Zahlreiche systemische Bedrohungen haben die Medienfreiheit im Jahr 2021 in ganz Europa geschwächt, so ein Bericht der Civil Liberties Union for Europe mit Daten aus 15 EU-Ländern. Die Menschenrechtsorganisation fordert ein starkes Medienfreiheitsgesetz, um den Trend umzukehren.
Der Media Freedom Report 2022 untersucht Medienfreiheit und Medienpluralismus, Sicherheit und Schutz von Journalistinnen und Journalisten, Meinungsfreiheit und Zugang zu Informationen sowie die Durchsetzung von Mediengesetzen in ganz Europa. Laut Liberties, einer in Berlin ansässigen Dachorganisation für Menschenrechte, ist politischer Druck ein Schlüsselfaktor für den Abwärtstrend. Dies gilt vor allem für Länder, in denen die Regierungen die Medienfreiheit als Teil einer umfassenderen Strategie zum Abbau von Rechtsstaatlichkeit und Demokratie bedrohen, um die öffentlichen und politischen Diskurse zu besetzen und die weit verbreitete Korruption zu vertuschen (Ungarn, Polen, Slowenien). Aber auch in vielen anderen Ländern gibt es Probleme, weil die Regierungen sich nicht intensiv genug bemühen oder seit langem bestehende Probleme herunterspielen.
Die Ergebnisse des Berichts 2022 werden von der Europäischen Kommission bei der Ausarbeitung des Vorschlags für ein europäisches Gesetz zur Medienfreiheit (Media Freedom Act - MFA) berücksichtigt, das im dritten Quartal 2022 vorgelegt werden soll.
"Freie Medien sind eine Säule der Demokratie, aber der russische Krieg gegen die Ukraine zeigt uns deutlich, wie staatlich kontrollierte Medien als Waffe eingesetzt werden, um Desinformationen im Ausland zu verbreiten und die Bürgerinnen und Bürger im Inland zu manipulieren, damit ein autokratisches Regime an der Macht bleibt. Die Ergebnisse des Medienfreiheitsberichts 2022 bestätigen eindeutig, dass die Medienfreiheit in Europa erodiert, und einige Regierungen folgen Putins Spielplan. In Ungarn zum Beispiel setzt die Regierung das Überwachungsprogramm Pegasus gegen investigative Journalisten ein und die öffentlich-rechtlichen Medien verbreiten Propaganda. In Polen berichteten Menschenrechtsorganisationen über Vorfälle von Polizeigewalt und eine wachsende Zahl von SLAPP-Klagen gegen Journalisten. Der Media Freedom Act könnte ein Lebensretter für die Demokratie in Europa sein. Mit ihm könnte die EU die Medienfreiheit stärken, den Medienpluralismus und die Transparenz verbessern und ein sichereres Umfeld für Journalistinnen und Journalisten schaffen", sagte Eva Simon, Senior Advocacy Officer bei der Civil Liberties Union for Europe.
Weitere wichtige Ergebnisse des Reports:
- Politischer und wirtschaftlicher Druck gehören nach wie vor zu den größten Bedrohungen für Medienfreiheit und Pluralismus in Ländern wie Bulgarien, Deutschland, Ungarn, Polen, Slowenien und Spanien. In vielen EU-Mitgliedstaaten, selbst in stabilen Ländern wie Deutschland, bedeutet die Pandemie eine große wirtschaftliche Herausforderung für kleine und lokale Medienverlage. In vielen Ländern sind die Medienbehörden nicht unabhängig von politischem Einfluss.
- Eine hohe Konzentration des Medieneigentums bleibt in Kroatien, Ungarn, Italien, Polen, Slowenien und den Niederlanden ein großes Problem. Die Transparenz des Medienbesitzes wäre entscheidend, um das Problem zu lösen. In den meisten Ländern, die in dem Bericht behandelt werden, sehen sich Journalist*innen mit einem zunehmend gefährlichen Umfeld konfrontiert.
- Menschenrechtsorganisationen in Belgien, Bulgarien, Deutschland, Frankreich, Italien, Kroatien, den Niederlanden, Polen, Slowenien, Spanien und Schweden berichten von besorgniserregenden Schikanen und Angriffen auf Journalist*innen, auch im Zusammenhang mit Demonstrationen gegen COVID-19-Maßnahmen.
- Die Häufigkeit und die Auswirkungen strategischer Klagen gegen die öffentliche Beteiligung (SLAPPs) auf Journalisten und Medien sind zunehmend besorgniserregend, wie aus Bulgarien, Kroatien, Frankreich, Italien, Ungarn, den Niederlanden, Polen und Slowenien berichtet wird. SLAPPs halten Medien davon ab, über Angelegenheiten von öffentlicher Bedeutung zu berichten.
- Von der Regierung gesteuerte Verleumdungs- und Hasskampagnen (Kroatien, Slowenien), illegale Überwachungspraktiken (Ungarn) und permanente Online-Schikanen zwingen immer mehr Journalisten dazu, mit Selbstzensur auf den Druck zu reagieren.
Auf der Grundlage der wichtigsten Ergebnisse des Berichts, in dem Daten aus Belgien, Bulgarien, Deutschland, Frankreich, Irland, Italien, Kroatien, den Niederlanden, Polen, Schweden, der Slowakei, Slowenien, Spanien, der Tschechischen Republik und Ungarn zusammengetragen wurden, fordert die Menschenrechtsorganisation die Europäische Kommission auf, die Medienfreiheit zu schützen, und zwar durch eine faire und transparente Verteilung der Gelder an die Medien. Außerdem muss sie die redaktionelle Unabhängigkeit von jeglicher Form der öffentlichen oder privaten Einmischung unterstützen und den Schutz journalistischer Quellen stärken. Die Empfehlungen von Liberties beinhalten auch einen Vorschlag für geeignete Durchsetzungsmechanismen, wie die Einrichtung eines Rates für Medienfreiheit und eine jährliche Überwachung des Status der Medienfreiheit.
Weitere Informationen zu diesem Thema:
Liberties Media Freedom Report 2022 Shows Worrisome Decline in Media Freedom Across Europe
How The EU Can Use A Can’t-Miss Opportunity To Protect Media Freedom
EU Must Act as Countries Copy Putin’s Playbook to Control Media