Die Regierung Belgiens hat bekannt gegeben, dass es zukünftig unangemeldete Hausbesuche bei Arbeitslosen geben wird. Darüber hinaus wurde die Auswertung von Daten zum Energieverbrauch autorisiert, um so "häuslichen Sozialbetrug" zu bekämpfen.
Dieser Rückschritt ersetzt die alte Regelung, nach der Behörden verpflichtet waren, Sozialhilfeempfänger wenigstens 10 Tage im Voraus über Inspektionsbesuche zu informieren. Auch diese Regelung war nicht unumstritten. Viele Betroffene gaben an, dass bei solchen Hausbesuchen häufig übergriffige Fragen gestellt wurden. Trotzdem war die Privatsphäre der Betroffenen wenigstens zu einem gewissen Maße geschützt.
Die Finanzkrise ist schon wieder Schnee von gestern, doch während diese Krise eigentlich den Rechtfertigungsdruck für Arbeitssuchende senken sollte, wird von Regierungsseite immer mehr von der wachsenden Zahl der Bürger in prekären Lebenssituationen verlangt.
Arbeitslose werden stigmatisiert
Arbeitslosigkeit wird als selbstverschuldet dargestellt. Mehr noch, den Arbeitslosen wird eine Hauptverantwortlichkeit an der Finanzkrise und ihren Konsequenzen für den Staatshaushalt angedichtet. Arbeitslose werden als Profiteure und potentielle Betrüger dargestellt.
Dieser Umgang mit den Opfern der Krise ist unfair und stigmatisierend. Die Neuregelung der Kontrollbesuche ist unangemessen und verletzt das Recht auf Privatsphäre der Betroffenen, und das obwohl das belgische Arbeitsamt zugibt, dass die alte Regelung der Kontrollen bislang ausreichend gewesen sei.
Man kommt also nicht umhin festzustellen, dass es immer wieder die gleichen sozioökonomischen Bevölkerungsschichten sind, deren Grundrechte verletzt werden.
Die jetzt eingeführte Auswertung des Energieverbrauchs von Privathaushalten, muss als neuer und äußerst gefährlicher Schritt in Richtung Ausspähung des Privatlebens der Bürger durch den Staat gewertet werden.
Grobe soziale Ungerechtigkeit
Wie bereits das "Centre d’Appui SocialEnergie de la Fédération des Services Sociaux" in seiner Pressemitteilung vom 4. Mai 2015 feststellte, muss die Verwendung von Energieverbrauchsdaten grundsätzlich abgelehnt werden. Es kann kein durchschnittlicher Verbrauchsstandard festgesetzt werden, welcher den Vergleich zu "verdächtigen" Verbrauchswerten erlauben soll. Den Energieverbrauch von Arbeitssuchenden zu erfassen, kann nur stigmatisierend und diskriminierend sein. […] Eine solche öffentliche Nutzung privater Daten ist nicht mit geltendem Recht zu vereinbaren.
Die belgische Menschenrechtsorganisation "ligue des droits de l'homme" (LDH) teilt diese Einschätzung
und merkt an, dass auch wenn das Vorgehen gegen Sozialbetrug an sich ein legitimes Anliegen sei, es doch nicht zu einer Entschuldigung für die Verletzung fundamentaler Bürgerrechte werden kann. Darüber hinaus wird diese Legitimität durch die grobe soziale Ungerechtigkeit in Frage gestellt, welche sich in der Untätigkeit des Staates in Bezug auf den notorischen und schwindelerregend hohen Steuerbetrug gewisser ökonomischer und finanzieller Akteure ausdrückt.
Schließlich wiederholt die LDH erneut ihre Forderung, den Status von gemeinsam in einem Haushalt lebenden unberücksichtigt zu lassen und somit die Ansprüche der Betroffenen zu individualisieren. Diese Individualisierung würde verhindern, dass emotionale und familiäre Beziehungen einen Einfluss auf die Höhe der Sozialleistungen haben.