Was ist ziviler Ungehorsam? Definition
Farbe auf ein Gemälde von Van Gogh? Kartoffelbrei auf Monet? Die Frage, was solche extremen Aktionen dazu beitragen sollen, die Erderwärmung zu verhindern scheint berechtigt, aber sie gehen auf eine lange Protest-Tradition zurück, die schon in der Geschichte der Bürgerrechtsbewegung eine wichtige Rolle gespielt hat.
Unter zivilem Ungehorsam versteht man einen absichtlichen Gesetzesbruch für ein soziales Ziel. Das Ziel besteht in der Regel darin, Gesetze oder die Politik der Regierung zu ändern. Der amerikanische Philosoph John Rawls definierte zivilen Ungehorsam als "eine öffentliche, gewaltfreie, gewissenhafte und gleichwohl politische Handlung, die gegen das Gesetz verstößt und in der Regel darauf abzielt, eine Änderung des Gesetzes oder der Politik der Regierung herbeizuführen".
Mit dem Begriff "öffentlich" meinte Rawls, dass sich die Protestierenden zu erkennen geben und die Verantwortung für ihr Handeln übernehmen sollten. Indem sie die persönlichen Konsequenzen akzeptieren, zeigen sie ihr Engagement für die soziale Sache. Das wiederum macht es wahrscheinlicher, dass die Allgemeinheit ihre Aktionen unterstützt. Es lässt sich jedoch auch argumentieren, dass Anonymität unverzichtbar sein kann, um die Aktivisten vor unverhältnismäßiger Vergeltung zu schützen.
Der Aspekt der Gewaltlosigkeit ist umstritten. Einige Theoretiker, darunter Rawls, argumentieren, dass Akte des zivilen Ungehorsams nur gewaltfrei sein können. Obwohl grundlose Gewaltakte dem Anliegen schaden können, argumentieren einige, bestimmte Formen der Gewalt seien unter Umständen gerechtfertigt, vor allem dann, wenn es keine andere Wahl gibt.
Akte des zivilen Ungehorsams sollten nicht ausschließlich dem Eigeninteresse einer Person dienen, andernfalls könnte die Legitimität in Frage gestellt werden. Obwohl man argumentieren kann, dass keine Handlung selbstlos ist - die Protestierenden werden auch davon profitieren, mehr Gerechtigkeit zu erreichen - sind sich die meisten Theoretiker einig, dass Gesetzesverstöße nur dann gerechtfertigt sind, wenn der Zweck nicht ausschließlich egozentrisch ist.
Dennoch ist ziviler Ungehorsam eine umstrittene Form des Protests, da er das tägliche Leben unserer Gesellschaft stören kann. Sitzstreiks von Umweltaktivisten auf Autobahnen sind bei Menschen, die auf dem Weg zur Arbeit sind, wenig beliebt. Kritiker/innen werden argumentieren, dass Protestierende unabhängig von ihrem Motiv kein Recht haben, sich über das Gesetz zu stellen. Wenn man die Legitimität zivilen Ungehorsams in Frage stellt, sollte man jedoch bedenken, dass die Organisatoren in der Regel alle anderen Protestformen ausprobiert - und ausgeschöpft - haben. Umweltschützer haben jahrelang darauf hingewiesen, dass wir stärkere Maßnahmen zur Verhinderung des Klimawandels brauchen, und sind damit meist auf taube Ohren gestoßen. Wenn Politikerinnen und Politiker die leiseren Formen des Protests ignorieren, sind die Organisatorinnen und Organisatoren gezwungen, sich kreativere Wege einfallen zu lassen, um die Dringlichkeit ihrer Botschaft zu vermitteln.
Der deutsche Philosoph Jürgen Habermas hat argumentiert, ziviler Ungehorsam sei ein wichtiger Bestandteil einer reifen Demokratie. Die Art und Weise, wie ein Staat seine Bürgerinnen und Bürger behandelt, wenn diese das Gesetz für einen sozialen Zweck brechen, sagt in der Tat viel über seine politische Kultur aus.
In einer gut funktionierenden Demokratie werden Bürgerinnen und Bürger, die zivilen Ungehorsam leisten, oft mit Nachsicht behandelt. Die Urteile fallen weniger hart aus, wenn die Handlungen gewaltfrei, verhältnismäßig und selbstlos waren und auf allgemein akzeptierten Werten beruhten. Die Gerichte verhängen häufig unbedeutende Strafen oder weisen die Anklage sogar komplett zurück. In einer Diktatur hingegen können Aktivisten eingesperrt, gefoltert und sogar ermordet werden.
Was sind die wichtigsten Formen zivilen Ungehorsams?
Es gibt verschiedene Möglichkeiten,Formen des zivilen Ungehorsams zu unterscheiden. Man könnte zum Beispiel den Unterschied zwischen direkten und indirekten Aktionen des zivilen Ungehorsams betrachten. Direkter ziviler Ungehorsam liegt vor, wenn Bürgerinnen und Bürger direkt gegen das Gesetz verstoßen, gegen das sie protestieren. Zum Beispiel, wenn bei Sophokles die Antigone ihren Bruder Polyneikes begräbt und sich damit direkt den Befehlen ihres Onkels, König Kreon, widersetzt. Indirekter ziviler Ungehorsam hingegen liegt vor, wenn man ein gerechtes Gesetz bricht, um gegen ein ungerechtes zu protestieren. Dies geschieht meist dann, wenn es schwieriger oder sogar unmöglich ist, das Gesetz zu brechen. Zum Beispiel, wenn die Aktivisten von Friday for Future die Schulpflicht - ein durchaus gerechtes Gesetz - ignorieren, um für Klimagerechtigkeit auf die Straße zu gehen.
Ein Gesetz zu missachten, um für Fortschritt und soziale Ziele zu kämpfen, kann verschiedene Formen annehmen. Aktivisten können auf verschiedene Taktiken zurückgreifen, um ihr Anliegen auf die politische Tagesordnung zu setzen.
Dazu gehören:
Weitergabe vertraulicher Dokumente: Personen, die Zugang zu vertraulichen Informationen haben, z.B. über Menschenrechtsverletzungen, können sich dazu entschließen, diese an die Presse weiterzugeben. Diese Art des Whistleblowings verstößt mindestens gegen rechtsverbindliche Geheimhaltungsvereinbarungen und in extremen Fällen gegen Spionagegesetze.
Ungenehmigte Demonstrationen: In den meisten Ländern müssen die Organisatoren von Demonstrationen, Märschen oder Kundgebungen diese bei den Behörden anmelden. Dafür gibt es gute Gründe: Die Behörden müssen gewährleisten, dass die Versammlung sicher ist und auch dafür sorgen, dass die Veranstaltung nicht zu unangemessenen Störungen führt. Manchmal lassen die Behörden aber Demonstrationen oder Versammlungen grundsätzlich gar nicht zu. Das passiert meist in illiberalen, autokratischen Regimen. Hier haben die Bürger keine andere Wahl, als "illegale" Demonstrationen zu organisieren.
Sitzblockaden und Straßenblockaden: Diese Taktik wird eingesetzt, um Chaos zu verursachen und auf ein bestimmtes Anliegen aufmerksam zu machen. Sie wird oft von Klimaaktivisten eingesetzt. Straßenblockaden können auch dazu dienen, den Zugang zu kritischer Infrastruktur zu behindern.
Besetzungen: Bürgerinnen und Bürger können Protestbesetzungen als Strategie nutzen, um einen sozialen Wandel zu erreichen. Sie besetzen Gebäude, Universitäten, Bahnhöfe, Parks und andere öffentliche Plätze, um auf ihr Anliegen aufmerksam zu machen. Diese Art des zivilen Ungehorsams wird oft für illegal erklärt, wenn die Protestierenden den Raum über einen längeren Zeitraum besetzen.
Beispiele für zivilen Ungehorsam und ihre Wirkung
Im Laufe der Geschichte haben Bürgerinnen und Bürger immer wieder Gesetze gebrochen, um soziale Veränderungen zu bewirken. Einigen gelang es, unterdrückerische Regime zu stürzen, andere konnten einen politischen Wandel erreichen. Von der Pro-Demokratie-Bewegung bis zur Bewegung für Klimagerechtigkeit sind Aktivisten viele Risiken eingegangen, um die Gesellschaft zum Besseren zu verändern. Liberties hat 12 Beispiele für zivilen Ungehorsam ausgewählt, die sich auf unsere Gesellschaft ausgewirkt haben. Sie unterscheiden sich in Bezug auf die angewandten Methoden, den geografischen Ort und den Zeitraum sowie die Gründe für die Aktionen. Es folgt eine Liste in chronologischer Reihenfolge.
Henry David Thoreau
Henry David Thoreau war ein amerikanischer Autor und Philosoph aus dem 19. Jahrhundert. Eines seiner bekanntesten Werke ist sein Essay "Civil Disobedience" (Deutscher Titel: Über die Pflicht zum Ungehorsam gegen den Staat), in dem er argumentiert, dass der Einzelne die moralische Pflicht hat, sich gegen ungerechte Gesetze zu wehren. Thoreau selbst war ein starker Befürworter der Abschaffung der Sklaverei. Außerdem verurteilte er die Auslöschung der amerikanischen Ureinwohner und den amerikanischen Krieg gegen Mexiko (1846-1848). Aus Protest gegen diese Ungerechtigkeiten, weigerte sich Thoreau, Steuern zu zahlen. Er spielte auch eine aktive Rolle in der Underground Railroad, einem Netzwerk von geheimen Fluchtwegen für versklavte Afroamerikaner.
Der Salzmarsch von Mahatma Gandhi
Als einer der berühmtesten und wirkungsvollsten Akte des zivilen Ungehorsams gilt sicherlich der Salzmarsch von Mahatma Gandhi. Gandhi war ein indischer Rechtsanwalt, der sich für die Unabhängigkeit von der britischen Kolonialherrschaft einsetzte. Er war ein Verfechter des gewaltlosen Widerstands, für den er den Begriff Satyagraha wählte. Der Salzmarsch war eine symbolische Aktion, um gegen die von der britischen Herrschaft auf indisches Salz erhobene Steuer und das Salzgesetz zu protestieren, das den Indern verbot, selbst Salz zu produzieren. Stattdessen mussten sie britisches Salz kaufen, das eine große Einnahmequelle für das britische Imperium darstellte. Gandhi begann seinen Marsch am 12. März 1930 mit 78 engagierten Freiwilligen. Über 385 Kilometer bis zum Meer schlossen sich mehr und mehr Menschen aus den Dörfern und Städten dem Marsch an. Begleitet von der internationalen Presse erreichten sie nach 24 Tagen ihr Ziel. Am letzten Tag nahm Gandhi ein Bad im Meer und sammelte Salz, um den Indern zu zeigen, dass sie Salz umsonst bekommen können. Millionen folgten ihm und stellten Schüsseln mit Salzwasser in die Sonne, damit das Wasser verdunstete und sie das kostenlose Salz sammeln konnten. Gandhi und Tausende seiner Anhänger wurden verhaftet. Der Salzmarsch hatte zwar keine unmittelbare Wirkung, aber er führte zu weiteren Aktionen zivilen Ungehorsams und bildete die Grundlage für die indische Unabhängigkeitsbewegung.
Die britische Suffragettenbewegung
Die Bewegung der Suffragetten nahm ihren Anfang in der viktorianischen Ära. Damals wurde von Frauen erwartet, dass sie ihr Leben dem Haus und der Familie widmeten. Sobald eine Frau verheiratet war, wurde sie zum Eigentum ihres Mannes. Die Rechte der Frauen in der Gesellschaft waren extrem eingeschränkt. 1903 gründeten die Aktivistin Emmeline Pankhurst und andere die Women's Social and Political Union (WSPU), eine politische Bewegung nur für Frauen. Die Mitglieder der WSPU waren fest entschlossen, das Wahlrecht zu erlangen. Frustriert von der mangelnden Wirkung friedlicher Taktiken, begannen sie mit militanteren Aktionen. Im September 1908 organisierten die Anführerinnen der WSPU einen Sturm auf das Parlament. Sie verteilten Flugblätter, um die Öffentlichkeit zu ermutigen, sich ihnen anzuschließen. Trotz der Verhaftung von Pankhurst und anderen Anführerinnen versammelten sich am 13. Oktober 1908 60.000 Menschen, um das Parlament zu stürmen, aber es gelang niemandem, die Polizeiabsperrung zu durchbrechen. Die WSPU setzte ihre militanten Aktionen fort. Sie organisierte Demonstrationen, griff Eigentum an und setzte öffentliche Gebäude in Brand. Sie führten auch Hungerstreiks in den Gefängnissen durch und die Zwangsernährung, der einige von ihnen unterworfen wurden, gelangte zu trauriger Berühmtheit. Mit diesen Taktiken erlangten die Aktivistinnen eine Menge Aufmerksamkeit. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde das Wahlsystem dahingehend reformiert, dass Frauen, die über 30 Jahre alt waren und bestimmte Vermögensvoraussetzungen erfüllten, das Wahlrecht erhielten. Es dauerte weitere zehn Jahre, bis Frauen die Gleichberechtigung bei den Wahlen erreichten.
Rosa Parks und der Montgomery-Busboykott
Rosa Parks war eine afroamerikanische Bürgerrechtsaktivistin, die gegen die Rassentrennung, speziel gegen die sogenannten Jim Crow-Gesetze, kämpfte. Am 1. Dezember 1955 weigerte sich Parks in Montgomery, Alabama ihren Sitzplatz in einem städtischen Linienbus einem weißen Fahrgast zu überlassen. Parks wurde verhaftet, aber noch am selben Tag von Edgar Nixon, dem damaligen Präsidenten der National Association for the Advancement of Colored People (NAACP), einer Bürgerrechtsorganisation, die sich für soziale Gerechtigkeit für Afroamerikaner/innen einsetzt, auf Kaution rausgeholt. Parks Widerstand inspirierte die Montgomery-Busboykott-Kampagne, bei der sich Afroamerikaner/innen weigerten, mit den Bussen in Montgomery zu fahren. Der Protest führte zu dem Urteil Browder v. Gayle, in dem ein Bezirksgericht entschied, dass die Rassentrennung im Bus verfassungswidrig ist. Der Staat und die Stadt legten Berufung ein, aber der Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten bestätigte später die Entscheidung.
Nelson Mandelas Kampf gegen die Apartheid
Nelson Mandela war ein südafrikanischer Rechtsanwalt und der berühmteste Anti-Apartheid-Aktivist des zwanzigsten Jahrhunderts. Nach seinem Studium schloss er sich der südafrikanischen Anti-Apartheid-Partei African National Congress (ANC) an. Mandelas Engagement und seine Führungsrolle bei Protesten und Kampagnen des zivilen Ungehorsams machten ihn zu einer Bedrohung für die Regierungspartei. 1961, als gewaltlose Proteste ins Leere liefen, war er Mitbegründer des paramilitärischen Flügels des ANC und leitete eine Sabotagekampagne gegen die Regierung. Dabei bombardierte er unter anderem Militäreinrichtungen und Kraftwerke. Mandela rechtfertigte seine Aktionen damit, dass diese Art der Sabotage die am wenigsten schädliche Form des gewaltsamen zivilen Ungehorsams sei, weildabei niemand getötet werde. Am 12. Juni 1964 wurde Mandela zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Er verbrachte 27 Jahre im Gefängnis, die ersten 17 davon auf Robben Island. Mandela wurde schließlich 1990 freigelassen und begann eine friedliche Kampagne für das Ende der Apartheid. Er führte erfolgreich die Verhandlungen mit der Regierung zur Abschaffung der Apartheid und wurde 1994 zum Präsidenten Südafrikas gewählt.
Muhammad Alis Verweigerung der Wehrpflicht
Muhammad Ali, einer der größten Boxer aller Zeiten, war auch ein einflussreicher Aktivist gegen den Krieg und für Rassengerechtigkeit. Im Jahr 1966 weigerte er sich, zum Militär eingezogen zu werden und im Vietnamkrieg zu kämpfen. Ali, der zuvor zum Islam konvertiert war argumentierte, der Krieg verstoße gegen seine religiösen Überzeugungen und seine persönliche Ethik. Er wurde 1967 verhaftet und der Wehrdienstverweigerung für schuldig befunden. Er wurde zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt, seine Boxlizenz wurde ausgesetzt und er verlor seine Boxer-Titel. Ali legte gegen das Urteil Berufung ein und der Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten hob seine Verurteilung vier Jahre später auf. Während dieser Zeit blieb Ali auf Kaution frei. Seine Weigerung, zum Militär eingezogen zu werden, und seine offenen Worte gegen Krieg und Rassismus machten ihn zu einer Ikone der Bürgerrechtsbewegung.
Occupy Wall Street
Die Protestbewegung Occupy Wall Street ist im Jahr 2011 in New York City entstanden. Der erste Protest begann mit einem Aufruf des kanadischen Anti-Konsum-Magazins Adbusters. Die Idee war, einen friedlichen Protest gegen soziale Ungleichheit und den Einfluss großer Konzerne auf die Politik zu veranstalten. Die Idee war, friedlich gegen soziale Ungleichheit und den Einfluss großer Konzerne auf die Politik zu protestieren. Die Tatsache, dass viele der Verantwortlichen für die Finanzkrise von 2007-2008 nicht zur Rechenschaft gezogen wurden, sorgte für Unzufriedenheit und Wut. Am 17. September 2011 versammelten sich Tausende von Occupiers im Zuccotti Park in New York City. Sie schlugen Zelte auf, bauten Barrikaden, veranstalteten Märsche und erregten weltweites Medieninteresse. Zwei Monate später, am 15. November, begannen Polizisten in Kampfmontur damit, die Demonstranten zu räumen und verhafteten etwa 200 Menschen. Inzwischen war die Bewegung jedoch weit über Zuccotti hinausgewachsen und hatte Proteste in der ganzen Welt ausgelöst. Von Lateinamerika bis Europa, dem Nahen Osten und Asien engagierte die Occupy-Bewegung die Bürgerinnen und Bürger und setzte das Thema der wirtschaftlichen Ungleichheit auf die politische Tagesordnung.
Pussy Riot gegen Putin und die Unterdrückung durch die orthodoxe Kirche
Pussy Riot ist ein russisches Punk-Künstler-Kollektiv, das für Menschenrechte und bürgerliche Freiheiten kämpft. Im Jahr 2012 betraten fünf ihrer Mitglieder die Christ-Erlöser-Kathedrale in Moskau und trugen ein Lied vor, das sich gegen das Regime von Präsident Wladimir Putin und die orthodoxe Kirche richtete. Die Gruppe wurde daraufhin strafrechtlich verfolgt und einige ihrer Mitglieder kamen ins Gefängnis, wodurch es die Gruppe endgültig zu weltweiter Berühmtheit brachte. Ihre Guerilla-Aktionen, wie die Invasion des Spielfeldes bei der Fußballweltmeisterschaft 2018, haben Pussy Riot zu einem weltweiten Phänomen gemacht. Von Politikern über Künstler bis hin zu Menschenrechtsorganisationen, die Gruppe genießt international große Unterstützung. Pussy Riot setzt sich insbesondere für die Rechte von Frauen und LGBTQI+ ein. Generell lehnen sie den Autoritarismus ab und setzen sich für gesellschaftspolitische Veränderungen ein. Die Aktionen von Pussy Riot haben nicht dazu geführt, dass die Politik der russischen Regierung menschenrechtsfreundlicher geworden ist, trotzdem hat es die Gruppe geschafft, das weltweite Bewusstsein für soziale Ungerechtigkeit zu schärfen und die Menschen zu inspirieren, aufzustehen und gegen Unterdrückung zu kämpfen.
Edward Snowden
Whistleblower spielen eine entscheidende Rolle, wenn es darum geht illegale oder unethische Machenschaften aufzudecken. Einer der bekanntesten Whistleblower ist Edward Snowden, der für die amerikanische Sicherheitsbehörde NSA arbeitete. Im Jahr 2013 gab er geheime Informationen an die Öffentlichkeit weiter, die globale Überwachungsprogramme der NSA enthüllten. Die NSA spionierte nicht nur die eigenen Bürgerinnen und Bürger aus, sondern sammelte auch Daten über Unternehmen und ausländische Politiker, darunter Bundeskanzlerin Angela Merkel. Die Enthüllungen lösten eine weltweite Diskussion über staatliche Überwachung und das Recht auf Privatsphäre aus. Die Tech-Industrie entwickelte neue Produkte, die sich mit dem Thema Datenschutz befassen. Da er in seiner Heimat mit einer Anklage rechnen musste, verließ Snowden die USA und zog nach Russland.
Besetzung des Hambacher Forst 2012-2020
Klimaaktivisten greifen regelmäßig zu Aktionen des zivilen Ungehorsams, um auf ihr Anliegen aufmerksam zu machen. In Deutschland blockierten Umweltschützer die Kohle-Infrastruktur, um jahrhundertealte Bäume zu schützen. Sie besetzten den Hambacher Forst, den die RWE AG für ihren Kohleabbau abholzen wollte. Die Besetzung begann im Jahr 2012 und dauerte, mit einigen Unterbrechungen, bis 2020, als die Polizei das Gebiet räumte und Aktivist/innen festnahm. Mehrere Demonstrant/innen wurden zu kurzen Haftstrafen verurteilt. In vielen Fällen wurde die Polizei beschuldigt, rechtswidrige Gewalt gegen friedliche Demonstranten angewendet zu haben. Ein Journalist stürzte von einem Baumhaus und starb, als die Polizei Aktivist/innen zwang, das Gebiet zu räumen. Im Jahr 2020 erklärte sich die deutsche Regierung schließlich bereit, den Wald zu erhalten.
Die Revolution des Volkes: Sudan 2019
Die sudanesische Revolution begann im Dezember 2018 als Reaktion auf die steigenden Lebenshaltungskosten und die zunehmende Armut. In mehreren Städten des Landes brachen Proteste aus, bei denen der Rücktritt von Präsident Omar al-Bashir gefordert wurde. Die Protestierenden waren friedlich und gut organisiert. Die Beteiligung von Frauen, die während des Regimes von al-Bashir besonders unterdrückt wurden, war hoch. Al-Bashir wurde schließlich am 11. April durch einen Militärputsch gestürzt und durch den Militärischen Übergangsrat (Transitional Military Council, TMC) ersetzt. Die Menschen forderten jedoch eine zivile Regierung und die Proteste gingen weiter. Die Spannungen nahmen zu und gipfelten schließlich in dem Massaker von Khartum, bei dem das sudanesische Militär Hunderte von Demonstranten tötete, vergewaltigte und verletzte. Diese Tragödie führte landesweit zu Kampagnen des zivilen Ungehorsams. Gewerkschaften und zivilgesellschaftliche Organisationen riefen zu gewaltfreiem Widerstand auf. Im ganzen Land wurden wichtige Infrastruktur Einrichtungen blockiert. Öffentliche Verkehrsmittel, medizinische Zentren, Schulen und Banken wurden geschlossen. Strom, Heizung sowie Öl- und Gasstationen wurden lahmgelegt. Die anschließenden Verhandlungen zwischen dem Militär und den zivilen politischen Kräften führten im August 2019 zur Unterzeichnung eines Verfassungsdokuments. Darin wurde eine Übergangszeit festgelegt, in welcher der Sudan zu einer zivilen Demokratie zurückkehren sollte. Ein weiterer Militärputsch im Oktober 2021 zerstörte jedoch die Hoffnungen auf eine demokratische Zukunft. Seitdem dauert der Widerstand der Zivilbevölkerung gegen die Militärherrschaft weiter an.
Iran "Mahsa Amini" Proteste 2022
Die Proteste des Jahres 2022 im Iran begannen mit dem Tod der 22-jährigen Mahsa Amini. Sie wurde am 13. September 2022 von der iranischen Sittenpolizei verhaftet, weil sie gegen das Hijab-Gesetz verstoßen hatte. Sie wurde in Gewahrsam genommen, brutal zusammengeschlagen und starb drei Tage später im Krankenhaus. Nach ihrem Tod brachen im ganzen Land Proteste aus. Die Menschen forderten Gerechtigkeit für Amini und ein Ende der Hidschab-Pflicht. Die Proteste wurden hauptsächlich von Frauen angeführt. Sie widersetzten sich den Gesetzen des Landes, indem sie ihren Hidschab in der Öffentlichkeit verbrannten und ihre Haare schnitten. Bilder iranischer Frauen, die auf der Straße tanzten, verbreiteten sich schnell im Internet, obwohl die Regierung das Netz abgeschaltet hatte. Seit 2017 finden im Iran Massenproteste gegen die Regierung und ihre Wirtschaftspolitik statt. Im Gegensatz zu früheren Protesten beteiligten sich am Mahsa-Amini-Protest jedoch Menschen aus allen Schichten und forderten ein Ende des theokratischen Regimes des Obersten Führers Ali Khamenei. Die Regierung reagierte mit Gewalt auf die von den Aktivisten organisierten Märsche und Straßenblockaden. Die Polizeikräfte gingen hart gegen die Demonstranten vor, verprügelten und verhafteten Tausende von Bürgern und töteten Hunderte. Regierungen auf der ganzen Welt haben das brutale Vorgehen der Polizei verurteilt, aber bisher nicht mehr getan, als Sanktionen gegen die Moralpolizei und die iranischen Sicherheitsorganisationen zu verhängen. Der Ausgang der Proteste ist noch ungewiss.
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