Fest steht, auch wenn das Urteil noch nicht begründet wurde, dass das Gericht zu dem Schluss gekommen ist, dass Stefano Cucchi an den Schlägen gestorben ist, die er in den Carabinieri-Kasernen erlitten hat.
Stefano Cucchi wurde am 15. Oktober 2009 wegen geringfügiger Vorwürfe im Zusammenhang mit Drogenhandel verhaftet. Er wurde zu einer Polizeistation gebracht, wo er sich krank zu fühlen begann. Ein Krankenwagen wurde gerufen, aber Stefano weigerte sich, ins Krankenhaus eingewiesen zu werden. Bei einer Durchsuchung seiner Wohnung hat die Polizei kein belastendes Material gefunden.
Er wurde dann für eine Anhörung zur Haftprüfung einem Richter vorgestellt und anschließend in eine Arrestzelle im Keller gebracht. Der Richter ordnete Untersuchungshaft im Gefängnis Regina Coeli an.
Wie Stefano Cucchi starb
Stefano Cucchi erlitt Verletzungen, darunter mehrere Traumata, Schürfwunden auf dem Handrücken, fünf Schnitte über dem linken Schienbein, andere kleine Schürfwunden und einen Bruch am vierten Kreuzbeinwirbel. Er gab an, eine Treppe hinuntergestürzt zu sein, aber seine Verletzungen sind mit dieser Darstellung nicht vereinbar. Seine Familie ging deshalb davon aus, dass er diese Verletzungen nur erlitten haben könne, weil er von den Carabinieri (der Nationalpolizei) und der Gefängnispolizei geschlagen wurde.
Dann wurde er in die Notaufnahme des Fatebenefratelli-Krankenhauses in Rom gebracht, wo er sich allerdings erneut weigerte, eingeliefert zu werden, daraufhin wurde er in den Gefängnisbereich des Krankenhauses Pertini gebracht. Er wurde untersucht, katheterisiert, angewiesen darauf zu achten nicht zu dehydieren und erhielt eine unterstützende Behandlung.
Am 22. Oktober wurde Stefano tot in seinem Bett aufgefunden. Die Versuche der Ärzte ihn wiederzubeleben blieben erfolglos. Im ersten Prozess wurden drei Gefängnispolizisten, sechs Ärzte und drei Krankenschwestern des Pertini-Krankenhauses in Rom angeklagt, in einem zweiten Prozess wurden die drei Polizisten, die die erste Verhaftung durchgeführt hatten, zusammen mit zwei weiteren wegen fahrlässiger Tötung, Verleumdung und Vertuschung angeklagt. Im Laufe der Ermittlungen wurden drei weitere Polizisten identifiziert, denen vorsätzlichen Täuschung vorgeworfen wurde.
Alle Indizien deuten auf Folter
Einer der im ersten Prozess angeklagten Ärzte wurde freigesprochen, die anderen konnten nicht wegen Totschlags verurteilt werden, weil die Verjährungsfrist abgelaufen war. Dennoch ist es fast sicher, dass Stefano Cucchi heute noch Leben würde, wenn er nicht von der Polizei geschlagen worden wäre. Und das Gericht von Assizes in Rom bestätigte im zweiten Prozess genau diese Einschätzung. Auch die Aussagen eines bei der Verhaftung anwesenden Carabinieri, bestätigen, dass der Fall perfekt in den Geltungsbereich von Artikel 613bis des Strafgesetzbuches passt.
Dieser Paragraphen wurde durch das Gesetz, das am 14. Juli 2017 das Verbrechen der Folter in Italien einführte, in das Strafgesetzbuch aufgenommen. Er zielt darauf ab, Menschen, die während ihrer Haft oder in staatlicher Obhut Gewalt oder Drohungen ausgesetzt sind, oder unter Grausamkeiten oder akuten körperlichen Belastungen gelitten haben, Rechtsbehelfe zu gewähren. Die Strafe wird erhöht, wenn die Handlungen von einer Beamtin oder einem Beamten begangen wurden, der damit seine Macht unter Verletzung seiner Pflichten missbraucht.
Aussage eines Polizisten
Der Carabiniere, der sich dazu durchrang gegen seine Kollegen auszusagen gab an, dass Cucchi sich am 15. Oktober 2009 geweigert habe, seine Fingerabdrücke oder ein Foto nehmen zu lassen, stattdessen habe er begonnen, sich mit einem der Carabinieri zu streiten. Der Beamte drehte sich um und schlug Cucchi mit einem heftigen Schlag ins Gesicht. Dann schubste er ihn, und der andere Beamte trat Cucchi hart in der Nähe seines Anus. Das Schlagen ging weiter und Cucchi wurde heftig geschubst, so dass er auf seinem Becken zu Boden fiel. Er schlug sich auch den Kopf, und als Cucchi auf dem Boden lag, trat ihm einer der beiden schließlich auch ins Gesicht.
Es ist klar, dass die beiden Angreifer Beamte im Dienst waren, die Stefano in Haft hielten. Es ist auch klar, dass der junge Mann echten Misshandlungen ausgesetzt war, die ihm die in Artikel 613bis des Strafgesetzbuches genannte Art von akutem körperlichem Leid verursachten.
Polizeibeamten können nicht rückwirkend der Folter für schuldig befunden werden
Artikel 13 der Verfassung besagt, dass "jede physische und moralische Gewalt gegen Personen, die der Freiheitsbeschränkung unterliegen, bestraft wird".
In Italien können Personen nicht für Verbrechen zur Verantwortung gezogen werden, die sich aus Gesetzen ergeben, die zum Zeitpunkt der Straftat nicht in Kraft waren. Da die Gesetzgebung zum Zeitpunkt der Verfolgung und des Todes von Stefano Cucchi nicht in Kraft war, können die betreffenden Beamten nicht wegen des Verbrechens der Folter vor Gericht gestellt werden.
Die Staatsanwaltschaft beschloss jedoch, Klage gegen die Carabinieri wegen fahrlässiger Tötung zu erheben, so dass sie dennoch für ihre Handlungen zur Verantwortung gezogen werden können.
Es bleibt zu hoffen, dass nach Verabschiedung dieses Gesetzes die Verantwortlichen im Falle einer Wiederholung einer solchen Tragödie voll zur Verantwortung gezogen werden. Aber wir können auch hoffen, dass das Gesetz auch abschreckend wirkt und dass die Polizei beginnt, Verdächtige zuerst als Menschen zu behandeln.