Demokratie & Gerechtigkeit

Was bedeutet Rechtsstaat: Definition, Merkmale, Bedeutung, Vorteile

Rechtsstaatlichkeit ist ein wichtiges Merkmal einer jeden Demokratie. Doch was zeichnet einen Rechtsstaat aus? Und wieso ist er eigentlich so wichtig?

by Franziska Otto

Was ist ein Rechtsstaat?

Ein Rechtsstaat ist ein Staat, in dem unsere Regierung und die gewählten Politiker sich an die gleichen Regeln halten müssen wie Bürgerinnen und Bürger. Sie können also nur im Rahmen von bestehenden Gesetzen handeln und Entscheidungen treffen. Sie stehen nicht über dem Gesetz. Außerdem müssen die Grundrechte, wie Meinungsfreiheit oder dasVersammlungsrecht, der Bevölkerung garantiert sein. Verwaltung und Behörden müssen diese Rechte in ihrer Arbeit mit umsetzen. Jede Einschränkung dieser Freiheiten benötigt eine rechtliche Begründung. Für Versammlungen im Freien gibt es etwa die Einschränkung, dass diese vorher angemeldet werden müssen, damit die öffentliche Sicherheit garantiert werden kann und der Straßenverkehr umgeleitet werden kann. Solche Ausnahmen sind durch weitere Gesetze geregelt.

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In einem Rechtsstaat muss außerdem jede staatliche Entscheidung durch Richter und Richterinnen überprüft werden können. Sie müssen unabhängig sein, damit die Politiker, die sie kontrollieren sollen, keine Entscheidungen beeinflussen können. Eine Regierung kann also nicht tun und lassen, was sie möchte.

Welche Merkmale zeichnen einen Rechtsstaat aus?

Die beiden wichtigsten Merkmale eines Rechtsstaates sind die sogenannte Rechtssicherheit und die Rechtsgleichheit. Was bedeutet das?

Rechtssicherheit ist, wenn man sich auf schon vorhandene Gesetze verlassen kann. Man kann vorhersehen, welche rechtliche Konsequenzen das eigene Handeln hat. In der Realität heißt das, dass, wenn man zum Beispiel auf offener Straße angegriffen wird, man sich darauf verlassen kann, dass man sich an die Polizei wenden kann und der Angreifer bestraft wird. Es bedeutet auch, dass man sich darauf verlassen kann, dass dem Staat bestimmte Grenzen gesteckt sind, die er nicht überschreiten kann. Umgekehrt heißt Rechtssicherheit aber auch, dass, wenn etwa man einen Unfall mit Fahrerflucht begeht, man weiß, dass dies eine Straftat ist, für die man ebenfalls angeklagt und verfolgt werden kann.

Rechtssicherheit endet nicht, wenn man selber wegen einer Straftat festgenommen wird. Auch hier gibt es Regeln, auf die man sich berufen kann. Zum Beispiel muss man spätestens am Tag nach der Festnahme einem Richter vorgeführt werden und man hat einen Anspruch auf eine faires Verfahren und angemessene Verteidigung.

Rechtsgleichheit bedeutet, dass für alle Bürgerinnen und Bürger die gleichen Gesetze gelten - unabhängig ihrer Herkunft, ihres Geschlechtes, ihres Einkommens etc. Dieser Grundsatz ist auch im Deutschen Grundgesetz verankert (Art. 3 GG).

Neben diesen beiden Merkmalen, gibt es aber auch eine Reihe weiterer Faktoren, die einen Rechtsstaat auszeichnen.

So können alle Menschen gegen andere Personen oder aber auch gegen Konzerne und den Staat vor Gericht ziehen (“Rechtskontrolle”).

Keine einzelne Instanz innerhalb eines Rechtsstaats hat die alleinige Macht, vielmehr wird sie auf unterschiedliche Institutionen verteilt (“Gewaltenteilung”). Diese Instanzen sind:

  • die gesetzgebende Gewalt (Legislative, z.B. der Bundestag oder Landesparlamente);
  • die ausführende Gewalt (Exekutive, z.B. die Polizei oder Behörden);
  • und die rechtsprechende Gewalt (Judikative, die Gerichte und Richterinnen und Richter).

Vor allem die Unabhängigkeit von Gerichten ist hier wichtig, da diese ermöglicht, dass Richterinnen und Richter ohne äußeren Einfluss staatliches Handeln kontrollieren können. Schließlich erlauben wir Fußballmannschaften auch nicht, ihren eigenen Schiedsrichter auszuwählen.

In einem Rechtsstaat gilt der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. In Fällen, in denen der Staat eingreift, kann er dies nicht im übertriebenen Maß tun. Es wäre etwa unverhältnismäßig, eine lebenslange Freiheitsstrafe zu erhalten, nur weil man dabei erwischt wurde, bei rot über die Ampel zu gehen.

Zuletzt gibt es noch das Merkmal der Freiheitssicherung. Alle Bürgerinnen und Bürger haben bestimmte Rechte, die ihnen niemand, auch nicht der Staat, absprechen kann. Dazu gehören das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit.

Was ist das Gegenteil eines Rechtsstaates?

Das Gegenteil eines Rechtsstaates ist ein Unrechtsstaat. Dies sind willkürliche handelnde Staaten, wie Diktaturen oder Polizeistaaten. Beispiele aus der Vergangenheit sind etwa die NS-Herrschaft unter Hitler oder auch die Deutsche Demokratische Republik (DDR).

In solchen Staaten halten sich Politiker und Politikerinnen nicht an die Gesetze, oder ändern diese, wie es ihnen gerade passt. Ihre Interessen, und nicht das der Bürgerinnen und Bürger, stehen an vorderster Stelle. Sie wollen vor allem mehr Macht an sich reißen, die Bedürfnisse der Bevölkerung spielen dabei keine Rolle.

Einen Schutz vor staatlicher Willkür gibt es nicht. Willkür meint in dem Fall, dass es für Handeln weder eine gesetzliche Grundlage noch eine sachliche Begründung gibt. So kann es passieren, dass man einfach verhaftet und in ein Gefängnis geworfen wird - ohne dass man selber eine Straftat begangen hat oder dass es einen richterlichen Beschluss gäbe. Genauso wenig erfährt man, warum man eigentlich verhaftet wurde.

Auch Gerichte sind innerhalb eines Unrechtsstaates nicht unabhängig, sondern von der Regierung beeinflusst. Auch vor Gericht ist man nicht vor Willkür geschützt. Urteile können für die gleichen Vergehen sehr unterschiedliche ausfallen, etwa weil man der Regierung nicht wohlgesinnten ist.

Wie funktioniert der Rechtsstaat?

In einem Rechtsstaat wählen Bürgerinnen und Bürger das oder die Parlamente. Diese Parlamente erarbeiten und beschließen wiederum neue Gesetze oder ändern schon vorhandene Gesetze.

Die Regierung wie auch die Behörden wenden diese Gesetze dann an.

Unabhängige Gerichte sprechen auf Grundlage der Gesetze Recht. Außerdem gibt es meist ein Gericht, ein Verfassungsgericht, dessen Aufgabe es ist zu überprüfen, ob Gesetze mit der Verfassung zu vereinbaren sind. Stellt es fest, dass dies nicht der Fall ist, so muss das Parlament das Gesetz nachbessern.

Was sind die Vor- und Nachteile eines Rechtsstaates?

Der Rechtsstaat schützt die Freiheiten und Rechte aller dort lebenden Personen. Er ist die einzige bekannte Staatsform, die der Bevölkerung einen wirksamen Schutz vor staatlicher Willkür bietet.

Gleichzeitig ist ein Rechtsstaat darauf angewiesen, dass alle seine Bewohner und Bewohnerinnen wie auch die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen die Gesetze achten. Während zum Beispiel ein korrupter Mitarbeiter einer Behörde noch keine Gefahr für den Rechtsstaat darstellt, verhält sich dies anders, wenn es weit verbreitete Korruption gibt. Denn so können Grundsätze wie die Rechtsgleichheit nicht mehr garantiert werden. Personen mit einem höheren Einkommen könnten sich von Straftaten “frei kaufen” oder sich mit finanziellen Gefälligkeiten Vorteile erschaffen, die andere Personen nicht haben.

Deshalb ist es wichtig, dass innerhalb eines Staates Transparenz gelebt wird, damit Entscheidungen nachvollzogen werden können. Ebenso wichtig ist es, dass staatliche Kontrollen funktionieren und Handeln durch andere überprüft werden kann.

Was ist der Unterschied zwischen einem Rechtsstaat und einem Sozialstaat?

Rechtsstaat und Sozialstaat bezeichnen zwei Funktionen, die ein Staat ausüben kann. Sie schließen sich dabei aber nicht gegenseitig aus. So ist Deutschland ein demokratischer und sozialer Bundes- und Rechtsstaat und vereint damit beide Funktionen unter sich.

Ein Sozialstaat ist um die soziale Gerechtigkeit bemüht. Er kümmert sich um die soziale Sicherheit seiner Bürgerinnen und Bürger. Ein Beispiel, wie sich dies in der Wirklichkeit äußern kann, ist die Arbeitslosenversicherung. Jeden Monat zahlt man einen Teil seines Gehaltes in diese Versicherung ein. Sollte man sich dann selber in der Position wiederfinden, dass man seine Arbeit verliert, bekommt man jeden Monat vom Staat einen Teil seines letzten Gehaltes weitergezahlt.

Rechtsstaat und Demokratie in Deutschland

Artikel 28 Absatz 1 des Grundgesetzes besagt, dass Deutschland ein republikanischer, demokratischer und sozialer Rechtsstaat ist. Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sind also nicht voneinander zu trennende Merkmale des deutschen Staates.

Das Bundesverfassungsgericht ist in Deutschland die letzte Instanz, wenn es um die Kontrolle des Grundgesetzes und des Rechts geht. Bürgerinnen und Bürger wie auch Unternehmen und Parteien können sich an das Gericht wenden, wenn sie ihre Grundrechte eingeschränkt sehen. Dafür steht ihnen der Weg offen, eine sogenannteVerfassungsbeschwerde einzulegen. Dafür müssen sie nicht erst durch alle anderen gerichtlichen Instanzen gehen (wie z.B. Amtsgerichte oder Oberlandesgerichte), sondern können sich direkt an das Verfassungsgericht wenden.

Die Person, die die Beschwerde einreicht, muss selbst, gegenwärtig und unmittelbar in ihren Rechten eingeschränkt worden sein. Man kann also keine Beschwerde einlegen, wenn eine Freiheitsbeschränkung in der Vergangenheit liegt oder sie eine andere Person betrifft. Nur wenn man selber in diesem Moment die Einschränkung spürt, kann man das Bundesverfassungsgericht anrufen.

In 2021 zum Beispiel zog eineGruppe von Klimaschützerinnen und -schützern vor das Bundesverfassungsgericht, da das Klimaschutzgesetz - welches im Dezember 2019 verkündet wurde - nur festlegte, wie Emissionen bis 2031 gesenkt werden sollen. Für den Zeitraum danach gab es keine Regelungen. Das Bundesverfassungsgericht urteilte, dass durch den Ausstoß von Treibhausgasen potentiell jeder Bereich von menschlichem Leben betroffen sein kann und damit auch jegliche Freiheit. Um diese Freiheiten zu sichern, verpflichtete das Bundesverfassungsgericht den Gesetzgeber, das Gesetz bis Ende 2022 nachzubessern.

Trotzdem ist auch der deutsche Rechtsstaat nicht perfekt. In manchen Teilen der Bundesrepublik ist, begründet durch eine schlechte wirtschaftliche Lage, starkan der Justiz gespart worden. Es wurden Stellen abgebaut. Richterinnen und Richter, wie auch die Staatsanwaltschaft, geben an, die Qualität ihrer Arbeit würde unter der Mehrbelastung leiden.

Auchrechte Chat Gruppen innerhalb der Polizei, die in der letzten Zeit immer wieder ans Licht kommen, können eine Gefahr für den Rechtsstaat darstellen. In ihnen wurden zum Teil Symbole von verfassungswidrigen Organisationen verwendet und Volksverhetzung betrieben. Zwar repräsentieren solche Vorkommnisse nicht die Gesamtheit der Polizei, sie können aber das Vertrauen der Bevölkerung in sie stören. Genau von diesem Vertrauen lebt der Rechtsstaat aber.


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Photokredit:

Kindel media/Pexel.com

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