Demokratie & Gerechtigkeit

Arbeitsweise des Krisenreaktionsmechanismus I liberties.eu

Heutzutage hat man das Gefühl, dass wir von einer Krise in die nächste stürzen. Damit unsere Politikerinnen und Politiker auf jede Krise effektiv reagieren können, hat die Europäische Union den Krisenreaktionsmechanismus geschaffen.

by Jonathan Day

Wenn eine Krise eintritt, muss die Europäische Union schnell, effektiv und koordiniert reagieren können. Damit das möglich ist, egal ob es sich um eine natürliche oder eine vom Menschen verursachte Krise innerhalb oder außerhalb der EU handelt, hat die Union mehrere Krisenreaktionsmechanismen eingerichtet. Dazu gehört der Katastrophenschutzmechanismus, die integrierte politische Krisenreaktion, die Bereitschafts- und Reaktionsplanung für gesundheitliche Notfälle, den Schutz von Netzwerk- und Informationssystemen und der Reaktionsmechanismus für den Schutz kritischer Infrastrukturen.

Wofür steht IPCR

IPCR steht für die englische Bezeichnung des Krisenrektionsmechanismus: Integrated Political Crisis Response Mechanism. Die Integrierte EU-Regelung für die politische Reaktion auf Krisen, so der offizielle deutsche Titel, ist vermutlich der wichtigste der oben genannten Mechanismen, denn sie kann gleich für eine ganze Reihe verschiedener Krisen, mit denen die EU zu tun hat, eingesetzt, beziehungsweise in Betracht gezogen, werden. Obwohl es eigentlich mehrere gibt, ist deshalb, wenn von "dem Krisenreaktionsmechanismus" die Rede ist, meist der IPCR gemeint.

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Was ist der Krisenreaktionsmechanismus?

Der integrierte politische Krisenreaktionsmechanismus (IPCR) unterstützt eine schnelle und koordinierte Entscheidungsfindung der EU bei großen und komplexen Krisen, einschließlich Terroranschlägen. Der IPCR versetzt die EU-Ratspräsidentschaft in die Lage, die politische Reaktion der EU auf die Krise zu koordinieren, indem er alle notwendigen Gremien, einschließlich der EU-Institutionen, der betroffenen Mitgliedstaaten, Expertengruppen und anderer relevanter Akteure, zusammenbringt.


Wann kommt der Krisenreaktionsmechanismus zum Einsatz?

Der Krisenreaktionsmechanismus wurde geschaffen, nachdem durch mehrere Krisen deutlich wurde, dass die EU ein Instrument braucht, das der Union und den Mitgliedsstaaten hilft, eine einheitliche politische Antwort auf aktuelle Krisen zu geben. Die Anschläge vom 11. September, die Bombenanschläge in Madrid (2004) und London (2005) sowie der Tsunami im Indischen Ozean im Jahr 2004 gelten als wichtige Ereignisse, die das deutlich gemacht haben.

Der Krisenreaktionsmechanismus greift, wenn der EU-Rat (bestehend aus einem/r Minister/in aus jedem der 27 Mitgliedsstaaten) oder ein Mitgliedsstaat es für notwendig hält, eine politische Reaktion auf eine Krise einzuleiten. Die Krise selbst muss nicht unbedingt "politisch" sein: Es kann sich um eine Naturkatastrophe oder eine vom Menschen verursachte Katastrophe, eine Gesundheitskrise (der Krisenreaktionsmechanismus wurde 2020 als Reaktion auf die Coronavirus-Pandemie ausgelöst), einen Terroranschlag oder eine "Krise" im Zusammenhang mit der Migration handeln.

Wie und durch wen kann der IPCR aktiviert werden?

Der Krisenreaktionsmechanismus kann entweder von dem Land ausgelöst werden, das die rotierende EU-Ratspräsidentschaft innehat, oder von einem Mitgliedstaat, der sich auf die Solidaritätsklausel (Artikel 222 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union) beruft. Nur sie können den IPCR auslösen, denn er ist ein spezielles Instrument des Rates und - da der Rat aus den Minister/innen der Mitgliedsstaaten besteht - der Mitgliedsstaaten selbst. Er kann nicht von der Europäischen Kommission oder dem Europäischen Parlament ausgelöst werden.

Wie funktioniert der Krisenreaktionsmechanismus?

Wenn der IPCR-Mechanismus ausgelöst wird, ermöglicht er den Einsatz einer Reihe von Instrumenten, die helfen können, eine Krise einzuschätzen und darauf zu reagieren. Diese Instrumente erleichtern Informationsaustausch, Zusammenarbeit und Koordination der Krisenreaktion auf politischer Ebene. Zu diesen Instrumenten gehören:

- ein informeller Runder Tisch, ein Krisentreffen unter dem Vorsitz des Ratsvorsitzes mit den wichtigsten Akteuren (Vertretern der Kommission, des EAD, der EU-Agenturen, der am stärksten betroffenen Mitgliedstaaten, des Kabinetts des Präsidenten des Europäischen Rates, Experten usw.);

- Analysen, die den Entscheidungsträgern ein deutliches Bild von der aktuellen Situation vermitteln;

- eine Webplattform zum Austausch und zur Sammlung von Informationen;

- und eine rund um die Uhr erreichbare Kontaktstelle, die eine ständige Verbindung zu den wichtigsten Akteuren gewährleistet.

Schauen wir uns ein Beispiel an, um zu verdeutlichen, wie der Krisenreaktionsmechanismus in der Praxis funktioniert. Im Oktober 2015 beschloss die luxemburgische Ratspräsidentschaft, als Reaktion auf die wachsende Zahl von in der EU ankommenden Migranten, den Informationsaustauschmodus des IPCR auszulösen. Dieser Stufe des IPCR wurde ausgelöst, um die Entwicklung der Migrationsströme zu überwachen, die Entscheidungsfindung zu unterstützen und die vereinbarten Maßnahmen besser umzusetzen.

Im November 2015 hat die Ratspräsidentschaft die Aktivierung des IPCR-Mechanismus auf den vollen Modus hochgestuft. Seitdem befindet sich der Mechanismus im Vollmodus. Auf dieser Stufe konnte die Ratspräsidentschaft runde Tische mit relevanten Akteuren organisieren, um die Reaktion der EU auf verschiedene Migrationsfragen, sowie die Situation an verschiedenen Brennpunkten, wie z.B. an der polnisch-weißrussischen Grenze, zu diskutieren und Reaktionen zu koordinieren.


Wie viele Stufen hat der Krisenreaktionsmechanismus?

Der Krisenreaktionsmechanismus hat drei Modi, die je nach Situation eingesetzt werden können. Es gibt einen Überwachungsmodus, der den Austausch bestehender Krisenberichte zwischen den Mitgliedstaaten, den EU-Institutionen und anderen Akteuren erleichtert; es gibt einen Informationsaustauschmodus, der die Erstellung von Analyseberichten und die Nutzung einer speziellen Internetplattform auslöst, um die Situation besser zu verstehen und sich auf eine mögliche Eskalation vorzubereiten; und schließlich den vollen Aktivierungsmodus, in dessen Rahmen Vorschläge für EU-Maßnahmen ausgearbeitet werden, über die der Rat oder der Europäische Rat entscheidet (letzterer ist nicht mit dem Rat der EU zu verwechseln; vielmehr ist er das Gremium, das die allgemeine politische Richtung und die Prioritäten der EU festlegt und sich aus den Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten, dem Präsidenten des Europäischen Rates und dem Präsidenten der Europäischen Kommission zusammensetzt).

Krisenreaktionsmechanismus im Jahr 2022: Was muss man über die aktuelle Situation wissen?

Der Krisenreaktionsmechanismus ist derzeit in vollem Umfang aktiviert, nachdem er von der französischen EU-Ratspräsidentschaft, die diese Position bis zum 1. Juli 2022 innehatte, als Reaktion auf den russischen Einmarsch in der Ukraine ausgelöst wurde. Er wurde in der jüngsten Vergangenheit auch von anderen EU-Ratspräsidentschaften genutzt, zum Beispiel von der kroatischen Präsidentschaft, die den Krisenreaktionsmechanismus im Januar 2020 als Reaktion auf die Coronavirus-Pandemie auslöste.

Der IPCR gilt als ein effektives und wichtiges Instrument. Die relative Harmonie und Koordination, mit der die EU auf Russlands Krieg gegen die Ukraine reagieren konnte -trotz einiger angespannter Verhandlungen - zeigt, dass die EU in der Lage ist, in wichtigen Krisen "mit einer Stimme zu sprechen". Darüber hinaus wird der Krisenreaktionsmechanismus als wichtiges Instrument in diesem Bemühen angesehen. Er ist ein wichtiges Instrument für uns alle, denn die durch ihn ermöglichte Koordination, die Absprache und das gemeinsame Handeln machen die EU stärker, geeinter und sicherer für ihre Bürgerinnen und Bürger.

Bildnachweis:

Louise Viallesoubranne/Unsplash

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