Seit Mai 2018 müssen Airlines in allen Mitgliedsstaaten der EU Fluggastdaten an staatliche Stellen weiterleiten. Die Datensätze, sogenannte Passenger Name Records (PNR), enthalten eine Vielzahl an Informationen, vom Geburtsdatum bis hin zu Essgewohnheiten. Sie werden zentral gespeichert und mit „Mustern“ verglichen, die das Verhalten bekannter Straftäter*innen beschreiben. Mit Blick auf den vielgenutzten europäischen Flugverkehr kommt die Fluggastdatenspeicherung einer anlasslosen Massenüberwachung gleich. Die NoPNR-Kampagne will mithilfe strategischer Klagen dagegen vorgehen.
Verdachtsunabhängige Massenüberwachung
Der automatisierte Abgleich der Muster findet bei jedem europäischen Fluggast statt. Aus der Masse der bislang unbescholtenen Fluggäste sollen auf diesem Weg neue Verdächtige gewonnen werden. Das führt dazu, dass jede*r von falschen Ergebnissen intransparenter automatischer Auswertungsprogramme betroffen sein und Opfer stigmatisierender polizeilicher Maßnahmen werden kann.
Zuständig für die Fluggastdatenspeicherung sind meist die Polizeibehörden – in Deutschland und Österreich jeweils das Bundeskriminalamt. Doch nicht nur sie haben auf die Daten Zugriff. Auch andere Polizeibehörden, Geheimdienste und der Verfassungsschutz können manuell auf die Datenbanken zugreifen. Außerdem können die Daten mit anderen EU-Ländern und in bestimmten Fällen auch mit Drittstaaten ausgetauscht werden.
Die Daten werden sechs Monate mit Klarnamen und anschließend weitere viereinhalb Jahre in pseudonymisierter Form gespeichert. Die Pseudonymisierung kann unter bestimmten Voraussetzungen aufgehoben werden. Erst nach fünf Jahren werden die Daten, wenn keine polizeilichen Anschlussmaßnahmen vorgenommen werden, endgültig gelöscht.
Fluggastdatenspeicherung verletzt europäische Grundrechte
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hatte bereits 2017 eine ähnliche Form der Fluggastdatenspeicherung, wie sie in einem Abkommen zwischen der EU und Kanada vorgesehen war, für grundrechtswidrig befunden. Auch die Fluggastdatenrichtlinie verletzt die in der Charta der Grundrechte der EU garantierten Rechte auf Achtung des Privat- und Familienlebens (Art. 7) sowie auf den Schutz persönlicher Daten (Art. 8)
Der direkte Weg zum EuGH steht hier allerdings nicht offen. Die GFF und epicenter.works gehen daher zunächst vor deutschen und österreichischen Gerichten, sowohl auf dem Zivil- als auch Verwaltungsrechtsweg, gegen die nationale Umsetzung der Richtlinie vor. Sie rechnen damit, dass die nationalen Gerichte diese Fälle dem EuGH vorlegen werden. So kann die Richtlinie durch den EuGH und die Fluggastdatenspeicherung europaweit gestoppt werden.