Technologie & Rechte

Psychiatrische Patienten als Manager Attraktion missbraucht

Unter dem Deckmantel gemeinnütziger Arbeit organisierten zwei Geschäftsfrauen heimlich bezahlte Besuche in einer Psychiatrie, in denen ihre "Auszubildenden" mit psychiatrischen Patienten sprechen und so ihre Kommunikationsfähigkeit verbessern sollten.

by Human Rights Monitoring Institute
Freakphotography, Flicr.com

Nach Informationen der Webseite 15min.lt wurden zwei litauische Geschäftsfrauen überführt, gegen Bezahlung "Trainingseinheiten" organisiert zu haben, in denen sie Managern großer Unternehmen ermöglichten, mit psychiatrischen Patienten zu interagieren. Die Besuche hätten in der Psychiatrie der Stadt Vilnius stattgefunden. Während dieser Sitzungen seien die Auszubildenden als Studenten aufgetreten und hätten mit Patienten gesprochen, ohne vorher ihre Zustimmung erhalten zu haben und ohne, dass ihre Familien oder das Management des Zentrums informier wurden.

Aufbrechen von Vorurteilen?

Nach Aussage der Verantwortlichen für die "Ausbildung" hätten diese Besuche dazu gedient, Führungskräften beizubringen, mit „jeder Art von Person einen Kommunikationsweg zu finden“ und ihre Vertriebskenntnisse und emotionale Intelligenz zu verbessern".

Unbefugten Personen ist der Zutritt zu dem Zentrum oder das Sprechen mit den Patienten ohne deren Einwilligung verboten. In der Regel sind nur Studierende für Ausbildungszwecke zugelassen. Das scheint der Grund zu sein, warum die "Auszubildenden" vorgeben mussten, Studenten zu sein.

Es scheint, dass die Besuche mit dem Wissen von Alvydas Navickas, dem Leiter der Psychiatrischen Klinik der Medizinischen Fakultät der Universität Vilnius und heutigen Vorsitzenden der litauischen Psychiatrischen Vereinigung stattgefunden haben. Er fand diese Praxis nicht problematisch, da sie seiner Meinung dazu beigetragen habe, Stereotypen, die Menschen mit psychischen Störungen umgeben, zu brechen.

Gesucht "emotionale Ladung"

Ein empörter Teilnehmer informierte die Medien über die Trainings. Er gab an, nicht darüber informiert worden zu sein, was er tun müsse und nicht gewusst zu haben, dass er mit Psychiatriepatienten interagieren würde.

Sobald die Geschichte öffentlich wurde, versuchten die Organisatoren dieser "Charakterbildungs-Gruppen" (Die angebliche Ausbildung), ihre Tätigkeiten als soziale Zwecke zu rechtfertigen. Die Besuche hätten dazu beigetragen, die Stigmatisierung von gefährdeten Gruppen zu bekämpfen, außerdem würden die Menschen nicht nur psychiatrische Patienten zu sehen bekommen, sondern auch Kinderheime.

Allerdings ist auf der Webseite der "Character Building Groups" von „der Überwindung von Vorurteilen“ nirgends die Rede. Vielmehr wird die Ausbildung als Gelegenheit präsentiert, aus der eigenen Komfortzone herauszutreten und sich "emotional sehr aufgeladenen" Erfahrungen zu unterziehen.

Es stellte sich heraus, dass diese Ausbildung auch von den Mitarbeitern der Bank von Litauen bestellt wurde. Sie waren bereit 7.700 € für die angebotenen Leistungen zu zahlen.

Verletzte Rechte

Die Ausbeutung von Psychiatrie-Patienten zu kommerziellen Zwecken empörte Experten für psychische Gesundheit ebenso wie die Menschenrechtsgemeinschaft.

"Wie grenzenlos die menschliche Phantasie doch ist, wenn es um Menschenrechtsverletzungen geht!" Schrieb Professor Jonas Ruškus, Mitglied des UN-Ausschusses für die Rechte von Menschen mit Behinderungen, auf Facebook.

Ihm zufolge verstößt ein solches Verhalten gegen mehrere Artikel des Übereinkommens über die Rechte von Menschen mit Behinderungen, wie das Recht der Patienten auf Privatsphäre, persönliche Freiheit und Sicherheit, ihr Recht, nicht ausgebeutet zu werden, sowie die Bestimmungen des Übereinkommens zur Beseitigung von negativen Stereotypen über Menschen mit Behinderungen.

Die Vereinigung der jungen Psychiater veröffentlichte eine Erklärung, in der jede mögliche Verletzung der Patientenrechte verurteilt wurde. In der Stellungnahme heißt es, dass "Patienten nicht für kommerzielle, persönliche oder andere Zwecke ausgenutzt werden sollten, die nicht mit der Förderung ihrer Gesundheit zusammenhängen".

Formale Anfrage gestartet

Karilė Levickaitė, Direktorin der NGO Mental Health Perspectives, verurteilte die Tätigkeit als zynisches Geschäftsmodell auf der Grundlage von Ausbeutung und Manipulation von gefährdeten Personen.

"Versuchen Sie sich das vorzustellen: Sie werden, oder ein von Ihnen geliebter Mensch wird, mit psychischen Problemen ins Krankenhaus eingeliefert und der Psychiater bringt jemanden vorbei, der behauptet ein Student zu sein, aber in Wirklichkeit an einem kommerziellen Kurs teilnimmt, um seine Vertriebskenntnisse zu verbessern. Niemand informiert Sie darüber und sogar wenn Sie sich dessen bewusst werden, wird Ihnen noch vorgelogen, es handele sich um eine Maßnahme, um das „Patientenstigma“ zu reduzieren“, äußerte sie gegenüber manoteises.lt.

Mental Health Perspectives bat die Generalstaatsanwaltschaft, eine Voruntersuchung über eine rechtswidrige Erhebung von Daten über Privatleben, rechtswidrige Geschäftsaktivitäten und Aufstachelung zur Diskriminierung aufgrund einer Behinderung einzuleiten.

Das Amt der Ombudsperson für Chancengleichheit hat eine eigene Untersuchung zu diesem Vorfall gestartet.
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