Bei unserem letzten Treffen aus der Reihe 'Democracy Drinks' hat Liberties die Gelegenheit genutzt, um ein Thema zu diskutieren, das uns schon länger stark beschäftigt: das von der Europäischen Union vorgeschlagene Gesetz über 'ausländische Agenten'.
Die EU hat kürzlich angekündigt, dass das Kernstück des Pakets " Defence of Democracy" eine Richtlinie sein wird, die Beschränkungen zur Bekämpfung ausländischer Einmischung einführt. Aufgrund der Geheimniskrämerei der Europäischen Kommission wurde die Zivilgesellschaft über den genauen Inhalt des Pakets im Unklaren gelassen. Ursprünglich wurde jedoch davon ausgegangen, dass diese neuen Regeln nur für NRO gelten, die von Gebern aus Drittländern finanziert werden.
Auf der Democracy Drinks-Veranstaltung konnte der Geschäftsführer von Liberties, Balázs Dénes, etwas Licht ins Dunkel bringen und gab nach seiner Tour durch Brüssel einige exklusive Einblicke.
Die Richtlinie zielt auf staatliche Gelder
Das umstrittene Paket soll aus drei Säulen bestehen und einen breiteren Geltungsbereich haben als ursprünglich angenommen. Die erste Säule ist die Richtlinie über ausländische Einmischung. Die Richtlinie zielt auf die Regulierung von Empfängern staatlicher Gelder aus Drittländern ab und umfasst nicht nur NRO, sondern auch Unternehmen, Hochschulen, Forschung, Journalistinnen und Journalisten sowie Privatpersonen. Das bedeutet, dass die Finanzierung durch private philanthropische Akteure nicht von der Gesetzgebung erfasst wird. Die zweite und dritte Säule enthalten Empfehlungen für die Mitgliedsstaaten zu Wahlen bzw. zur Stärkung der zivilgesellschaftlichen Beteiligung.
Wie viele unserer Kolleginnen und Kollegen hat sich auch Liberties gegen die vorgeschlagenen Regeln ausgesprochen und Balázs hat unsere Bedenken während der abendlichen Diskussion dargelegt. Zu Beginn des Gesprächs wurde der besorgniserregende Kontext anerkannt, in dem dieses Paket angekündigt wurde. Der Trend, dass der zivilgesellschaftliche Raum in der EU schrumpft, hat sich in den letzten zehn Jahren als legitime und anhaltende Sorge der NROs herausgestellt.
Während die Besorgnis über die Gefahren ausländischer Einmischung begründet ist, spiegeln die neuen Regeln die unbegründete Annahme wider, NGOs seien potenzielle trojanische Pferde für Regierungen mit bösartigen Absichten zur Destabilisierung der EU-Demokratien. Angesichts der Tatsache, dass die Kommission anerkennt, dass NRO ein wesentlicher Bestandteil der Bemühungen der EU um den Schutz der europäischen Demokratien sind, äußerten viele der Teilnehmer des Abends ihre Verwirrung und fragten sich, warum die EU solch hetzerische Maßnahmen vorschlägt, wo sie doch vor kurzem ein ähnliches Gesetz, das in Georgien nach breiten Protesten aufgegeben wurde, scharf kritisiert hat.
Die Wahlen zum Europäischen Parlament könnten das nächste große Ziel für ausländische Einmischung sein
Eine mögliche treibende Kraft hinter dem Paket " Defence of Democracy" ist der wachsende Einfluss staatlicher Akteure durch Big-Tech-Plattformen, insbesondere im Hinblick auf die Wahlergebnisse.
Laut Balázs versucht die EU möglicherweise, dieses Problem vor den Wahlen zum Europäischen Parlament im Jahr 2024 proaktiv anzugehen. Mitglieder des Publikums wiesen auch darauf hin, dass die Dringlichkeit der Ankündigung zum Teil ein politischer Trick sein könnte, ein fehlgeleiteter Versuch der Schadensbegrenzung nach dem "Qatargate"-Skandal. Dies würde zum Teil erklären, warum die Europäische Kommission zugab, dass keine Folgenabschätzung geplant war.
Am Ende des Abends drehte sich die Diskussion um alternative Lösungen, die der EU zur Verfügung stehen, um gegen ausländische Einmischung vorzugehen. Balázs wies darauf hin, dass die EU die Regeln für die politische Werbung verschärfen sollte, wenn sie sich Sorgen um die Wahlbeeinflussung macht. Die Kommission und einige Mitgliedsstaaten wollen jedoch eine Ausnahmeregelung einführen, die es politischen Akteuren erlauben würde, Nutzern auf der Grundlage ihrer sensiblen Daten maßgeschneiderte Werbung zu schicken.
Das Paket könnte mehr Schaden als Nutzen bringen
Obwohl die EU bereit zu sein scheint, mit den NROs zusammenzuarbeiten, gibt es Befürchtungen, dass die Kommission durch die Ausweitung des Kreises der von der Regulierung betroffenen Empfänger/innen die Büchse der Pandora öffnet. Die Zivilgesellschaft ist sich einig, dass das Paket zur Verteidigung der Demokratie mehr schaden als nützen wird, doch wie ein Gast betonte, fehlt es an einer einheitlichen Plattform von Organisationen, die sich für eine praktikable Alternative einsetzen. Da das gesamte Paket noch in diesem Sommer vorgestellt werden soll, bleibt abzuwarten, ob die EU die Bedenken der Zivilgesellschaft berücksichtigen wird.
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Weitere Ressourcen zu diesem Thema:
Policy Recommendations: Europe Needs Free NGOs
Messaging Guide for NGOs Pushing Back Against New Restrictions
Politico Op-ed: Defending Democracy Requires a Free Civil Society
Bisherige Democracy Drinks Abende:
Qatargate: Is Political Corruption Rife in the EU? | Democracy Drinks Berlin