Mit der einstweiligen Verfügung gegen die Veröffentlichung der ersten Ausgabe des Magazins Médor bewertet das Gericht private wirtschaftliche Interessen höher, als das Recht der Bürger auf Information. Es steht damit in direktem Widerspruch zur belgischen Verfassung und zur Europäischen Menschenrechtskonvention.
Am 18. November stimmte der Vorsitzende des Gerichts von Namur in erster Instanz dem Antrag von Mithra Pharmaceuticals zu und verbot mit sofortiger Wirkung und unter Androhung einer astronomischen Geldstrafe die Veröffentlichung des Magazins Médor.
Private Interessen an der Macht
Der Antrag von Mithra bezog sich auf ein Verbot der Veröffentlichung der Ergebnisse einer Recherche des Magazins über mögliche Unregelmäßigkeiten im Verhältnis zwischen dem wallonischen Pharmaunternehmen und öffentlichen Behörden. Dieses Thema ist, selbstredend, von großem öffentlichem Interesse.
In einem Fall ohne vorhergehendes Widerspruchsverfahren, was in Belgien äußerst selten vorkommt, legitimierte der Richter dieses Eindringen privatwirtschaftlicher Interessen in das Recht der Bürger auf Information. Diese einseitige Entscheidung gefährdet die Informationsfreiheit. Die rechtliche Basis dieser Zensurmaßnahme ist mehr als fragwürdig.
Ein fehlerhaftes Urteil
Tatsächlich hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte 2011 in RTBF v. Belgium geurteilt, dass die rechtliche Grundlage der Begründung der Zensur von Pressematerial in Belgien, insbesondere die Artikel 18, 19, 584 und 1039 des Strafgesetzbuchs und Artikel 1382 aus dem Zivilrecht, nicht als "spezifisch rechtliche Texte" zu betrachten ist, der Priorität gegenüber dem, durch die Europäische Menschenrechtskonvention geschützten, Recht auf freie Meinungsäußerung eingeräumt werden könne.
Die Entscheidung des Gerichts von Namour muss sowohl als Verletzung der Belgischen Verfassung (Artikel 19, Recht auf freie Meinungsäußerung und Artikel 25, Pressefreiheit) als auch als Verstoß gegen die Europäische Menschenrechtskonvention betrachtet werden.
Die League of Human Rights (LDH) möchte bei dieser Gelegenheit wiederholen, dass die Freie Meinungsäußerung und die Pressefreiheit zwei Grundpfeiler der Rechtsstaatlichkeit darstellen.
LDH ist der Überzeugung, dass sich diese Grundrechte im Verlauf zukünftiger mündlicher Verhandlungen und Erörterungen gegenüber den Einzelinteressen eines Privatunternehmens durchsetzen werden und das Médor schon bald die Ergebnisse seiner Recherchen wird veröffentlichen können.