Die erste Lesung des Gesetzentwurfes fand am 19. Mai im Sejm, dem Unterhaus des polnischen Parlaments, statt. Die polnische Helsinki Foundation for Human Rights hat in Bezug auf mehrere vorgeschlagenen Änderungen eine kritische Stellungnahme zu dem Gesetzentwurf veröffentlicht.
Obwohl die Regierung versprach, eine öffentliche Debatte zu eröffnen, wurde das Gesetz nicht nur nicht diskutiert, sondern ganz im Gegenteil mehrere Monate lang geheim gehalten.
"Diese Entscheidung steht in keinem Verhältnis zu der Wichtigkeit des Gesetzes, dessen Sinn darin besteht, die öffentliche Sicherheit zu garantieren. Zur Gewährleistung eines solch fundamentalen Wertes, sollte eine breite Diskussion stattfinden“, sagt die Autorin der Stellungname, Barbara Grabowska - Moroz.
Obskure Terrorismus-Definition
Die Helsinki Foundation for Human Rights kritisiert die Definition von "einem Terrorakt" in dem Entwurf. Ein in dem Entwurf enthaltener Katalog terroristischer Handlungen wurde unter Verwendung diskriminierender Kriterien zusammengestellt und konzentriert sich auf den Extremismus von nur einer religiösen Gruppe.
Zur Bekämpfung von Terrorismus oder doch eher von Ausländern im Allgemeinen?
Ein beunruhigender Teil des Gesetzes sind die Regelungen für Ausländer, die einer operativen Überwachung durch die Strafverfolgungsbehörden unterliegen. Nach dem Gesetzentwurf könnte eine solche Überwachung 3 Monate dauern und bedürfte lediglich der Zustimmung des Generalstaatsanwalts. Eine richterliche Erlaubnis wäre nicht erforderlich.
Agenten der polnischen Agentur für Innere Sicherheit (ABW), die einen Mann unter dem Verdacht der Spionage festnehmen. Die Kompetenzen des ABW sollen nach dem vorgeschlagenen Terrorismusgesetz stark erweitert werden. (REUTERS / Kacper Pempel)
Webseiten-Blockierung
Ein Vorschlag, Webseiten zu sperren, steht im Widerspruch zu Normen in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in Bezug auf die Meinungsfreiheit. Insbesondere schützt das Gesetz nicht ausreichend vor Willkür der Behörden.
Die Hauptprobleme sind das Fehlen einer wirksamen gerichtlichen Aufsicht über die Polizei und die fehlende Möglichkeit, eine Beschwerde gegen eine Sperr-Entscheidung an anderer Stelle als beim Leiter der Agentur für Innere Sicherheit und der Generalstaatsanwaltschaft vorzubringen.
Agentur für Innere Sicherheit kennt alle
Der Gesetzentwurf führt enorme rechtliche Einschränkungen der Privatsphäre ein, indem er der Agentur für Innere Sicherheit (ABW) Zugang zu den Registern und Datenbanken anderer Kräfte gewährt. Dazu gehören zum Beispiel Daten der Sozialversicherungsanstalt (ZUS), der Landwirtschaftlichen Versicherungsanstalt (KRUS), der Finanzaufsichtsbehörde (Komisja Nadzoru Finansowego) sowie lokaler Behörden.
Die ABW würde Zugriff auf Bilder von, in sozialen Einrichtungen, auf öffentlichen Straßen und an anderen öffentlichen Räumen platzierten Überwachungskamerasystemen erhalten.
14-Tage-Haft und nächtliche Razzien
Der Gesetzentwurf sieht vor, den Sicherheitskräften das Recht zu gewähren, Razzien in der Nacht durchzuführen und zwar Beispielsweise in allen Wohnräumen eines Bezirks. Ausreichende Rechtfertigung hierfür wäre der begründete Verdacht, dass sich ein Verdächtiger in der Gegend aufhalten könnte.
Der Gesetzentwurf würde polnische Polizeikräften ermächtigen, nächtliche Razzien durchzuführen und verdächtige Personen für bis zu zwei Wochen festzuhalten. (REUTERS / Kacper Pempel)
Weiterhin kritisiert werden muss das neue Recht der Sicherheitskräfte, jeden vorübergehend für 14 Tage festzunehmen, wenn der Verdacht besteht, dass eine terroristische Straftat begangen wurde.
In einem solchen Fall gibt es kein reguläres Verfahren der Verwendung von Präventionsmaßnahmen. Die Strafverfolgungsbehörden müssten nicht einmal beweisen, dass die Festgenommenen wahrscheinlich die Verbrechen begangen haben, deren sie beschuldigt werden.
"Unglücklicherweise ignoriert der Gesetzentwurf die bestehende Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und des Verfassungsgerichts. Das Fehlen einer offenen Debatte, das außerordentlich übereilte Verfahren und die extremen Verletzungen der bürgerlichen Rechte und Freiheiten bedeutet, dass der Entwurf deutlich überarbeitet werden muss", sagt Barbara Grabowska-Moroz.