Technologie & Rechte

Spanien: Der Ausnahmezustand darf Strafgeangene nicht ihrer Rechte berauben

Wir dürfen nicht vergessen, dass die im Strafgesetz verankerten Rechte der Inhaftierten nach wie vor in Kraft sind und auch durch den Ausnahmezustand in keiner Weise eingeschränkt werden dürfen.

by Patricia Goicoechea

Obwohl die Gerichte weitestgehend ruhen verhaftet die Polizei weiter

Der aktuelle Gesundheitsnotstand und der daraus folgende Ausnahmezustand haben dazu geführt, dass die meisten Aktivitäten der Justiz ausgesetzt wurden. In Bezug auf die Strafgerichtsbarkeit legt der Königliche Erlass 463/2020 vom 14. März fest, dass die Aussetzung und Unterbrechung "nicht in Habeas-Corpus-Verfahren, Verfahren in Bezug auf Dienstpflichten oder mit Gefangenen gilt" (zweiter Abschnitt der 2. Zusatzbestimmung).

Und in der Tat scheinen die Verhaftungen nicht aufgehört zu haben. Die Nationalpolizei verhaftete zwischen dem 14. März und dem 8. April 1.540 Personen wegen angeblicher Verstöße gegen die Zwangsmaßnahmen.

Wir dürfen nicht vergessen, dass die Rechte festgenommener Personen, die in Artikel 520 des Strafprozessgesetzes (im Folgenden "LECrim") verankert sind, nach wie vor in Kraft sind und auch aufgrund des Ausnahmezustands nicht eingeschränkt werden dürfen. Auch wenn die gegenwärtigen Umstände zweifelos praktische Schwierigkeiten für Polizei und Staatsanwaltschaft mit sich bringen, darf diese Ausnahmesituation nicht zu einer Aufweichung der Verfahrensvorschriften führen. Zwar können gewisse Anpassungen vorgenommen werden, doch müssen diese stets die Rechte der inhaftierten Personen sowie den Schutz ihrer Gesundheit gewährleisten.

Unter der Voraussetzung, dass die Beamten angemessene Vorsichtsmassnahmen treffen und körperlichen Abstand halten, hindert sie unter den gegenwärtigen Umständen nichts daran, die Inhaftierten über ihre Rechte und die Gründe für ihre Inhaftierung klar und detailliert zu informieren. Gleichermaßen muss, wenn die oder der Gefangene darum ersucht, die Inhaftierung einer bzw. einem Dritten mitgeteilt werden, und es muss der betroffenen Person gestattet werden, die Mitteilung direkt zu machen, da es keinen Grund gibt, die Ausübung dieses Rechts zu behindern. Wenn der Häftling die Unterstützung eines Dolmetschers / einer Dolmetscherin beantragt, muss diese ebenfalls gewährleistet werden. In diesem Fall kann es zweckmäßig sein, diese per Telefon- oder Videokonferenz bereitzustellen, vorausgesetzt, dass der Einsatz alternativer Technologien zur physischen Anwesenheit die Effektivität der Übersetzung nicht beeinträchtigt. Dasselbe gilt für konsularischen Beistand, falls der Häftling darum ersucht.

Medizinische Untersuchungen müssen fortgesetzt werden

Im Hinblick auf das grundsätzliche Recht aller Häftlinge auf eine ärztliche Untersuchung gab der Medizinisch-Forensiche Rat am 20. März eine Reihe von Empfehlungen heraus, die besagen, dass die Hilfe für Häftlinge ein wesentlicher forensischer Dienst ist, der auch während des Ausnahmezustands weiterhin erbracht werden muss. Offensichtlich bleibt das Recht, nicht gefoltert, unmenschlich oder erniedrigend behandelt zu werden - das unter keinen Umständen und unabhängig von jeglicher Ausnahmesituation Einschränkungen zulässt - in vollem Umfang in Kraft und schließt das Recht ein, sich von einem Arzt untersuchen zu lassen.

Seit Einführung der Beschränkungsmaßnahmen sind mehrere Videos im Umlauf, die zeigen, wie Strafverfolgungsbeamte verschiedener Strafverfolgungsbehörden Menschen festnehmen und unverhältnismäßige Gewalt anwenden. Es darf nicht vergessen werden, dass das Schlagen von Gefangenen als erniedrigende Behandlung gilt und strafbar ist, wie die Große Kammer des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in ihrem Urteil im Fall Bouyid vs. Belgium aus dem Jahr 2015 urteilte. Unter solchen Umständen müssen Anwälte besonders wachsam sein, was die wirksame Ausübung des Rechts auf eine ärztliche Untersuchung betrifft.

Rechtsanwälten muss es erlaubt sein, Rechtshilfe zu leisten

Und abschließend darf das Recht auf Rechtsbeistand in Polizeidienststellen in keiner Weise eingeschränkt oder behindert werden. Es handelt sich dabei um eine Garantie des Rechts auf Freiheit, die dem Zweck dient, "durch persönliche Anwesenheit sicherzustellen, dass die verfassungsmässigen Rechte des Häftlings respektiert werden, dass er keinem Zwang oder einer Behandlung unterworfen wird, die mit seiner Würde und seiner Erklärungsfreiheit unvereinbar ist, und dass er Zugang zu angemessener Beratung hat" (STC 21/1997). Diese Doppelfunktion, die darin besteht, die Achtung aller Rechte des Häftlings zu gewährleisten und ihm Rechtsbeistand zu leisten, muss auch unter den außergewöhnlichen Umständen, die sich aus der Covid-19-Pandemie ergeben, wirksam erfüllt werden.

Um den persönlichen Kontakt zwischen Häftlingen und Fachleuten zu verringern, haben mehrere Anwaltskammern empfohlen, Rechtsbeistand nach Möglichkeit per Telefon- oder Videokonferenz zu leisten. Diese Option wurde auch von einigen regionalen Obersten Gerichtshöfen befürwortet (Vermerk der Covid-19 Executive Monitoring Commission des Obersten Gerichtshofs von Madrid). Rechtsanwältinnen und Rachtsanwälte, im Staatsdienst tätige, müssen ihre Verpflichtungen sorgfältig analysieren und mit dem Schutz ihrer Gesundheit, der Gesundheit ihrer Mandanten und der Gesundheit der Vollzugsbeamten abwägen, bevor sie sich für die Nutzung der Fern-Unterstützung entscheiden.

Dies bedeutet in erster Linie, dass der Zugang zu Dokumenten und Informationen gewährleistet sein muss, die zur Feststellung der Rechtmäßigkeit der Haft unerlässlich sind. Diese sollten dem diensthabenden Anwalt per E-Mail oder auf eine andere Weise zugesandt werden, die ihren korrekten und vollständigen Empfang ermöglicht. Unter den gegenwärtigen Umständen ist dies von besonderer Bedeutung, wenn man bedenkt, dass bei Festnahmen im Zusammenhang mit Haftmaßnahmen Polizeiberichte zur Beurteilung mutmaßlicher Verbrechen des Widerstands und Ungehorsams herangezogen werden (Artikel 556.1 des Strafgesetzbuches). Es ist von wesentlicher Bedeutung, dass die Anwälte in der Lage sind, sich mit den Umständen, unter denen die Festnahme stattgefunden hat, und mit allen spezifischen Tatsachen vertraut zu machen, damit sie feststellen können, ob die Festnahme rechtmäßig war. Andernfalls könnte sie eine geringfügige Straftat (Art. 556.2 des Strafgesetzbuches) oder ein Verhalten darstellen, das keine Straftat, sondern eine Ordnungswidrigkeit darstellt.

Zweitens: Die vertrauliche Unterredung muss gewährleistet sein. Der Anwalt muss stets beurteilen können, ob der von der Polizei angebotene Kommunikationsweg die Vertraulichkeit des Gesprächs gewährleistet, ob es möglich ist, die Identität der Person, mit der er spricht, angemessen zu überprüfen, und ob er in einer Telefon- oder Videokonferenz das notwendige Vertrauensverhältnis zu seinem Mandanten aufbauen kann.

Der Ausnahmecharakter der gegenwärtigen Situation darf nicht dazu führen, dass die Anforderungen an die Achtung und den Schutz der Rechte der Gefangenen ausgehöhlt werden, weder bei der Polizei noch bei den Gerichten. Wir müssen auch bedenken, dass es vermutlich noch gewisse Ausnahmen geben wird, wenn die allmähliche Lockerung der Beschränkungsmaßnahmen beginnt. Das Virus wird nicht verschwinden, weil ein Königlicher Erlass erteilt wird. Auch die Ansteckungsgefahr wird nicht verschwinden. Wir werden also noch eine Weile mit individuellen Schutzmaßnahmen und mit der Notwendigkeit leben müssen, ein sorgfältiges Gleichgewicht zwischen der korrekten Erfüllung unserer Verpflichtungen und dem Schutz unserer Gesundheit und der unserer Mandanten zu finden.

Dieser Artikel wurde ursprünglich von Abogacía Española veröffentlicht.

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