Ein deutsches Amtsgericht hat die Europäische Flugastdaten-Richtlinie (PNR-Richtlinie) dem Gerichtshof der Europäischen Union (EUGH) vorgelegt. Dies ist ein wichtiges Zwischenziel im Kampf gegen die massenhafte Verarbeitung von Fluggastdaten. Die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) ist Initiatorin des Verfahrens und geht gegen die PNR-Richtlinie mit einer Reihe strategischer Klagen vor.
Laut PNR-Richtlinie (engl. Passenger Name Record, PNR) müssen die EU-Mitgliedstaaten Fluggesellschaften seit Mai 2018 dazu verpflichten, Daten zu ihren Gästen an staatliche Stellen weiterzuleiten. Die PNR-Datensätze enthalten höchst persönliche Informationen. So werden die persönlichen Daten aller Menschen, die in Europa einen internationalen Flug antreten, zentral gespeichert und analysiert.
Massenüberwachung von Fluggästen
Die GFF sieht in der PNR-Richtlinie eine Verletzung der Grundrechte auf Schutz der persönlichen Daten und auf Achtung des Privat- und Familienlebens. Die PNR-Richtlinie (Richtlinie 2016/681) verpflichtet die Airlines dazu, Fluggastdaten automatisch an staatliche Behörden weiterzuleiten. Die Datensätze enthalten eine Vielzahl sensibler Informationen, darunter das Geburtsdatum, die Namen der Begleitpersonen, die zum Kauf des Flugtickets verwendeten Zahlungsmittel sowie ein nicht näher definiertes Freitextfeld, das die Fluggesellschaft selbstständig füllt.
Die Daten werden meist bei Polizeibehörden zusammengeführt. In Deutschland ist es das Bundeskriminalamt, welches die PNR-Daten speichert und plant, diese mit sogenannten „Mustern“ abzugleichen, welche das Flugverhalten bekannter Straftäter*innen beschreiben. Dadurch muss jede Person, deren Profil rein zufällig verdächtig erscheint, mit verstärkten polizeilichen Kontrollen oder gar Festnahmen rechnen. Denn die Fehlerquoten der Algorithmen werden beträchtlich sein.
Strategische Prozessführung bis zum höchsten europäischen Gericht
2019 initiierte die GFF gemeinsam mit epicenter.works eine Reihe von Klagen gegen die PNR-Richtlinie vor deutschen und österreichischen Gerichten. Ziel ist es, die PNR-Richtlinie vor das höchste europäische Gericht zu bringen. Da gegen die Richtlinie nicht direkt vor dem EUGH geklagt werden kann, sind die Klagen strategisch darauf ausgerichtet, dass nationale Gerichte den Fall dem EUGH vorlegen. So unterstützt die GFF in Deutschland mehrere Personen bei Klagen gegen die Deutsche Lufthansa AG, welche ihre Daten an das Bundeskriminalamt weiterleitet.
Am 20. Januar 2020 legte das Amtsgericht Köln dem EUGH nun die Frage vor, ob die PNR-Richtlinie europäische Grundrechte verletzt. Vor dem Kölner Gericht hatten mit Unterstützung der GFF mehrere Personen geklagt, nämlich die niederländische Parlamentsabgeordnete Kathalijne Buitenweg sowie aus Deutschland die Netzaktivistin Kübra Gümüşay und die Rechtsanwältin Franziska Nedelmann.
Der deutsche Fall ist dabei Teil einer europaweiten Bewegung: Auch das belgische Verfassungsgericht hat das dortige Gesetz, welches die PNR-Richtlinie umsetzt, dem EUGH vorgelegt. Bereits mehrere nationale Gerichte sind zu dem Schluss gekommen, dass die Richtlinie nicht mit der Charta der Grundrechte der Europäischen Union vereinbar ist. Zudem befand der EUGH bereits 2017 in einem Gutachten ein ähnliche Form der Fluggastdatenspeicherung in einem Abkommen zwischen EU und Kanada für grundrechtswidrig. Nachdem die PNR-Richtlinie dem EUGH nun von mehreren Seiten vorgelegt wurde, könnte die massenhafte Verarbeitung von Passagierdaten in der EU zu einem Ende kommen.
Die Grundförderung für dieses Projekt stellt der Digital Freedom Fund.
Weitere Informationen zur NoPNR Kampagne finden Sie unter www.nopnr.eu.