Technologie & Rechte

Im Gespräch mit Who Targets Me | Wahlbeobachtungsgespräche

Die Browsererweiterung Who Targets Me war ein enorm wichtiges Tool für Libertties Wahlbeobachtungsprojekt. Wir haben mit Sam Jeffers, einem Mitbegründer von WTM über Transparenz in der politischen Werbung gesprochen.

by Miles Hoeckel

In den letzten zehn Jahren sind die sozialen Medien für viele Wählerinnen und Wähler zu einer Hauptquelle für politische Inhalte und Nachrichten geworden. Ihr wachsender Einfluss auf Wahlen macht deutlich, wie wichtig es ist, dass diese Netzwerke durch Dritte überwacht werden. Um mit einem guten Gefühl zur Wahl gehen zu können, müssen sich die Wählenden darauf verlassen können, dass Plattformen verantwortungsvoll mit politischer Werbung umgehen und transparent darüber berichten.

Wir sprachen mit Sam Jeffers, Mitbegründer von Who Targets Me (WTM), einer unabhängigen Organisation, die sich für mehr Transparenz bei politischer Online-Werbung einsetzt. WTM ist der technische Partner von Liberties in unserem Monitoring-Projekt für die Europawahlen 2024. Sam sprach über die Tools von WTM, die Herausforderungen bei der Beobachtung digitaler Kampagnen und die weitreichenden Auswirkungen der sozialen Medien auf den politischen Diskurs.

Tools für mehr Transparenz in den sozialen Medien

Who Targets Me bietet verschiedene Transparenz-Tools. Die Browser-Erweiterung Who Targets Me, das Aushängeschild des Unternehmens, sammelt politische Anzeigen von Facebook, YouTube, Instagram und Twitter und erfasst deren Targeting-Daten. Mit der Browser-Erweiterung können Forschende „durch die Augen von Freiwilligen das sehen, was Menschen in [verschiedenen] demografischen Gruppen sehen“ und müssen sich nicht auf die von den Technologiegiganten selbst gemeldeten Daten aus den öffentlichen Anzeigenbibliotheken verlassen. Sam nennt es das "Baby", in dem der Ursprung der Organisation liege. Ein weiteres wichtiges Tool ist Trends, das „die Ausgaben für Targeting und Messaging anhand von Daten aus Anzeigenbibliotheken“ verfolgt und nicht anhand von Daten der Nutzer selbst. Die Analyse von Daten aus Trends zusammen mit der WTM-Browsererweiterung ermöglicht Vergleiche zwischen den in Anzeigenbibliotheken gemeldeten Daten und Inhalten, die echten Nutzern tatsächlich angezeigt werden.

Der Einfluss politischer Systeme auf Targeting-Strategien

Weil die Tools von WTM in über 50 Ländern aktiv sind, zeigen ihre Untersuchungen, in Abhängigkeit von spezifischen politischen Kontexten, oft deutliche Unterschiede in den Werbestrategien. In den USA gelten nur einige wenige Schlüsselstaaten als wirklich wahlentscheidend, was die Kandidaten dazu veranlasst, sich bei der Hauptlast ihrer Werbung auf geografisches Targeting zu verlassen und sogenannte „Custom Lists“ einzusetzen. In einem proportional repräsentativeren System wie Deutschland ist präzises Targeting weniger wichtig, weshalb Parteien und Kandidaten eher einfachere Methoden anwenden.

Neben strategischen Faktoren sind kulturelle und legislative Unterschiede für den großen Kontrasst zwischen den Targeting-Strategien in den einzelnen Ländern verantwortlich. Sam erklärt: „In den USA gibt es einfach kein Datenschutzgesetz wie in Europa. In einigen Ländern Europas gibt es neben einem starken Bekenntnis zum Datenschutz auch historische und kulturelle Gründe dafür, keine großen Listen politischer Unterstützer und Gegner zu führen.“

Mikrotargeting: Die Risiken personalisierter politischer Botschaften

Sam führte aus, dass Mikrotargeting besonders bei den jüngsten US-Präsidentschaftswahlen zum Einsatz gekommen sei, und zwar in Form von standortbasiertem Targeting, das auf Postleitzahlen mit einer hohen Anzahl jüdischer Wähler oder einer hohen Anzahl arabischer Wähler ausgerichtet war und mit dem spezifische und oft gegensätzliche Botschaften über die Politik in Gaza verbreitet wurden. Dieser Fall ist ein gutes Beispiel für die potenziellen Gefahren des Mikrotargetings, da Wähler eine politische Kampagne völlig unterschiedlich interpretieren können, abhängig davon, welche Art von politischer Ansprache von der Kampagn für erfolgversprechend gehalten wird. Anstatt zu ermöglichen, dass die Zielgruppen Kandidaten auf der Grundlage ihrer tatsächlichen Ideologien auswählen, können Kampagnen politische Ansichten ausschlachten oder ausklammern, je nachdem, welche Wähler sie zu erreichen meinen.

Offene Fragen über die Zukunft der Medien

Je weiter die digitale Revolution voranschreitet, desto größer wird auch der Einfluss des Geldes in der Politik, insbesondere in Ländern, in denen die Finanzierung traditionell eine geringere Rolle gespielt hat. Da insbesondere europäische Kampagnen effektive Werbestrategien in den sozialen Medien finden, ist damit zu rechnen, dass die Mittel für diese Maßnahmen aufgestockt werden. Sam erklärte: „Wenn man sich die Ausgabenmuster für Werbung in den USA ansieht, erscheinen diese recht konsistent. In den Tagen vor einer Wahl gibt es keinen so großen Anstieg, weil die Ausgaben einfach die ganze Zeit über so hoch sind. In Europa gibt es, was die Ausgaben betrifft, noch viel Luft nach oben.“

Echte Transparenz gewährleisten

Die Berichterstattung über politische Werbung in den sozialen Medien ist aufgrund von Fehlern und vorsätzlichen Verstößen häufig unvollständig oder schlicht falsch. „Einige Werbetreibende vermeiden die Berichterstattung absichtlich“, stellt Sam fest, darunter ausländische Akteure und Kandidaten, die grundsätlich etwas gegen den Berichtsprozess haben. Die Tools von WTM helfen dabei, nicht erfasste Werbung zu identifizieren und die Plattformen zur Verantwortung zu ziehen. Sam formuliert es so: „Man sollte hoffen, dass diese Plattformen bei der Veröffentlichung politischer Werbung gute Arbeit leisten, aber es muss auch möglich sein, zu prüfen und zu verifizieren, dass sie auch wirklich die Dinge erfassen, die sie zu erfassen haben. Wir betreiben eine Browser-Erweiterung, mit der wir Benutzerdaten mit den Anzeigenbibliotheken abgleichen können. Sie ist wirklich gut darin, die Werbung zu erfassen, die die Leute tatsächlich zu sehen bekommen.“

Die wachsende Rolle der sozialen Medien in der Politik erfordert Transparenz und Rechenschaftspflicht. Die innovativen Tools und die globale Recherche von WTM werfen ein Licht auf verborgene Werbepraktiken. Indem sie die Wähler*innen stärken und die Rechenschaftspflicht fördern, trägt ihre Arbeit zu einer Zukunft bei, in der die Technologie der Demokratie dient und nicht der Manipulation.

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