Demokratie & Gerechtigkeit

Wie eine Mathematik-Philosophin zur Vorkämpferin für die Rechte von Gefangenen wurde? | Triff unsere Mitglieder

Darf ich vorstellen: Susanna Marietti, eine ehemalige Philosophieprofessorin, die sich für die Rechte von Gefangenen in Italien einsetzt. Als Koordinatorin von Antigone tritt sie im Fernsehen auf, moderiert eine Radiosendung und schreibt ein Kinderbuch.

by Eleanor Brooks

Nachdem wir unser Gespräch für diesen Artikel beendet hatten, musste Susanna Marietti, die nationale Koordinatorin von Antigone, direkt zu einem Fernsehinterview eilen. Nachdem eine Meldung aus den Gefängnissen in den italienischen Medien für Aufsehen gesorgt hatten, war sie innerhalb von 48 Stunden gleich drei Mal im Fersehen.

Antigone ist eine italienische Menschenrechtsorganisation mit Sitz in Rom, die sich für die Rechte von Gefangenen einsetzt und häufig von den Medien aufgefordert wird, zu aufsehenerregenden Fällen Stellung zu nehmen. Susanna lässt sich davon nicht aus der Ruhe bringen. "Dies ist ein heikler Moment, [es] ist immer ein heikler Moment für die Gefängnisse in Italien", sagt sie mir.

Susanna ist studierte Logik- und Mathematikphilosophin und war schon lange ein Fan von Antigone, bevor sie zu unserem Team stieß. Während ihrer Arbeit als Post-Doktorandin und Assistenzprofessorin an der Universität Mailand richtete sie ihren philosophischen Blick auf Antigones revolutionäre Ideen über das Straf- und Strafvollzugssystem. Von ihren bescheidenen Anfängen als Freiwillige hat sie sich die Karriereleiter hochgearbeitet und nie zurückgeblickt.

Einer der Vorfälle, zu dem Susanna im Fernsehen eingeladen wurde, betraf Berichte, dass Wärter junge Gefangene in einer Jugendstrafanstalt grob geschlagen hatten. Nachdem Antigone im Februar ihren halbjährlichen Bericht über die Jugendgerichtsbarkeit veröffentlicht hatte, verfügte sie über die neuesten Statistiken zum Jugendstrafvollzug. Susanna erzählt mir, dass Antigone eine Klage eingereicht hat und beantragen wird, als Klägerin in den Prozess einzutreten, sobald die Verhandlung beginnt.

Es ist nicht das erste Mal, dass Antigone auf das Gefängnis aufmerksam geworden ist. Die 1998 gegründete Beobachtungsstelle Antigone organisiert routinemäßige Besuche in italienischen Gefängnissen, um über die Lebensbedingungen und das Wohlergehen der Gefangenen zu berichten, und besucht jährlich etwa 100 Haftanstalten. Susanna erzählt mir, dass die Beobachter bei Antigones letztem Besuch in dem skandalumwitterten Gefängnis junge Gefangene sahen, die wie betäubt im Bett lagen.

Antigone Observatory bringt Menschenrechtsverletzungen ans Licht

Die Beobachtungsstelle ist ein wichtiger Bestandteil von Antigone's Lobbyarbeit. Die gesammelten Statistiken und Daten bilden die Grundlage für den Jahresbericht von Antigone über das Wohlergehen der Gefangenen. Die regelmäßigen Besuche halten die Gefängnisse auf Trab. Die Gefangenen können sich auch an die Ombudsstelle von Antigone wenden. Wenn individuelle Beschwerden in großem Umfang aufgegriffen werden, führen sie zu systematischen Veränderungen.

Ein routinemäßiger Gefängnisbesuch, der Susanna besonders in Erinnerung geblieben ist, galt einem Gefängnis in Norditalien. Dort fand sie Insassen in einem psychiatrischen Trakt vor, die unter schlimmen Bedingungen lebten: "Ich habe etwas gefunden, was ich wirklich noch nie gesehen habe: Völlig isolierte Menschen, die mit dem Essen auf dem Boden lebten und kein Wort sagen konnten, weil sie unter Drogen standen". Sie schrieb einen Artikel, in dem sie die Schrecken in der italienischen Tageszeitung Fatto Quotidiano beschrieb, in der sie einen Blog schreibt. Es folgte ein Mediensturm, die Gefängnisverwaltung schloss die Abteilung sofort und die Insassen wurden in andere Gefängnisse verlegt.

Antigone interagiert auch direkt mit den Gefangenen, indem sie diese Besuche nutzt, um Beschwerden von Gefangenen anzuhören und sich für ihre direkten Bedürfnisse einzusetzen. Wenn individuelle Beschwerden und Fälle in großem Umfang aufgegriffen werden, führt das zu systemischen Veränderungen.

Strafvollzugsreform stößt auf politischen Widerstand

Reformen im Strafvollzug lassen sich normalerweise nicht so einfach und schnell umsetzen, vor allem nicht im aktuellen politischen Klima. Susanna berichtet, dass frühere Regierungen mehr in die Verbesserung des Strafrechtssystems investiert haben und dass es vor der Pandemie einen sehr ernsthaften Versuch des Justizministers der Demokratischen Partei (PD) gab, umfassende Gesetzesänderungen einzuführen. Als nach einem Regierungswechsel die Fünf-Sterne-Bewegung an die Macht kam, wurden ihre ehrgeizigsten Vorschläge ausgehöhlt, bis sie kaum noch zu erkennen waren.

Zu den Beiträgen von Antigone, die nicht berücksichtigt wurden, gehörte der Vorschlag, die Einzelhaft zu reduzieren - ein Thema, für das sich die Organisation auch heute noch einsetzt. In Zusammenarbeit mit Physicians for Human Rights hat sie letztes Jahr eine internationale Leitlinie zu Alternativen zur Einzelhaft veröffentlicht. Darin werden weniger schädliche Alternativen zur Einzelhaft genannt, z.B. Deeskalationstechniken, die Gefängniswärterinnen und -wärter beim Umgang mit ihren Gefangenen anwenden können.

Alle Hoffnungen auf eine politische Zusammenarbeit wurden mit der Machtübernahme von Melonis Regierung zunichte gemacht, deren ablehnende Haltung gegenüber den Rechten der Gefangenen sich mit dem Motto "Wirf den Schlüssel weg" zusammenfassen lässt. "Wir arbeiten überhaupt nicht mit ihnen zusammen", sagt Susanna, "sie sind sehr rechtsextrem." In dieser Situation des nationalen Umbruchs ist die internationale Solidarität innerhalb der Zivilgesellschaft unerlässlich. Susanna sagt mir, dass die Mitgliedschaft im Liberties-Netzwerk Antigone dabei hilft zu verstehen, was auf europäischer Ebene wirklich passiert, und dass sie eine unschätzbare Quelle der Unterstützung ist.

Eine Alleskönnerin, die voll und ganz in ihrer Arbeit aufgeht

Seit sie Antigone beigetreten ist, hat die Philosophin, die zur nationalen Koordinatorin wurde, ihr Profil weiter geschärft. Neben ihren journalistischen Veröffentlichungen hat Susanna eine Graphic Novel und ein Kinderbuch geschrieben, in denen sie erklärt, wie Gefängnisse funktionieren, und sie moderiert die Antigone-Radiosendung Jailhouse Rock.

Susanna steckt voller Ideen, um das Interesse der Öffentlichkeit an den Rechten der Gefangenen zu wecken, und man merkt ihr die Leidenschaft für ihre Arbeit an: "Ich bin Antigone wirklich treu ergeben. Wenn eine andere Organisation zu mir sagen würde: 'Ich gebe dir mehr Geld', nein, ich würde bei Antigone bleiben".

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