Die Istanbul-Konvention, ein wegweisender internationaler Vertrag zum Schutz von Frauen vor Übergriffen und häuslicher Gewalt, wurde dem litauischen Parlament erstmals im Jahr 2018 zur Beratung vorgelegt. Sie wurde von den Abgeordneten abgelehnt. Litauen bleibt, neben Bulgarien, der Tschechischen Republik, Ungarn, der Slowakei und Lettland, einer von sechs EU-Mitgliedstaaten, die die Konvention nicht ratifiziert haben.
In diesem Jahr wurde die Frage der Ratifizierung der Istanbul-Konvention jedoch von der im letzten Jahr gewählten Seimas-Sprecherin Viktorija Čmilytė-Nielsen erneut auf die politische Bühne gebracht.
Heftige Debatte und Mythen über Geschlechtsidentität
Infolgedessen erhielt das Dokument mehr öffentliche Aufmerksamkeit denn je und wurde zum Brennpunkt einer heftigen politischen Debatte. Der öffentliche Raum wurde mit realitätsfernen Mythen überflutet, wobei sich die in der Konvention enthaltenen Konzepte der Geschlechtsidentität und des "sozialen Geschlechts" als besonders umstritten erwiesen.
Die Gegner der Konvention behaupten unter anderem, der litauische Rechtsrahmen verfüge bereits über ausreichende Instrumente zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt, wehalb von dem Dokument in dieser Hinsicht keine nennenswerten Auswirkungen zu erwarten seien.
Vertrag hilft im Kampf gegen sexuelle Gewalt
Experten betonen jedoch, dass die Konvention den Gesetzgeber dazu zwingen würde, die notwendigen Schritte zu unternehmen, um Stalking zu kriminalisieren, Schutzanordnungen in das litauische Rechtssystem zu übertragen, zu einer engeren Zusammenarbeit zwischen den Institutionen beizutragen, ein umfassendes System zur Unterstützung von Opfern häuslicher Gewalt zu schaffen und einen größeren Fokus auf die Bekämpfung sexueller Gewalt zu ermöglichen.
Letztlich wurde aufgrund des Widerstands in der Öffentlichkeit beschlossen, die Frage der Ratifizierung der Konvention von der Frühjahrssitzung des Parlaments auszuschließen. Präsidentin Gitanas Nausėda begrüßte die Entscheidung der Regierungskoalition mti der Begründung, das Konzept des sozialen Geschlechts könne Auswirkungen auf das nationale Bildungssystem und die Meinungsfreiheit haben, weshalb die Ratifizierung der Konvention eine tiefere Diskussion verdiene.