Die Migrationspolitik der ungarischen Regierung wird weiter geprüft, nachdem die Europäische Kommission am Donnerstag bekannt gegeben hat, dass sie Ungarn vor dem Gerichtshof der Europäischen Union (CJEU) verklagt, weil das Asyl- und Rückkehrrechts des Landes gegen geltendes EU-Recht verstößt.
Unabhängig davon übermittelte die Kommission der Budapester Regierung als erste Phase eines Vertragsverletzungsverfahrens ein Aufforderungsschreiben betreffend des so genannten Stop-Soros-Gesetzes. Dabei handelt es sich um ein neues ungarisches Gesetz zur Kriminalisierung aller Aktivitäten, die Asyl- und Aufenthaltsanträge unterstützen, wodurch das Recht auf Asyl weiter eingeschränkt wird. Ein Aufforderungsschreiben ist der erste Schritt des förmlichen Vertragsverletzungsverfahrens wegen eines Verstoßes gegen das EU-Recht. Die ungarischen Behörden haben zwei Monate Zeit, um darauf zu reagieren.
Anfang Juni, vor der Abstimmung des ungarischen Parlaments über das Stop-Soros-Gesetz, forderte die Venedig-Kommission des Europarates die ungarische Regierung auf, keine Gesetze zu verabschieden, ohne zuvor die vorläufigen Empfehlungen des Gremiums zu berücksichtigen. Die ungarische Regierung lehnte es jedoch ab, auf die endgültige Empfehlung der Venedig-Kommission zu warten und verabschiedete das Gesetz bereits einige Tage später. Die Analyse ergab, dass die von ihnen untersuchten Bestimmungen gegen das Recht auf Vereinigungsfreiheit und freie Meinungsäußerung verstoßen und aufgehoben werden sollten.
Langfristige Meinungsverschiedenheiten
Das ungarische Asylrecht wird seit Dezember 2015, als Brüssel ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet hat, von der Kommission geprüft. Nach mehreren Hin- und Rückrunden zwischen der Juncker-Kommission und der Regierung von Viktor Orbán hat die Kommission im Dezember 2017 eine 'mit Gründen versehene Stellungnahme' abgegeben.
Auf Grundlage der Antworten der ungarischen Regierung kam die Kommission zu dem Schluss, dass die meisten der vorgebrachten Bedenken noch nicht ausgeräumt wurden, und hat daher beschlossen, Ungarn vor dem Gerichtshof der Europäischen Union zu verklagen, womit sie die letzte Stufe des Vertragsverletzungsverfahrens einleitet.
Was die EU am ungarischen Asylrecht besonders beunruhigt:
- Die ungarische Gesetzgebung ist mit dem EU-Recht unvereinbar.
- Es entspricht nicht dem EU-Asylverfahren, dass Asylanträge nur innerhalb von Transitzonen gestellt werden dürfen, in denen der Zugang nur einer begrenzten Anzahl von Personen und nach extrem langen Wartezeiten gewährt wird.
- Die Vorschriften in Ungarn respektieren die gesetzliche Höchstgrenze von 4 Wochen nicht, während derer jemand in einem Transitzentrum festgehalten werden kann.
- Ungarn bietet keinen effektiven Zugang zu Asylverfahren und begleitet Menschen regelmäßig über die Grenze zurück, auch wenn sie in Ungarn Asyl beantragen wollen.
- Die Richtlinie über Aufnahmebedingungender EU wird ignoriert: In Ungarn werden Asylbewerber häufig auf unbestimmte Zeit in Transitzonen festgehalten.
- Die EU-Rückführungsrichtlinie wird verletzt: Ungarn stellt nicht sicher, dass Rückführungsentscheidungen individuell getroffen werden.
Was das Stop-Soros-Gesetz betrifft:
- Die Kommission ist besorgt, weil die Maßnahmen des Gesetzes die individuellen Freiheiten einschränken, indem sie jeden, der nach diesen Gesetzen einem Strafverfahren unterliegt, daran hindern, sich den Transitzonen, in denen an den ungarischen Grenzen Asylbewerber festgehalten werden, zu nähern.
- Kriminalisierung von Aktivitäten zur Unterstützung von Asyl- und Aufenthaltsanträgen: Die Sanktionen des Gesetzes reichen von vorübergehender Haft bis zu 1 Jahr Gefängnis.
- Dieses Gesetz schränkt auch die Ausübung der Freizügigkeitsrechte von EU-Bürgern unangemessen ein.