2024 war ein Jahr bedeutender politischer Veränderungen in ganz Europa. In vielen EU-Mitgliedstaaten wurde zunehmend die Pressefreiheit und der Pluralismus bedroht. Diese Entwicklungen hatten besonders starke Auswirkungen auf zwei Bereiche, die für die Erhaltung eines freien und pluralistischen Medienumfelds von entscheidender Bedeutung sind: die Unabhängigkeit der öffentlich-rechtlichen Medien ( public service media- PSM) und die Sicherheit und der Schutz von Journalisten. In demokratischen Gesellschaften sind diese Akteure eine Stütze in Zeiten zunehmender Unsicherheit, indem sie zugängliche und zuverlässige Informationen zu Themen von öffentlichem Interesse bereitstellen. In diesem Arbeitsfeld werden die PSM und unabhängige Journalisten oft zur Zielscheibe von Regierungen, die ihre Stimmen einschränken und sich vor einer genauen Prüfung schützen wollen.
Diese Feindseligkeit hält seit Jahren an und hat in den EU-Mitgliedstaaten zunehmend Schaden angerichtet. Der Bericht über die Rechtsstaatlichkeit 2025 von Liberties stellt fest, dass aufdringliche politische Einflüsse auf PSM und Journalisten zugenommen haben. Dadurch wird ihre Fähigkeit, ihre Aufgaben unabhängig zu erfüllen, geschwächt. Die Regierungen greifen immer stärker in die nationale Berichterstattung ein, und für PSM und unabhängige Journalisten, die wachsenden Herausforderungen gegenüberstehen, wird es immer schwieriger. Infolgedessen stehen die Bürger am Scheideweg und wissen nicht, wem sie vertrauen sollen.
Die zunehmende Politisierung der öffentlich-rechtlichen Medien
Der Einfluss der europäischen Regierungen auf die nationalen PSM hat im vergangenen Jahr auf vielfältige Weise zugenommen. Unabhängige Rundfunkanstalten werden gezwungen, sich in staatlich kontrollierte Sprachrohre zu verwandeln. Infolgedessen schwindet das Vertrauen der Öffentlichkeit in PSM und andere Medien weiter. Der Bericht von Liberties 2025 stellt fest, dass Regierungen ihre Macht nutzen, um ihre Kontrolle über PSM zu stärken.
Liberties Mitgliederorganisationen in der gesamten EU berichten, dass die Regierungen der Mitgliedstaaten die Kontrolle über die PSM vom Fundament her ausweiten: So übernehmen sie Ernennungsverfahren für Vorstandsmitglieder und Direktoren, die die inhaltliche Produktion und die redaktionelle Unabhängigkeit überwachen. Diese sind jedoch wesentliche Komponenten für das ordnungsgemäße Funktionieren der PSM. In Italien lässt sich ein langjähriges Beispiel für diese Art von Einmischung in der internen Struktur von Radiotelevisione Italiana beobachten. Der italienische öffentlich-rechtliche Rundfunk wird von Direktoren geleitet, die zum größten Teil vom Staat ernannt wurden. Der Geschäftsführer ist direkt vom Staat eingesetzt. In der Slowakei wurde die Politisierung der PSM auf die Spitze getrieben. Radio und Television of Slovakia (RTVS) wurde abgeschafft und durch das neue Slovak Television and Radio (STVR) ersetzt. Die Mitglieder des STVR werden ausschließlich von der Regierung gewählt, sodass keine unabhängigen Stimmen zu Wort kommen.
Die oben genannten Situationen sind nur die Spitze des Eisbergs und viele andere Mitgliedstaaten haben mit ähnlichen Problemen zu kämpfen. Dieses Maß an staatlicher Kontrolle erhöht das Risiko, dass die politische Agenda der Regierung die Berichterstattung verzerrt und die Öffentlichkeit um ausgewogene und sachlich korrekte Informationen bringt.
Sicherheit und Schutz von Journalisten erodiert
Unabhängige Journalisten arbeiten mit PSM zusammen, um der Öffentlichkeit durch investigative Berichterstattung genaue und wichtige Informationen über aktuelle Angelegenheiten zu liefern. Sie werden jedoch zunehmend durch den zusätzlichen Druck mächtiger Politiker behindert. Das Verhältnis zwischen Regierungen und Journalisten wird immer umstrittener, in bestimmten Fällen sogar feindselig. Wie in den Berichten der vergangenen Jahre festgestellt wurde, sind Journalisten ständigen verbalen und physischen Angriffen, schädlichen Verleumdungskampagnen und strategischen Klagen ausgesetzt, die darauf abzielen, sie zum Schweigen zu bringen (bekannt als strategische Klagen gegen die Beteiligung der Öffentlichkeit, oder SLAPPs). Journalisten brauchen dringend mehr Schutz, der in vielen EU-Mitgliedstaaten nach wie vor unzureichend ist.
Eines der größten Schwachpunkte in der Umsetzung von Schutzmaßnahmen von Journalisten ergibt sich aus der Tatsache, dass die meisten EU-Mitgliedstaaten die EU-Anti-SLAPP-Richtlinie nicht umgesetzt haben. Diese Richtlinie soll gleiche Wettbewerbsbedingungen schaffen und einen Mindeststandard für den Schutz von Journalisten festlegen, den die Mitgliedstaaten dann in ihr nationales Recht integrieren können. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Artikels stellt der Bericht von Liberties fest, dass nur Malta die Anti-SLAPP-Richtlinie umgesetzt hat, während sie in den meisten anderen Mitgliedstaaten weitgehend ignoriert wird. Die Niederlande machen einen Schritt in die richtige Richtung, indem sie einen Gesetzesentwurf zur Umsetzung der Richtlinie veröffentlichen, und ähnliche Bemühungen werden in Bulgarien unternommen, wo eine Arbeitsgruppe eingerichtet wurde, um die bulgarische Gesetzgebung an die Richtlinie anzupassen. Trotz kleinerer positiver Entwicklungen ist jedoch noch nichts Konkretes in Stein gemeißelt. Infolgedessen nehmen SLAPPs zu und werden oft von Politikern oder anderen Akteuren in Machtpositionen initiiert.
Neben dieser Schutzlücke wurden in diesem Jahr auch die vertrauliche Behandlung journalistischer Quellen und der Zugang zu Informationen stark eingeschränkt. So kam es beispielsweise in den Niederlanden zu einer vernichtenden Kontroverse, als Journalisten von der Staatsanwaltschaft abgehört wurden. Nicht nur wurden journalistische Quellen zu Unrecht offengelegt, sondern auch die investigative Arbeit der Journalisten behindert, indem andere Quellen davon abgehalten wurden, sich zu melden. Auch die veralteten spanischen Vorschriften zum Quellenschutz setzen Journalisten der Gefahr der digitalen Überwachung aus. In Ländern wie Belgien und Bulgarien haben Regierungen einen großen Ermessensspielraum, um Informationsanfragen abzulehnen und wichtige Dokumente und Aufzeichnungen unter Verschluss zu halten. In anderen Fällen, wie in den Niederlanden, werden Anfragen zwar gestellt, aber ungerechtfertigte Verzögerungen behindern den Zugang zu Informationen, die für einen zeitnahen investigativen Journalismus erforderlich sind.
Die anhaltende Einschränkung der Pressefreiheit in der EU ist äußerst besorgniserregend. In Zukunft sollte die EU die Mitgliedstaaten zum Handeln anhalten und Fälle von politischem Druck auf PSM und unabhängige Journalisten in ihren Mitgliedstaaten genau beobachten. Mit der bevorstehenden Durchsetzung des European Media Freedom Act, einem Instrument, das neue Schutzmaßnahmen für PSM und Journalisten einführt, könnten wir endlich Fortschritte bei der Wiederherstellung der Pressefreiheit in der EU sehen.