Technologie & Rechte

Laut Generalanwalt des Europäischen Gerichtshofs können Upload-Filter rechtmäßig sein

Der Generalanwalt des Gerichtshofs der Europäischen Union hat seine Stellungnahme abgegeben zum Einsatz von Upload-Filtern durch Online-Plattformen wie Facebook oder Youtube, wenn diese dem Schutz des Urheberrechts dienen.

by Franziska Otto

Der Hintergrund

Das Thema Urheberrecht und Upload-Filter liegt nun schon seit drei Jahren auf dem Tisch. Seitdem kämpfen Bürgerrechtler gegen den obligatorischen Einsatz von Upload-Filtern, die mögliche Urheberrechtsverletzungen verhindern sollen. Die Richtlinie über das Urheberrecht und verwandte Schutzrechte im digitalen Binnenmarkt wurde 2020 verabschiedet, und die Mitgliedstaaten der Europäischen Union haben begonnen, ihr Urheberrecht zu harmonisieren. Polen wandte sich an den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) und forderte, Artikel 17 aus Gründen der Meinungsfreiheit ganz oder teilweise für nichtig zu erklären. Artikel 17 regelt die Verwendung von Upload-Filtern in der Urheberrechtsrichtlinie. Am 15. Juli hat Henrik Saugmandsgaard Øe, der Generalanwalt (AG) des EuGH, seine Schlussanträge zu der von Polen eingereichten Klage gegen Artikel 17 vorgelegt.

Artikel 17

Artikel 17 besagt, dass Plattformen wie YouTube oder Facebook direkt haften, wenn urheberrechtlich geschützte Inhalte wie etwa Videos von Billie Eilish oder der neue Marvel-Film von Nutzern illegal hochgeladen werden. Das hat nicht nur zur Folge, dass die Plattformen Inhalte löschen, es führt auch dazu, dass sie versuchen zu verhindern, dass sie überhaupt auf ihren Seiten erscheinen. Zu diesem Zweck setzen sie Programme ein, die problematische Inhalte automatisch herausfiltern. Allein auf YouTube werden jede Minute 500 Stunden Videos hochgeladen, für Menschen ist es unmöglich, so viele Inhalte zu überprüfen. Daher ist der Einsatz von Tools wie Upload-Filtern, die Inhalte automatisch erkennen, fast unumgänglich.

Die Stellungnahme des Generalanwalts

Der Generalanwalt (AG) hat seine Stellungnahme zu dem Verfahren veröffentlicht, um den Gerichtshof bei der Ausarbeitung seines eigenen Urteils zu unterstützen. In seiner Stellungnahme vertritt der Generalanwalt die Auffassung, dass Artikel 17 einen gerechten Ausgleich zwischen den Interessen der Urheberrechtsinhaber und dem Schutz der freien Meinungsäußerung gewährleistet. Artikel 17 Absatz 7 deckt Rezensionen, Kritik oder Karikaturen ab und besagt, dass die Nutzer in der Lage sein müssen, sich auf diese Ausnahmen zu berufen. Die Diensteanbieter müssen sich "nach besten Kräften" bemühen, das Hochladen urheberrechtlich geschützter Werke zu verhindern, was jedoch nicht zu einer präventiven Sperrung der rechtmäßigen Nutzung dieser Werke führen darf. Ein weiterer wichtiger Schutz ist nach Ansicht des Generalanwalts, dass Artikel 17 Absatz 8 keine allgemeine Überwachungspflicht vorsieht.

Der Generalanwalt stimmt mit Polen darin überein, dass Artikel 17 einen Eingriff in die freie Meinungsäußerung der Nutzer von Sharing-Diensten darstellt. Die Upload-Filter seien eine präventive Maßnahme, um die Informationen der Nutzer zu überwachen und das Recht auf freie Meinungsäußerung vorab zu beschränken. Ein von den Befürwortern von Artikel 17 angeführtes Argument ist jedoch, dass Plattformen private Unternehmen sind und selbst entscheiden können, welche Art von Informationen und Inhalten sie auf ihrer Website sehen wollen.

Der Generalanwalt stimmt diesem Argument nicht zu und stellt fest, dass das Argument der Selbstregulierung in diesem speziellen Fall nicht greift. Die Upload-Filter würden von den Plattformen eingesetzt, um den EU-Rechtsvorschriften Genüge zu leisten, und nicht, weil sie bestimmte Inhalte auf ihrer Website nicht sehen wollen. Folglich sei der Eingriff in die Meinungsfreiheit eine Folge der Rechtsvorschriften.

Nach der bisherigen Rechtsprechung des EuGH können Einschränkungen der Grundrechte gerechtfertigt sein, wenn sie gesetzlich vorgeschrieben sind, den Wesensgehalt dieser Rechte achten und - vorbehaltlich des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit - notwendig sind und tatsächlich den von der Europäischen Union anerkannten Zielen des Allgemeininteresses oder der Notwendigkeit, die Rechte und Freiheiten anderer zu schützen, entsprechen. Sie müssen außerdem bestimmte Kriterien erfüllen, nämlich "Zugänglichkeit" und "Vorhersehbarkeit". Das bedeutet, dass die Bestimmung so formuliert sein muss, dass eine Person in der Lage ist, ihre Bedeutung und die möglichen Folgen zu verstehen. Nach Ansicht des Generalanwalts erfüllt Artikel 17 diese beiden Normen. Er stellt außerdem fest, dass "Vorhersehbarkeit" bedeutet, dass Schutzmechanismen vorhanden sein müssen, die missbräuchliche und willkürliche Eingriffe verhindern.

Der Generalanwalt bestätigt auch, dass Artikel 17, indem er die Haftung der Plattformen mit der Wirksamkeit der Filterung von Inhalten verknüpft, ein Risiko für die freie Meinungsäußerung darstellt, weil er dazu führen könne, dass mehr Uploads als nötig blockiert werden. Zu diesem "Over-Blocking" kann es kommen, weil Plattformen versuchen, jegliche Haftung zu vermeiden und lieber zu viel als zu wenig blockieren. Vor allem in Situationen, in denen nicht ganz klar ist, ob eine Urheberrechtsverletzung vorliegt, z. B. weil der ursprüngliche Inhalt umgestaltet wurde (wie etwa bei Memes), wäre es einfacher, den Upload zu sperren, als noch einmal zu prüfen, ob das EU-Recht eine Ausnahme zulässt.

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Um dieses Risiko zu vermeiden oder zumindest zu verringern, müssen nach Ansicht des Generalanwalts ausreichende Sicherheitsvorkehrungen getroffen werden. Es sei die Aufgabe der EU, einen Rechtsrahmen zu schaffen, der die Regeln für die zulässigen Filtermaßnahmen festlegt.

Das Ergebnis

Der Generalanwalt stimmt zwar zu, dass der angefochtene Artikel tatsächlich Beschränkungen der freien Meinungsäußerung mit sich bringt, er ist jedoch auch der Meinung, dass Artikel 17 ausreichende Garantien enthält, um den Umfang dieser Beschränkungen zu begrenzen. Gleichzeitig beschreibt er den Einsatz von Upload-Filtern aber auch ausführlich. Seine Argumentation wird bei weiteren gesetzgeberischen Maßnahmen, wie dem Gesetz über digitale Dienste und dem Medienfreiheitsgesetz, Anwendung finden. Er weist die Klage der Republik Polen ab.

Nächste Schritte

Die Stellungnahme des Generalanwalts ist für den EuGH nicht bindend. In einem nächsten Schritt wird der Gerichtshof seine Beratungen in dieser Rechtssache aufnehmen und später ein Urteil fällen.


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