n Rumänien trat im Juni ein neues Gesetz in Kraft, welches die Organisation und den Betrieb von Glücksspielseiten im Internet regelt. Durch das neue Gesetz übernahm das nationale Amt für Glücksspiel (ONJN) die Aufgabe der Steuerung der Internet-Zensur und kann jetzt bestimmen, welche Webseiten in Rumänien zugänglich sind. Das am 12. Juni verabschiedete Gesetz 124/2015 sieht vor:
"[...] Die Anbieter von Netzwerken und Diensten der elektronischen Kommunikation [...] sind verpflichtet, die Entscheidungen des Aufsichtsrats des ONJN über den Zugang zu in Rumänien verbotenen Glücksspiel-Internetseiten zu respektieren, dies gilt auch für Werbung für Glücksspiel welche von einem Glücksspiel-Betreiber stammt, der in Rumänien nicht lizenziert ist."
Am 24. Juni fällte das ONJN ohne öffentliche Debatte eine Entscheidung, die erst einen Monat später auf der Internetseite des Amtes veröffentlicht wurde. Service-Provider sollen verpflichtet werden nicht nur den Zugriff auf bestimmte DNS von gehosteten Webseiten zu blockieren, sondern auch die Nutzer auf besondere, vom Special Telecommunications Service gehostete Webseiten umzuleiten. Bereits Ende Juli hat ONJN eine Mitteilung an die Internet-Provider verschickt, in der es von ihnen die Umsetzung der Entscheidung verlangt.
Gemeinsam mit fünf weiteren Nicht-Regierungsorganisationen warnte ApTI das ONJN im vergangenen Jahr, dass die beabsichtigten Maßnahmen Grundrechte verletzen, aber diese Botschaft wurde einfach ignoriert, wie auch der Antrag, eine öffentliche Debatte vor dem Erlass der einschlägigen Rechtsvorschriften abzuhalten. Heute hat sich die Vereinigung für die Verteidigung der Menschenrechte in Rumänien - das Helsinki Committee (APADOR-CH) mit einer neuen Aufforderung an das ONJN gewandt, in der Hoffnung, dass dieses jetzt endlich verstehen wird, dass es hier nicht nur um technische Probleme geht, sondern um Maßnahmen mit weitreichenden Auswirkungen für die Bürgerrechte.
Was bedeutet die Entscheidung des ONJN?
Internet Service Provider werden gezwungen, ein System zur Filterung von Webseiten einzurichten und zwar verpflichtend für alle ihre Kunden. Sie werden im Wesentlichen zu Zensoren der Informationen die rumänischen Internetnutzern zugänglich sind.Darüber hinaus wird der STS (Special Telecommunications Service) in der Lage sein, alle IP-Adressen von Internet-Nutzern in Rumänien, die versuchen auf bestimmte Webseiten zugreifen, zu sammeln
Was sind die Probleme?
- Einführung der Internet-Zensur
- Das Recht auf Privatsphäre wird durch die Veränderung der Vertraulichkeit der elektronischen Kommunikation verletzt
- Das Abfangen von Übertragungen von elektronischen Daten ist ein Verbrechen
- Das Sperren des DNS-Zugangs birgt eine Reihe von indirekten technischen Problemen bei der Computer-Sicherheit
- Diese Maßnahmen sind nicht erforderlich und können leicht überwunden werden
1. Einführung der Internet-Zensur
Gemäß der Richtlinie der Europäischen Union über die elektronische Kommunikation dürfen die Mitgliedstaaten den Internet-Zugang nicht missbräuchlich blockieren oder beschränken.
Das Grundproblem ist, dass die Blockierung von Webseiten durch Internet-Provider eine Zensurmaßnahme von Online-Inhalten ist und ernste Probleme im Bereich der Menschenrechte im Allgemeinen und der Meinungsfreiheit im Besonderen aufwirft.
Internet und Webseiten werden allgemein als Mittel der Massenkommunikation anerkannt; damit dürfte die willkürliche Sperrung des Zugangs zu ihnen Artikel 30 der rumänischen Verfassung verletzen, in dessen zweiten Absatz es heißt: "Jede Zensur ist verboten". Außerdem ist Absatz 4 betroffen: "Keine Veröffentlichung darf unterdrückt werden."
Die Tatsache, dass eine Verwaltungsbehörde und nicht etwa ein Gericht, ohne die Möglichkeit der Berufung, beschließen kann, ob auf eine bestimmte Webseite zugegriffen werden kann, wirft Fragen in Bezug auf die Verfassungsmäßigkeit der Entscheidung auf.
Der UN-Sonderberichterstatter für Meinungsfreiheit, erklärte in diesem Zusammenhang, dass "Blockierungs-Maßnahmen unnötige und unverhältnismäßige Mittel sind, um den genannten Zweck zu erreichen."
Darüber hinaus bedeutet die Umsetzung eines solchen Sperrsystems durch Internet-Anbieter, dass wir mit ansehen müssen, wie eine Reihe von Werkzeugen der Zensur, die leicht auf andere Bereiche ausgedehnt werden können, erstellt und betrieben werden. Wenn wir erst einmal akzeptieren, Internetsperren zu sehen und wenn es erst einmal ein System gibt, um solche Entscheidungen zu implementieren, öffnen wir eine Tür und immer mehr Menschen werden fordern immer mehr zu zensieren.
Zum Beispiel Italien: Dort wurde die Sperrung des Zugangs zu Webseiten zunächst beschlossen, um den Zugriff auf nicht autorisierte Online-Glücksspiele zu verhindern. Trotz dieser ursprünglichen Absichten beobachten wir heute, dass in Italien die Internet-Zensur für viele andere Zwecke eingesetzt wird und zwar von verschiedenen Institutionen, manchmal mit und manchmal ohne die in der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten genannten Schutzmaßnahmen.
2. Das Recht auf Privatsphäre wird durch die Veränderung der Vertraulichkeit der elektronischen Kommunikation verletzt
Internet-Service-Provider sind zum Schutz der Vertraulichkeit der elektronischen Kommunikation verpflichtet, eigentlich sollten sie diese lediglich technisch vermitteln.
Wenn sie den Zugang sperren müssen und Nutzer umleiten sollen, müssen ISPs in die Kommunikation zwischen dem Internet-Nutzer und den Webseiten eingreifen, und Benutzer, ohne vorherige Ankündigung zu einer anderen Webseite weiterleiten, in unserem Fall eine, die von einer militarisierten Institution betrieben wird.
Dadurch überträgt der ISP alle Verkehrsdaten, die einen Internet-Benutzer identifizieren können und verletzt dadurch Artikel 4 des Gesetzes 506/2004 zum Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation. Außerdem verstößt er gegen das Gesetz 677/2001 durch senden personenbezogener Daten (wie beispielsweise IP-Adressen) an Dritte, ohne den Benutzer zu informieren oder seine / ihre Zustimmung zu erhalten.
Nach dem Prinzip der Hierarchie der normativen Akte darf eine Anordnung einer Verwaltungsbehörde nicht gegen gesetzliche Bestimmungen verstoßen oder die Grundrechte verletzen
3. Das Abfangen von Übertragungen von elektronischen Daten ist ein Verbrechen
Das Abfangen von Übertragungen von elektronischen Daten ist ein Verbrechen nach Art. 361 des neuen Strafgesetzbuchs. Die Kriminalisierung solcher Handlungen ergibt sich aus der Tatsache, dass eine solche Tätigkeit in der Praxis eine Veränderung des reibungslosen Funktionierens von Informationssystemen und Netzwerken darstellt.
Es scheint also, als würde das ONJN die ISPs dazu verpflichten, kriminell zu handeln. Dafür nutzt es die Vorteile des neu geschaffenen einheitlichen Rechtsrahmens aus. Wenn eine andere Person oder Einrichtung genau das tun würde, was ONJN von den ISPs verlangt, würde sie sicherlich im Rahmen des rumänischen Strafgesetzbuches zur Rechenschaft gezogen werden.
4. Das Sperren des DNS-Zugangs birgt eine Reihe von indirekten technischen Problemen bei der Computer-Sicherheit
Nach Untersuchungen von ICANN, der wichtigsten Einrichtung zur weltweiten Verwaltung von Internet-Ressourcen, behindert die Sperrung von Webseiten und insbesondere das Blockieren der DNS, die Umsetzung der Mechanismen zur Sicherung der DNS (DNSSEC), die eine Voraussetzung für das reibungslose Funktionieren des Internets sind.
5. Diese Maßnahmen sind nicht erforderlich und können leicht überwunden werden
Wie alle auf die Zensur des Internet ausgerichteten Maßnahmen sind auch die vom ONJN vorgeschlagenen aus technischer Sicht unnötig und können von jedem Internet-Benutzer leicht überwunden werden, da sich Informationen über OpenDNS, alternative DNS, Google DNS, VPN, Tor oder andere ähnliche Dinge leicht mit jedem beliebigen Webbrowser finden lassen.
Die Maßnahmen des ONJN werden jedoch eine Infrastruktur zur Zensur von Internetinhalten schaffen, die geeignet ist von anderen für andere Zwecke eingesetzt zu werden (siehe beispielsweise die jüngsten Maßnahmen in Portugal um Internet-Inhalte wegen angeblicher Urheberrechtsverletzungen zu blockieren).