Die HFHR kommt zu dem Schluss, dass eine solche Änderung sehr wahrscheinlich verfassungswidrig wäre, da sie die Gewissens- und Religionsfreiheit, das Recht der Eltern, ein Kind nach ihrem Gewissen großzuziehen, und das Verbot der Diskriminierung verletzt.
Der Schlüsselaspekt des Problems ist, ob eine Religionslehrerin / ein Religionslehrer im Rahmen des geltenden Rechts und der gängigen Praxis die Position einer Klassenlehrerin / eines Klassenlehrers einnehmen kann, da diese eine neutrale Weltanschauung vertreten und sicherstellen sollen, dass alle Schüler gleichbehandelt werden, unabhängig davon, ob sie einen Religionsunterricht besuchen oder nicht.
Kanonische Mission vs. Weltanschauungsneutralität
Nach geltendem Recht entscheiden kirchliche oder religiöse Vereinigungen, wer für den Religionsunterricht an Schulen zuständig ist; Schulleitungen haben keine andere Wahl, als solche Ernennungen anzunehmen. Das bedeutet, dass Religionslehrerinnen und Religionslehrer viel mehr den kirchlichen Institutionen untergeordnet sind als den staatlichen Bildungsbehörden.
Im Falle der römisch-katholischen Kirche sind die Religionslehrer an eine kanonische Mission gebunden, die vom Bischof ihrer Diözese bestimmt wird, dieser ist auch als einziger berechtigt, die Mission zu beenden. Dazu beurteilt der Bischof auch Leben und Verhalten der Lehrerin / des Lehrers außerhalb des Klassenzimmers.
"Wir sind über Fälle informiert, in denen kanonische Missionen aus Gründen des Privatlebens einer bestimmten Person beendet wurden. Konkret hatten wir es bereits mit einem Fall zu tun, der eine Religionspädagogin betrifft, deren Mission, und Anstellung, beendet wurde, weil sie trotz Schwangerschaft ledig blieb", sagte Agnieszka Mikulska-Jolles, eine Expertin der HFHR.
Es ist also davon auszugehen, dass Religionslehreinnen und Religionslehrer, die die Rolle des Klassenlehrers übernehmen, diese Rolle auf Grundlage der Leitlinien und der Lehre der römisch-katholischen Kirche ausüben werden.
Folglich kann die Ernennung einer der Lehre und Institution einer Kirche untergeordneten Person zum Klassenlehrer / zur Klassenlehrerin dazu führen, dass die Gewissens- und Religionsfreiheit von Personen ohne Religionszugehörigkeit bzw. von Anhängern anderer Religionen verletzt wird.
Vor diesem Hintergrund ist es auch von Bedeutung, dass weder die Eltern noch betroffene ältere Schülerinnen und Schüler selbst einen Einfluss auf die Wahl des Klassenlehrers haben, auch wenn sie entscheiden können, ob sie den Religionsunterricht besuchen oder nicht.
Verfassungsrechtliche Bedenken
Nach Ansicht der Helsinki Foundation for Human Rights sind die Teile der vorgeschlagenen Verordnung, die es Religionslehrern ermöglichen, die Rolle des Klassenlehrers zu übernehmen, sehr wahrscheinlich verfassungswidrig.
Sie verletzen insbesondere die Gewissens- und Religionsfreiheit (Artikel 53), das Recht der Eltern, ein Kind nach ihrem Gewissen zu erziehen (Artikel 49) und den Grundsatz der Weltanschauungsneutralität des Staates (Artikel 25). Die vorgeschlagenen Maßnahmen dürften ebenfalls zu einer Ungleichbehandlung von Schülern gemeinsamer Schulen führen (Artikel 70[1] der Verfassung in Verbindung mit Artikel 32).
Wegen der begründeten Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes fordert die Helsinki-Stiftung für Menschenrechte das Bildungsministerium auf, die legislative Arbeit an den vorgeschlagenen Änderungen einzustellen.