Am 3. Januar 2001 wurde Anca Doiciu auf einer rumänischen Polizeistation in Predeal als Zeugin vernommen. Nachdem ihr Verlobter aufgrund einer Auseinandersetzung mit einem Taxifahrer verhaftet worden war, hatte man sie als Zeugin vorgeladen.
Während der Vernehmung ihres Verlobten wurden die Beamten diesem gegenüber gewalttätig. Die damals 19-jährige Anca Doiciu versuchte ihn zu verteidigen und wurde dabei selbst geschlagen
Vier Kollegen sahen zu, als ein als L. I. identifizierter Polizist sie so heftig schlug, dass sie unter einer Gehirnerschütterung sowie Prellungen im Gesicht litt. Ihre Verletzungen mussten zwei Wochen lang ärztlich behandelt werden.
Eine Ohrfeige
Da die Polizei damals noch nicht demilitarisiert war, erstattete Frau Doiciu Strafanzeige gegen den Beamten L. I. bei der militärischen Aufsichtsbehörde.
Die darauffolgende Untersuchung führte zu der Behauptung, die 19-jährige Frau habe den Polizisten angegriffen und dieser habe ihr daraufhin eine Ohrfeige gegeben. Nach einer etwa einjährigen Untersuchung endete der Fall im April 2002 damit, dass der Beamte zu einem Bußgeld verurteilt wurde. Das Verfahren wurde wegen angeblicher Geringfügigkeit eingestellt.
Später wurde die Geldbuße aufgehoben und der Beamte L. I. befördert.
Anca Catalina Doiciu klagte bis 2008 erfolglos vor rumänischen Instanzen, bis der Fall endlich vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte kam.
Verletzung von Artikel 3 - Folter
Am 5. Mai 2015 verließ das Gericht sein Urteil und stellte fest, dass Rumänien die Europäische Menschenrechtskonvention verletzt hat indem das Land nicht in der Lage war, Frau Doiciu Gerechtigkeit zu gewähren.
Unter besonderem Hinweis auf Artikel 3, welcher jede Form unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung verbietet, fand das Gericht Verstöße sowohl in Bezug auf die Misshandlung der Klägerin selbst, als auch in Bezug auf die nachfolgende unzureichende Untersuchung des Falles.
Das Gericht wies darauf hin, dass sogar unter den schwierigsten Umständen, wie etwa beim Kampf gegen Terrorismus, unmenschliche Behandlung und Folter durch die Menschenrechtskonvention verboten sind. Dies gelte insbesondere auch dann, wenn Opfer versuchen Polizisten zu provozieren.
Die Anwältin Diana Olivia Hatneanu von APADOR-CH, welche Frau Doiciu vertreten hat sagte dazu: "Mit der heutigen Entscheidung weißt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte Rumänien erneut darauf hin, dass Folter, sowie unmenschliche und erniedrigende Behandlung durch Staatsbeamte verboten sind, egal unter welchen Umständen, und das Vorwürfe einer solchen Behandlung so schnell wie möglich eine gründliche interne Untersuchung nach sich ziehen müssen."
Das Gericht sprach Frau Doiciu 11.000 Euro für den erlittenen immateriellen Schaden, sowie 2.500 Euro für entstandene finanzielle Belastungen zu.
2014 haben Anwälte der Organisation APADOR-CH auch in einem weiteren Fall den Kläger gegen Misshandlung durch die rumänischen Sicherheitsbehörden vertreten Flamanzeanu v. Romania
Eine traurige Statistik von Übergriffen gegen die eigene Bevölkerung durch die rumänische Polizei findet sich hier.