Demokratische Gesellschaften müssen das Recht auf Zugang zu Informationen gewährleisten. Dieses Recht ist jedoch während der COVID-19-Pandemie von noch größerer Bedeutung. Bürgerinnen und Bürger müssen ohne Verzögerung informiert werden und Zugang zu verifizierten Informationen haben, um die Verbreitung gefälschter Nachrichten zu verhindern. Nur so können sie sich selbst ein Bild von der Lage machen, damit sie den Regierungen und ihren Institutionen weiterhin vertrauen, oder sie gegebenenfalls auch zur Verantwortung ziehen können.
Das Recht auf Zugang zu Informationen ist ein Grundrecht, das im Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte, im Allgemeinen Kommentar Nr. 34 des Menschenrechtsausschusses der Vereinten Nationen und in der Europäischen Menschenrechtskonvention verankert ist.
Spanien erkennt es jedoch noch nicht als solches an. Das Gesetz über Transparenz, Zugang zu öffentlichen Informationen und gute Regierungsführung wurde erst 2013 verabschiedet. Es markierte einen großen Fortschritt und ermöglichte den Spanierinnen und Spaniern, Informationen bei öffentlichen Verwaltungen anzufordern, wenngleich diesem Recht in der Praxis häufig enge Grenzen gesetzt sind.
Eines der Hauptprobleme, nämlich die Tatsache, dass das Recht auf Zugang zu Informationen nicht als Grundrecht anerkannt wird, könnte nach Meinung von Experten aus der Wissenschaft durch eineVerknüpfung mit Artikel 20 der spanischen Verfassung, der die Meinungsfreiheit behandelt, gelöst werden. In Spanien wird der Akt der Informationsanforderung jedoch als reines Verwaltungsverfahren betrachtet, und das Transparenzgesetz unterliegt dem Gesetz über die öffentliche Verwaltung und allgemeine Verwaltungsverfahren.
Mit dem Ausbruch der COVID-19-Pandemie und der anschließenden Ausrufung des Ausnahmezustands durch den Königlichen Erlass 463/2020 wurden alle Verwaltungsverfahren ausgesetzt. Nur wenige Tage später wurde eine Änderung des Königlichen Erlasses 465/2020 verabschiedet, die vorsieht, dass die jeweils zuständigen Stellen selbst entscheiden können, welche Verwaltungsverfahren sie im Zusammenhang mit COVID-19 fortsetzen wollen und welche nicht, sofern sie ihre Entscheidung begründen.
Damit sind die öffentlichen Verwaltungen bis zum Ende des Ausnahmezustands nicht verpflichtet, Informationsanfragen zu bearbeiten. Sie können dies aber tun, wenn sie es wünschen. Diese rechtliche Unklarheit hat im ganzen Land zu großen Ungleichheiten geführt. Während einige Regionen, wie unter anderem Castilla y León, Asturien, Castilla-La Mancha und La Rioja, Informationsanfragen bearbeiten, haben andere, wie Andalusien, die Kanarischen Inseln und Murcia, solche Anfragen grundsätzlich ausgesetzt. Andere Regionen, wie Madrid und Katalonien, bearbeiten nur einen Teil der Anfragen, die sie erhalten.
Leider ist Spanien nicht das einzige Land, in dem dies geschieht. Viele Länder in Europa und Lateinamerika haben die Aussetzung der administrativen Fristen für den Zugang zu Informationsanfragen verfügt. Glücklicherweise gibt es auch einige Länder, wie z.B. Argentinien, in denen eine ähnliche Regelung bereits rückgängig gemacht wurde.
In einer Zeit, in der die Bearbeitung von Anträgen komplizierter ist, sei es wegen der Aussetzung der administrativen Fristen oder weil Beamte von zu Hause aus arbeiten müssen, ist es unerlässlich, der proaktiven Veröffentlichung von Informationen Vorrang einzuräumen, insbesondere bei allen Themen, die mit COVID-19 zu tun haben. Eine proaktive Offenlegung ist ein wichtiger Test der Rechenschaftspflicht, der dazu führt, dass Bürgerinnen und Bürger auf dem Laufenden bleiben und der dazu beitragen kann, die Zahl der Informationsanfragen zum COVID-19 Komplex zu reduzieren.
Um die Transparenz und die Ausübung des Rechts auf Zugang zu Informationen während der Pandemie zu gewährleisten, empfehlen wir sowohl den Zentral- als auch den Regionalregierungen, folgende Maßnahmen zu ergreifen:
* Die spanische Regierung muss den Königlichen Erlass 463/2020 ändern, um das Recht auf Zugang zu Informationen von der Aussetzung der administrativen Fristen auszunehmen.
* Die Auskunftsstellen der Allgemeinen Staatsverwaltung und der Autonomen Regionen müssen aufgefordert werden, während der Dauer des Ausnahmezustands allen Anfragen im Zusammenhang mit COVID-19 Vorrang einzuräumen.
* Um zu vermeiden, dass die Resolution unnötig verlängert wird, sollten Anfragen ohne Bezug zu der Pandemie, die vor oder während des Ausnahmezustands eingegangen sind, nach Möglichkeit weiter bearbeitet werden.
* Getroffene Entscheidungen und durchgeführten Maßnahmen müssen ordnungsgemäß dokumentiert werden, und es muss sichergestellt werden, dass alle Informationen korrekt verarbeitet werden.
Access Info Europe arbeitet auf globaler Ebene und in Koordination mit verschiedenen Organisationen aktiv daran, auch in Krisenzeiten das Recht auf Zugang zu Informationen zu schützen. Zuletzt hat die Organisation zusammen mit Open Data Charter und Open Government Partnership (OGP), ein Webinar über die Veröffentlichung von Daten zu COVID-19 organisiert. Außerdem wurden sowohl in Europa als auch in Lateinamerika virtuelle Treffen mit Experten für das Recht auf Zugang zu Informationen organisiert. Hinzu kommt die Mitarbeit an der Ausarbeitung des OGP-Leitfadens „Offenes Regieren und das Coronavirus: Recht auf Information“ Guide to Open Government and the Coronavirus: Right to Information..
Transparenz und Rechenschaftspflicht sind in einem demokratischen Staat unerlässlich, um das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Regierungsinstitutionen aufrechtzuerhalten, insbesondere in Zeiten der Krise und Unsicherheit. Daher muss ein Grundrecht wie der Zugang zu Informationen geschützt und als solches anerkannt werden, auch und gerade in Krisenzeiten.
Access Info Europe ist eine 2006 in Madrid gegründete Menschenrechtsorganisation, die sich für die Förderung und den Schutz des Rechts auf Zugang zu Informationen in Spanien und auch weltweit einsetzt.
Dieser Text von Access Info Europe wurde ursprünglich inRights International Spain veröffentlicht.