EU-Beobachtung

Italiens Regierungskoalition scheint die Justiz zurück ins Mittelalter katapultieren zu wollen

Der Koalitionsvertrag der Fünf-Sterne-Bewegung mit der Lega ist in wesentlichen Punkten alarmierend, warnt der Professor für Rechtssoziologie und Vorsitzende von Antigone Veneto, Giuseppe Mosconi.

by Andrea Li

Beim ersten lesen fällt auf, dass Kapitel 12 des Regierungsplans (oder, wie sie es nennen, "Regierungsvertrag") der Koalition von Fünf Sterne Bewegung mit der Lega zwei wichtige Punkte im Hinblick auf die Justiz besonders hervorzuheben scheint: die Vorstellung, dass durch strengere und "sichere" Strafen bessere Sicherheitsmaßnahmen zu erreichen sind; und die Forderung nach härteren Haftbedingungen, da jeder, der ein Verbrechen begeht, es verdient habe, bestraft zu werden.

Härtere und "sichere" Strafen

Schärfere Strafen werden nicht nur für weit verbreitete kleinere, aber sozial auffällige Delikte (Diebstahl, Überfall, Betrug, Raub) verhängt, sondern auch für Verbrechen wie Sexualdelikte und Umweltdelikte, deren Regulierung durch das Strafrechtssystem von den Opfern selbst als unwirksam bezeichnet wurde; dabei handelt es sich in der Tat um Verbrechen, deren Ursachen mit angemesseneren Mechanismen bekämpft werden sollten.

Vor allem aber hat eine verzerrte Auslegung des Prinzips der "Sicherheit der Bestrafung" die Regierung veranlasst, "diejenigen in der früheren Legislaturperiode erlassenen Bestimmungen zu reformieren, die lediglich darauf abzielen, die Zahl der an Strafverfahren und Strafvollzugsmaßnahmen beteiligten Personen zu senken, was sich negativ auf die kollektive Sicherheit auswirkt".

Im weiteren Verlauf dieses Kapitels findet sich eine abstruse und ungenaue Liste, mit der begründet werden soll, dass Strafen komplett im Gefängnis und ohne jede Form von Alternativen zur Inhaftierung oder Verkürzung abzuleisten seien.

Ein paar Absätze weiter unten wird das Konzept präzisiert, wenn es heißt, dass zur Gewährleistung von "mehr Sicherheit und Schutz für die Bürger" eine "Neufassung des Strafvollzugsgesetzes" notwendig sei.

Insbesondere die "systematische und organische Überprüfung des Systems der Vergünstigungen", um "die Wirksamkeit des Grundsatzes der Umerziehung durch Strafe zu gewährleisten".

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Nur noch Freiheitsstrafen

Daher wird im "Regierungsvertrag" die Aufhebung aller Maßnahmen beschlossen, die kürzlich eingeführt wurden, um das Problem der Überfüllung der Gefängnisse zu lösen, für das Italien vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte wegen unmenschlicher und erniedrigender Haftbedingungen verurteilt wurde. (Maßnahmen, die sich in der Tat als völlig wirkungslos erwiesen haben, da die Zahl der Menschen in den Gefängnissen weiter steigt.)

Doch damit nicht genug, denn in dem Programm wird auch gefordert, alternative Haftmaßnahmen abzuschaffen, die bereits 1975 mit dem Ziel eingeführt wurden, den Menschen die Möglichkeit zur Wiedereingliederung in die Gesellschaft zu geben und zwar in dem Wissen, dass Freiheitsstrafen nicht nur unzureichend, sondern auch kontraproduktiv sind, um dieses Ziel zu erreichen.

In den letzten Jahrzehnten konnte Italien von einem erheblichen Rückgang der Rückfallquote profitieren, mit dem offensichtlichen Ergebnis größerer Sicherheit, denn bei Menschen, die von alternativen Maßnahmen zur Inhaftierung profitieren liegt die Rückfallquote nur bei 70 % der Rückfallquote für Menschen, die ihre Strafe bis zum letzten Tag im Gefängnis verbringen.

Unsere "Innovatoren" wollen also im Widerspruch zu bisherigen Erkenntnissen und gesundem Menschenverstand mehr als 40 Jahre Reformen in diesem Bereich auslöschen und scheinen nur bestrebt, die öffentliche Meinung mit Klischees zu bedienen, um den Konsens zu fördern.

Weil es natürlich offensichtlich ist, dass solche Reformen zu einem dramatischen Anstieg der Häftlingszahlen führen werden, was wiederum zu einer Überbelegung der Gefängnisse führt, gibt es eine einfache Lösung: der Bau neuer Gefängnisse, dabei wird freilich ignoriert, dass der gesamte Raum in diesen Einrichtungen entsprechend dem "Schwammeffekt" schnell gefüllt wird.

Mehr Gefängnisse und härtere Haftbedingungen

Nicht nur eine erhöhte Zahl von Gefängnissen, sondern vor allem härtere Bedingungen in den Gefängnissen, beginnend mit der Aufhebung des offenen Regimes der "dynamischen Überwachung", das Räume für Sozialität geöffnet und die Durchführung von Ausbildungsaktivitäten gefördert hat, führen zu passiven und regressiven Haltungen, wie den ganzen Tag in der Gefängniszelle im Bett liegen, oder der Einnahme großer Mengen von Psychopharmaka, bid hin zu Selbstverletzung.

Hinzu kommt die Schließung der Abschnitte der "abgeschwächten Haft" (die es drogenabhängigen Häftlingen ermöglichen, therapeutische Behandlungen durchzuführen); ein noch härteres und unumkehrbares Regime von "41bis" für die schwersten Verbrechen, das den Grundsatz der Rehabilitation, auf den jeder Häftling gesetzlich Anspruch hat, missachtet.

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Kinder unter 14 Jahren sind immer noch Kriminelle.

Aber zwei wichtige Punkte stoßen besonders bitter auf: die Senkung des Strafmündigkeitsalters unter 14 Jahre und die Verlängerung der Haftzeit für Jugendliche.

Damit werden 30 Jahre Reformen, theoretische Ausarbeitungen und erfolgreiche Versuche einfach verworfen.

Ausweitung des Prinzips der Selbstverteidigung

Das große Finale am findet sich gleich am Anfang des Kapitels mit der Erweiterung des "Rechts auf Selbstverteidigung" mit dem Ziel, die "Elemente der Unsicherheit" zu beseitigen, die sich auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zwischen Verteidigung und Straftat beziehen.

Zu behaupten, es sei berechtigt, wenn ein Fremder es wagt, in meinen Hof zu kommen, ihn zu erschießen (was bedeutet, dass das Prinzip des Eigentums eindeutig höher bewertet wird als ein menschliches Leben), ist gleichbedeutend mit der Förderung einer Kultur, die Rache unterstützt, einer Art von Gerechtigkeit, die die Form einer Vendetta des Staates annimmt, der Idee, dass der Privatmann selbst Gerechtigkeit üben kann, und dem Glauben, dass das einzige, worum es im Strafrechtssystem geht, das Potential der Abschreckung ist.

Man fragt sich, wie eine Regierung, die sich "für den Wandel" auf die Fahnen schreibt und die sich angeblich für den Schutz der von früheren Politiken geschädigten und verarmten Bürgerinnen und Bürgern einsetzt, vorhaben kann, die am meisten gefährdeten und benachteiligten Menschen in der Gesellschaft einer solchen ungesetzlichen Behandlung auszusetzen, einer Behandlung, die typisch ist für vormoderne Gesellschaften.

Wenn der Anwalt Giuseppe Conte der Verteidiger des gesamten italienischen Volkes ist und wenn Präsident Mattarella die Bedeutung der Verfassung bekräftigt, dann sollten sie dies zeigen, indem sie sich zunächst auf die marginalsten Gemeinschaften konzentriert. Wir sollten diesen "Regierungsvertrag" zum Anlass nehmen, zu überdenken, welche Bedeutungen und Werte hinter einem gewünschten Ergebnis stehen.

Dieser Artikel wurde am 14. Juni 2018 in der Zeitung "Il mattino di Padova" erstmals auf Italienisch veröffentlicht und von Andrea Li ins Englische übersetzt.

Klicke hier für den Originaltext

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