Die Klage wurde Anfang dieses Monats dem Generalstaatsanwalt übergeben und richtet sich gegen den Premierminister und den Justizminister wegen unmenschlicher und erniedrigender Behandlung und unterlassener Hilfeleistung gegenüber gefährdeten Personen.
Die laufenden Streiks des Gefängnispersonals in mehreren Wallonischen und Brüsseler Gefängnissen unterstreichen die katastrophalen Zustände in den Haftanstalten und die anhaltende Untätigkeit der Regierung in Bezug auf diese Frage – die, das muss man zugeben, aus wahltaktischer Sicht nicht wesentlich ist. Denn, wer sorgt sich schon um die Lebensbedingungen der Gefangenen in einer Zeit der Sparpolitik?
Die Regierung kümmert sich jedenfalls nicht darum, und ignoriert systematisch die Warnungen von allen offiziellen nationalen und internationalen Stellen, die das Problem in Angriff genommen haben: wie der föderale Ombudsmann, Bürgermeister, Aufsichts-Komitees, der Zentrale Gefängnis-Aufsichtsrat, der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte und das Europäische Komitee zur Verhütung von Folter (ECPT).
Trotz der vielen detaillierten Fragen, die angesprochen wurden, haben sich der Premierminister und der Justizminister geweigert, dringend notwendige und unerlässliche Maßnahmen zur Beseitigung von unmenschlicher und erniedrigender Behandlung gegenüber Gefangenen in den belgischen Strafanstalten zu ergreifen.
Schickt die Armee
Ein im vergangenen März durch die ECPT veröffentlichter Bericht brachte überwältigende Beweise für die schlechten Lebensbedingungen, mangelhafte Hygiene und Sicherheit im Gefängnis der Stadt Forest an die Öffentlichkeit. Der Streik, der die berechtigten Forderungen des Gefängnispersonals unterstützt, machte die Lage der Häftlinge noch unmenschlicher und erniedrigender als je zuvor.
Belgische Gefängnisbeamte demonstrieren am 17. Mai hinter dem Saint-Gilles Gefängnis, wo Wärterinnen und Wärter seit drei Wochen in Protest gegen Lohnkürzungen und schlechte Arbeitsbedingungen streiken. (REUTERS / Eric Vidal)
In einem Brief vom 11. Mai an alle Mitglieder der Regierung, beschrieb Avocats.be die tragische Situation der Häftlinge des Gefängnisses von Forest: die Häftlinge konnten in den letzten zwei Wochen nur dreimal eine halbe Stunde im Gefängnishof verbringen; sie erhalten keine Besuche; ihre Bettwäsche wird nicht gewechselt; und das Gefängnis ist insgesamt baufällig.
Die einzige konkrete Antwort der Regierung, durch den Justizminister, war es, die Armee ohne vorheriges Training im Gefängnis von Forest und in anderen Strafanstalten einzusetzen. Diese Maßnahme scheint umso fraglicher, da sich herausstellte, dass diese angeblich humanitäre Mission lediglich dazu diente die Gelände zu sichern - in der Tat hatten die Soldaten keinerlei Kontakt mit den Gefangenen.
Die Regierung hat absolut keine Maßnahmen ergriffen, um die Insassen des Gefängnisses von Forest aus dieser kritischen gesundheitlichen und organisatorischen Situation zu befreien und ist deshalb verantwortlich für die unmenschliche und erniedrigende Behandlung der Gefangenen.
Sowohl körperliche, als auch geistige Gesundheit der Gefangenen sind durch die Folgen dieser Vernachlässigung ernsthaft gefährdet.
Politik mit einer "menschlichen Dimension"
Unter Berücksichtigung dieser unerträglichen Umstände und deren Auswirkungen auf die Menschenrechte und den eklatanten Mangel an politischem Willen von Seiten der Regierung, kurzfristige Maßnahmen zu ergreifen, reichte die Belgische Liga für Menschenrechte (LDH) die Klage für unmenschliche und erniedrigende Behandlung gegen die beiden Politiker beim Generalstaatsanwalt ein, sie beruht auf dem Vorwurf der unterlassenen Hilfeleistung.
Die Klage richtet sich gegen Premierminister Charles Michel (L) und Justizminister Koen Geens (R). (REUTERS / Francois Lenoir)
Da alle Rechtsmittel ausgeschöpft sind, bleibt die Strafanzeige das einzig verfügbare Werkzeug für die LDH, um die Regierung mit ihren Verpflichtungen zu konfrontieren. Die Klage richtet sich gegen Premierminister Charles Michel, weil er den Strafanstalten die Sparpolitik auferlegt hat und gegen Justizminister Koen Geens, der bereit war, Maßnahmen durchzusetzen, die auf unterlassene Hilfeleistung gegenüber gefährdeten Personen hinauslaufen.
Die belgische Liga für Menschenrechte erinnert alle Mitglieder der Regierung daran, dass die Arbeitsbedingungen des Gefängnispersonals tief mit den Haftbedingungen und der Achtung der Rechte der Gefangenen verflochten sind. Beide müssen verbessert werden. In diesem Zusammenhang muss die Regierung dringend sowohl politisch als auch finanziell in neue Strafvollzugsrichtlinien mit einer menschlichen Dimension investieren.