In Alsasua, einer Stadt in der spanischen Provinz Navarra, kam es am 15. Oktober 2016 in einer Bar zu einer Schlägerei zwischen mehreren Jugendlichen und zwei Beamten der Guardia Civil, die außer Dienst und in Begleitung ihrer Partner dort waren. Einer der Beamten musste danach wegen eines gebrochenen Knöchels operiert werden und seine Begleiter erlitten leichte Verletzungen. Angeblich wurde den Beamten während des Kampfes wiederholt mitgeteilt, dass ihre Anwesenheit in der Stadt nicht erwünscht sei und dass sie Navarra verlassen sollten. Zwei Personen wurden sofort verhaftet und einem Untersuchungsrichter in Pamplona, der Hauptstadt Navarras, vorgeführt.
Am 18. Oktober 2016 reichte eine Vereinigung von Opfern des Terrorismus eine Klage bei der Audiencia Nacional (dem zentralen nationalen Gericht mit ausschließlicher Zuständigkeit für terroristische Straftaten) ein. Sie begründeten ihre Klage mit der Behauptung, die obengenannten Tatsachen könnten als terroristische Straftaten und Hassverbrechen eingestuft werden. Aufgrund dieser Klage hat die Audiencia Nacional am 25. Oktober ein Verfahren eingeleitet und auch der Untersuchungsrichter von Pamplona hat den Fall am 8. November 2016 an die Audiencia Nacional verwiesen.
Gegen die Entscheidung des Untersuchungsrichters wurde umgehend in Navarra Berufung eingelegt. Das Berufungsgericht hob die Entscheidung des Richters von Pamplona auf und ordnete an, die Frage der Zuständigkeit an den Obersten Gerichtshof zur Entscheidung zu verweisen. Am 1. Juni 2017 entschied der Oberste Gerichtshof, dass allein die Audiencia Nacional befugt sei, den Fall zu untersuchen, weil er der Ansicht war, es gebe Anscheinsbeweise für das Vorliegen terroristischer Straftaten.
Am 5. Juli 2017 wurden acht Personen wegen ihrer mutmaßlichen Teilnahme an der Kneipenschlägerei in Alsasua offiziell des Terrorismus beschuldigt.
Vorläufige Maßnahmen: Untersuchungshaft
Am 14. November 2016 wurden zehn Personen an verschiedenen Orten Navarras und des Baskenlandes festgenommen und der Audiencia Nacional übergeben. Der Untersuchungsrichter der Audiencia Nacional ordnete Untersuchungshaft für drei von ihnen an, die seither in verschiedenen Gefängnissen Madrids unter besonderer Aufsicht und Kontrolle durch die Strafvollzugsdienste (FIES - Ficheros de Internos de Especial Seguimiento) festgehalten werden.
Anklageerhebung durch den Staatsanwalt
In seiner Anklageschrift vom 5. Juli argumentiert der Staatsanwalt, dass die Ereignisses in der Bar auf die folgenden Delikte hinauslaufen:
- vier terroristische Straftaten, die zu Verletzungen führten;
- zwei Straftaten wegen terroristischer Drohungen.
Der Staatsanwalt argumentierte weiter, der Sachverhalt könne alternativ auch wie folgt definiert werden:
- eine Straftat wegen öffentlichem Aufruhr;
- ein Angriff gegen die Staatsgewalt;
- vier Straftaten wegen Körperverletzung;
- zwei Straftaten wegen terroristischer Drohungen.
Die Staatsanwaltschaft begründete eine terroristische Absicht, da einige der Angeklagten zuvor an den Aktivitäten einer sozialen Bewegung teilgenommen hatten, die sich für die Entfernung der staatlichen Polizeikräfte (Guardia Civil und Policía Nacional) aus Navarra einsetzt. Der Staatsanwalt argumentierte vor Gericht, dass dies auch eine der langjährigen Forderungen der Terrorgruppe ETA sei.
Die Tatsache, dass einige der Personen, die angeblich am 15. Oktober 2016 an der Barschlägerei teilgenommen haben sollen, in der Vergangenheit an den Aktivitäten einer gewaltfreien sozialen Bewegung teilgenommen haben, deren Hauptanspruch mit einem der traditionellen Ansprüche der ETA übereinstimmt, reicht also offensichtlich aus, um den Schluss zu ziehen, dass es sich um eine terroristische Absicht handelte.
Die Staatsanwaltschaft fordert für sieben der Angeklagten eine Freiheitsstrafe von 50 Jahren und für einen von ihnen eine Freiheitsstrafe von 62 Jahren.
Menschenrechtsbelange
Rights International Spain ist besorgt darüber, dass die Entscheidung des nationalen Gerichtshofs, Terrorismusvorwürfe für die oben beschriebenen Handlungen zu verfolgen, eine unverhältnismäßige gerichtliche Maßnahme darstellt. Die Argumente, die der Staatsanwalt in der Anklageschrift zur Begründung des Vorliegens von Intentionalität vorbringt, sind äußerst schwach, weshalb seine Schlussfolgerung durch sie nicht hinreichend begründet werden können. Darüber hinaus wurden ähnliche Handlungen gegen Polizeibeamte die in anderen Teilen Spaniens (außerhalb des Baskenlandes oder Navarras), gerichtlich vollkommen anders behandelt. Dies wirft die Frage einer möglichen Diskriminierung in diesem Fall auf.
Die Verteidiger haben die Weigerung der Audiencia Nacional kritisiert, ihre Beweismittel (Videos, Zeugen, Fotografien usw.) anzunehmen, während sie praktisch alle von der Staatsanwaltschaft angeforderten Sachverständigen- und Urkundenbeweise zuließen. Die angebliche Unzulässigkeit fast aller von der Verteidigung erhobenen Beweise stellt eine Verletzung des Rechts auf wirksamen Rechtsschutz und auf ein faires Verfahren dar.