Demokratie & Gerechtigkeit

Liberties' Media Freedom Report 2024: Die Pressefreiheit steht am Scheideweg

In ganz Europa sind die Freiheit und die Vielfalt der Medien ins Wanken geraten und in einigen Ländern liegen sie schon am Boden. Das Europäische Medienfreiheitsgesetz wird Verbesserungen bringen, reicht aber allein nicht aus.

by Eleanor Brooks

Der Liberties Media Freedom Report 2024 zeigt, dass die Medienfreiheit und der Medienpluralismus in vielen EU-Ländern kurz vor dem Zusammenbruch stehen, während in anderen Ländern eine fast vollständige Neuordnung erforderlich ist, um chronische, systemische Probleme zu beheben. Wie weit die Medienfreiheit bereits ausgehölt ist, zeigen die weit verbreitete Schikane gegen Journalist*innen und die Tatsache, dass Regierungen ihnen immer häufiger den Zugang zu Informationen verweigern. Gleichzeitig tragen die starke Konzentration des Medienbesitzes und die Bedrohung der Unabhängigkeit sowie der Finanzen der öffentlich-rechtlichen Medien dazu bei, dass die Medienvielfalt schrumpft.

Ein vielfältiges und freies Medienumfeld ist für die Demokratie von entscheidender Bedeutung, da wir auf unabhängige Nachrichten angewiesen sind, um unsere Politiker zur Verantwortung zu ziehen und uns zu informieren. Das Muster der abnehmenden Medienfreiheit - das zeigt, dass die übergreifenden Trends, die im letztjährigen Bericht dokumentiert wurden, nicht behoben werden - steht in engem Zusammenhang mit dem demokratischen Rückschritt in Europa.


Der Bericht basiert auf den Ergebnissen von mehr als zwei Dutzend Bürgerrechtsorganisationen aus 19 EU-Staaten und befasst sich mit Medienfreiheit und -pluralismus, der Sicherheit und dem Schutz von Journalistinnen und Journalisten sowie der Meinungsfreiheit und dem Zugang zu Informationen im Jahr 2023, einem Jahr, in dem die Medienlandschaft nicht nur durch neue Gesetze (Anti-SLAPP-Richtlinie, Gesetz über digitale Dienste, Europäisches Medienfreiheitsgesetz - EMFA), sondern auch durch Wahlen (Polen, Niederlande, Slowakei) und regionale Konflikte (Russland-Ukraine, Naher Osten) geprägt wurde.

Außerdem enthält der diesjährige Bericht ein neues Kapitel über den European Media Freedom Act (EMFA) - ein bahnbrechendes Gesetz, dessen Bedeutung für die Medienfreiheit und den Pluralismus in der EU man gar nicht genug betonen kann.

Gefahren für den Pluralismus: Öffentlich-rechtliche und unabhängige Medien unter Druck

Der Medienpluralismus wird weiterhin durch eine hohe Konzentration des Medieneigentums, gepaart mit unzureichende Vorschriften zur Transparenz der Eigentumsverhältnisse, unter Druck gesetzt. Der EMFA schafft zwar neue Transparenzverpflichtungen, aber die Entscheidung, nationale Datenbanken anstelle einer zentralen EU-Datenbank einzurichten, wird zu einem fragmentierten Überblick führen, und die begrenzten Offenlegungspflichten für wirtschaftliches Eigentum sind viel dürftiger als vom Europäischen Parlament vorgeschlagen.

Die öffentlich-rechtlichen Medien ("Public Service Media", PSM) und die unabhängigen Medien arbeiten weiterhin unter zunehmend prekären finanziellen Bedingungen, was ihre Fähigkeit, unparteiische und zuverlässige Nachrichten zu liefern, beeinträchtigt.

In Griechenland, Ungarn und Rumänien werden staatle Werbeausgaben dazu genutzt, das Überleben unabhängiger, kritischer Medien weiter zu bedrohen, indem sie regierungsfreundlichen Medien unverhältnismäßig viel Geld zuschustern.

In Irland, Frankreich und Slowenien bleiben die langfristigen Finanzierungsaussichten der öffentlich-rechtlichen Medien weiterhin ungewiss. Politische Einmischung ist in einigen Ländern nach wie vor ein Problem; Ungarns öffentlich-rechtliche Medien fungieren noch immer als Sprachrohr der Regierung, und auch in Italien und Kroatien wächst die Sorge um die Unparteilichkeit.

Eine Vielfalt seriöser, unvoreingenommener und etablierter Nachrichtenquellen bringt den Bürgerinnen und Bürgern eine breite Palette von Perspektiven und Themen nahe. Das macht sie widerstandsfähiger gegen Desinformation und ist ein Gegenmittel gegen die Spaltung, die das Klima in sozialen Medien und Online-Nachrichten prägt - einer der Gründe, warum Medienvielfalt für eine gesunde Demokratie wichtig ist.

EMFA: Ein guter Anfang, aber es braucht Unterstützung

Der EMFA stärkt den Schutz der Medienfreiheit und des Pluralismus, aber im Kampf gegen die zahlreichen drängenden Probleme in der europäischen Medienlandschaft ist er ein zahnloser Tiger. Abgesehen davon, dass die Verordnung ihre Latte eh schon sehr niedrig gehängt hat, ist sie auch voller Schlupflöcher und delegiert viele wichtige Fragen an die Mitgliedsstaaten.

Festgelegte Ausnahmen bergen die Gefahr, dass einige der wichtigsten Schutzmechanismen des EMFA untergraben werden. Der Schutz von journalistischen Quellen und vertraulicher Kommunikation wird durch eine Ausnahmeregelung in Artikel 4 (4) geschwächt, die nationale Gesetzgeber und Strafverfolgungsbehörden nutzen können, um Journalisten zur Offenlegung von Informationen zu zwingen, einschließlich dem Zwang journalistischer Quellen zu identifizieren. Dies könnte die staatliche Überwachung von Journalisten legitimieren und Quellen davon abhalten, sich zu melden.

Journalisten werden weiterhin durch ein Schlupfloch in Artikel 4 (5) überwacht, das es den Mitgliedstaaten erlaubt, unter bestimmten Bedingungen in die Privatsphäre eindringende Spionageprogramme einzusetzen. Angesichts der illegalen Überwachung von Medienschaffenden in Deutschland, Griechenland, den Niederlanden und Polen im Jahr 2023 hat die EU eine wichtige Gelegenheit zum Schutz von Journalistinnen und Journalisten verpasst.

Was können wir dem Abwärtstrend entgegensetzen?

Der stetige Niedergang der Medienfreiheit und des Pluralismus in der EU bedroht die Stabilität der europäischen Demokratie. Zwar wurden im vergangenen Jahr gesetzgeberische Anstrengungen unternommen, aber die EU-Institutionen müssen jetzt auch wirksame Durchsetzungsmaßnahmen ergreifen, um diesem Abwärtstrend entgegenzuwirken.

Der EMFA hat 2024 Gesetzesstatus erlangt und die meisten seiner Regeln werden im August 2025 in Kraft treten.

Damit er sein volles Potenzial entfalten kann, fordern wir von den EU-Institutionen, einschließlich des Rats für Mediendienste und der Kommission:

  • Leitlinien für Datenbanken zum Medieneigentum an die nationalen Regulierungsbehörden, um eine umfassende und einheitliche Transparenz der Eigentumsverhältnisse in der EU zu gewährleisten. aDs muss auch die Verbindungen der Eigentümer zu politischen Akteuren auf nationaler und EU-Ebene einschließen, und die Durchsetzung dieser Leitlinien muss gewährleistet werden.
  • Leitlinien für die Schaffung eines einheitlichen Formats für Datenbanken über staatliche Werbeausgaben, um eine vergleichbare und zugängliche Verfügbarkeit der Daten in allen Mitgliedstaaten zu gewährleisten.
  • Die Kommission und der Rat sollten gemeinsam mit den nationalen Regulierungsbehörden mit den Koordinatoren für digitale Dienste zusammenarbeiten, um die Medienkonzentration und staatliche Eingriffe zu überwachen.

Neben anderen Empfehlungen, die in dem Bericht dargelegt werden, empfehlen wir der EU außerdem

  • Die Durchsetzungsmaßnahmen der EMFA und der DSA mit den nationalen Koordinatoren für digitale Dienste abzustimmen
  • den unabhängigen Journalismus durch finanzielle und nicht-finanzielle Unterstützung zu stärken und den Medienpluralismus zu fördern, idealerweise in Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft
  • Aufbau eines Multi-Stakeholder-Dialogs mit Medien und zivilgesellschaftlichen Organisationen, der in der Lage ist, die unterschiedlichen Bedürfnisse und Interessen zu berücksichtigen
  • den Druck auf die Mitgliedsstaaten durch den Mechanismus der Rechtsstaatlichkeit aufrechtzuerhalten und alle verfügbaren Instrumente zu nutzen, um auf schwerwiegende Verstöße gegen die Rechtsstaatlichkeit zu reagieren

Lies den Bericht zur Medienfreiheit 2024 hier.

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