Im April 2017 forderte der Generalstaatsanwalt das Verfassungstribunal und damit das höchste Verfassungsgericht Polens auf, eine gerichtliche Überprüfung der Regeln für die Ernennung der Mitglieder zum Nationalen Rat der Justiz einzuleiten.
Gleichzeitig hat das Unterhaus des polnischen Parlaments, der Sejm, an einem von der Regierung geförderten Gesetzentwurf gearbeitet, welcher den Nationalen Rat der Justiz betrifft.
Wie Richter ausgewählt werden
Nach derzeit geltendem Recht werden die Richter des polnischen Nationalrates der Justiz (NCJ) indirekt gewählt, von Wählern, die aus den Vertretern der Gerichte und von Vertretern der regionalen Richterversammlungen gewählt werden.
Der Generalstaatsanwalt behauptet, die derzeitigen Regeln für die Ernennung von Richtern als Mitglieder des NCJ würden dem Wahlrecht der Richter unvernünftige Beschränkungen auferlegen.
Das Tribunal stimmte dem Argument des Generalstaatsanwalts zu und stellte fest, dass die Verfassung keine Kriterien definiert, die vom Gesetzgeber verabschiedet werden könnten, um NCJ Wahlmöglichkeiten für verschiedene Kategorien von Richtern zu unterscheiden.
Infolgedessen ist das Tribunal zu dem Schluss gelangt, dass das Parlament diese Kriterien nicht nach eigener Wahl definieren darf.
Der Sitz des Nationalrates der Justiz in Warschau. (Bild: Adrian Grycuk)
Anhörung „In Camera“
"Die vorgestellte mündliche Zusammenfassung des Urteils zeigt nicht, ob das Tribunal analysiert hat, inwiefern das derzeitige Verfahren die Kriterien für die Ernennung der Richter an den NCJ rational und proportional festlegt", so Dr. Barbara Grabowska-Moroz, Rechtsexpertin der HFHR.
Das Fehlen einer solchen Analyse ist eine Folge der Tatsache, daß das Tribunal diese wichtige konstitutionelle Angelegenheit sehr eilig bei einer nicht öffentlichen „In Camera“ Sitzung erörterte. Darüber hinaus wurde das Urteil von einem Gremium mit sogenannten Doppelrichtern verabschiedet, die von der herrschenden PiS-Partei anstelle der bereits vom vorherigen Parlament bestätigten Richter bestellt wurden.
Amtszeit beim NCJ
Laut Verfassungsgericht ist die derzeitige Auslegung von Bestimmungen über die Laufzeit der NCJ-Amtszeiten, die für jedes Mitglied unabhängig durchgeführt wird, ebenfalls verfassungswidrig.
Das hier abgebildete polnische Verfassungsgericht hat sich erneut auf eine Auseinandersetzung mit der Regierung über Fragen der gerichtlichen Unabhängigkeit eingelassen.
Das Tribunal urteilte, die Struktur der einschlägigen Verfassungsbestimmungen deute darauf hin, dass für alle gewählten Mitglieder des Nationalrates der Justiz eine gemeinsame Amtszeit gelten sollte. Dieser Amtszeit, so das Tribunal, sollte für die 15 Richter, die vier Sejm Abgeordneten und die zwei Senatoren im NCJ parallel laufen.
"Eine solche Interpretation dieser Bestimmung scheint ein Vorwand für die Einführung der vorgeschlagenen Änderungen des Funktionierens des NCJ und insbesondere des Verfahrens der Ernennung von Richtern zu sein", sagt Grabowska-Moroz. "Allerdings können solche Änderungen nicht die Tatsache außer Acht lassen, dass die Fähigkeit des Nationalrats der Justiz, die Unabhängigkeit der Gerichte zu gewährleisten, von der Unabhängigkeit des Rates von politischem Druck abhängt", fügt sie hinzu.
Änderungen am NCJ Gesetz
Die Änderung des Gesetzes über den NCJ, die derzeit im Sejm erörtert wird, gibt diesem Gremium die Befugnis, 15 Richter an den Rat zu berufen, was weit über die verfassungsmäßige Grenze von vier Sitzen hinausgeht, für die dem Sejm die Ernennungsmacht zusteht (um sie mit Sejm-Abgeordneten zu besetzen).
Die Entscheidung des Verfassungsgerichts sagt nicht, dass die Ernennung von Richtern durch Richter an sich verfassungswidrig sei, noch verkürzt oder beendet sie die Amtszeit der derzeitigen NCJ-Mitglieder.