh nicht arbeiten dürfen, so stellt dies einen großen Nachteil für diese Frauen dar.
Praktiken wie Racial Profiling nehmen den Betroffenen außerdem viel Zeit und Energie und produzieren psychischen wie auch physischen Stress. Insgesamt können sich Rassismuserfahrungen langfristig auf die geistige Gesundheit auswirken.
Was kann man gegen institutionellen Rassismus tun?
Der wichtigste Schritt in der Bekämpfung von institutionellem Rassismus ist, dass er als Problem anerkannt wird. Die Veränderung des Verhaltens von Einzelnen allein kann nicht genug sein, vielmehr müssen sich Strukturen innerhalb von Institutionen verändern. Dabei kann auch weitere Forschung helfen.
Innerhalb von Institutionen können Workshops dabei helfen, eigene rassistische Annahmen zu reflektieren und gesellschaftliche Machtverhältnisse zu thematisieren. Behörden müssen außerdem besser auf den Umgang mit Menschen vorbereitet sein, die kein oder nur wenig Deutsch sprechen. In einem Bericht des Instituts Arbeit und Qualifikation der Universität Duisburg-Essen zeigt sich, dass wenn nicht-deutschsprachige Menschen Hilfe bei der Polizei suchen und gerade keine Kollegin oder kein Kollege mit den entsprechenden Sprachkompetenzen in der Nähe ist, die Hilfesuchenden häufig selber einen Dolmetscher mitbringen.
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