Für die letzte Ausgabe des Jahres der Democracy Drinks Berlin haben wir Paula Zimmermann von Amnesty International Deutschland als Gastrednerin eingeladen, um mit uns über die zunehmende Bedrohung des Rechts auf Protest in Deutschland zu sprechen. In unserer aufschlussreichen Diskussion wurde das zunehmend harte Vorgehen Deutschlands gegen direkte Aktionen von Klimaaktivisten und Demonstrationen in Solidarität mit Palästina erörtert.
Pandemie-Schwenk zu Präventivmaßnahmen
Die Rolle des Staates besteht darin, das Recht auf Protest für die Beteiligten zu gewährleisten, während er gleichzeitig die Rechte aller anderen sichert. Paula zufolge markierte die Covid-19-Pandemie einen Wendepunkt in der Art und Weise, wie die Regierungen der Bundesstaaten dieser Verantwortung nachkamen. Während sich ihre Bemühungen zuvor auf die polizeiliche Überwachung von Veranstaltungen und die Reaktion auf Bedrohungen konzentrierten, begannen die Behörden zu dieser Zeit damit, zunehmend auf Präventivmaßnahmen wie Demonstrationsverbote zurückzugreifen, was vorher nur selten der Fall gewesen war.
Klimaaktivisten haben die Hauptlast dieses restriktiveren Vorgehens getragen, das im Übrigen die unmittelbare Gefahr, die vom Covid-19-Virus ausging, überdauerte. In Bayern wurden Anhänger der Klima-Aktionsgruppe Last Generation in Präventivhaft genommen, um sie von der Teilnahme an Aktonen des zivilen Ungehorsams abzuhalten, eine Maßnahme, die bis zu 30 Tage dauern kann. Der Einsatz von Gesetzen zur Bekämpfung des organisierten Verbrechens und des Terrorismus wird dadurch gerechtfertigt, dass Klimaaktivisten als Bedrohung für die nationale Sicherheit dargestellt werden.
Die beispiellosen Verbote von Demonstrationen, die mit Palästina sympathisieren, folgen einer ähnlichen Logik. In den Jahren 2022 und 2023 verbot die Berliner Versammlungsbehörde präventiv alle Demonstrationen zum Gedenken an die Nakba, einem wichtigen Tag in der palästinensischen Geschichte, mit der Begründung, dass sie eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstellten. Die Berliner Polizei begründete dies zum einen mit der "starken Emotionalisierung" und sogar einer "deutlich aggressiven Grundhaltung und Neigung zu Gewalttaten" innerhalb der "arabischen Diaspora, insbesondere mit palästinensischem Hintergrund" und zum anderen mit dem niedrigen Alter der Teilnehmer. Während die Reaktion in ganz Deutschland uneinheitlich ausfiel, haben viele Bundesländer im Anschluss an den 7. Oktober ebenfalls Solidaritätsmärsche mit Palästina verboten. Diese Verbote wurden von den Behörden mit der erhöhten Gefahr von Gewalttaten begründet.
'Ist es in Deutschland noch sicher zu demonstrieren?'
Zwar steht es den Menschen in Deutschland immer noch frei, Proteste zu organisieren und daran teilzunehmen, doch die Aushöhlung der Freiheit im Namen der nationalen Sicherheit gibt Anlass zur Sorge. Die Polizei setzt immer häufiger Überwachungstechnologien ein, und einige Bundesländer räumen sich mit der Begründung, für die Sicherheit der Proteste zu sorgen, neue Eingriffsbefugnisse ein.
Die Einstufung von Organisationen von Klimaaktivist*innen als kriminelle Vereinigungen wäre ein weiterer Schlag gegen das Recht auf Protest. Bisher haben die Behörden den Paragraphen 129 des deutschen Strafgesetzbuches, der die "Bildung krimineller Vereinigungen" verbietet, gegen Klimaaktivisten nur für ihre Ermittlungs- und Eingriffsbefugnisse eingesetzt - und blieben immer kurz vor einer Strafverfolgung stehen. In Brandenburg hat die Staatsanwaltschaft jedoch angekündigt, Strafanzeige gegen fünf Klimaaktivisten der Letzten Generation zu stellen. Nach Ansicht von Paula ist dies als eine deutliche Verschärfung des deutschen Vorgehens gegen Demonstranten zu werten.
Die deutsche Zivilgesellschaft ist erschrocken über diese jüngsten Entwicklungen, die sich in einen weltweiten Trend der Schrumpfung des zivilen Raums einfügen. Die Gefahr, dass diese härtere Gangart der staatlichen Behörden die Menschen vom Protestieren abhält, wurde von einem Teilnehmer aus dem Publikum bestätigt, der fragte, ob es in Deutschland noch sicher sei, an Demonstrationen teilzunehmen.
Paula ist zwar der Meinung, dass die Menschen immer noch gefahrlos protestieren können, räumte aber ein, dass es verständlich sei, wenn Menschen sich eine Demonstrationsteilnahme lieber zweimal überlegen - insbesondere diejenigen, die einer Minderheit angehören.
Das Recht zu protestieren mag in Deutschland noch intakt sein, aber - auch wenn man es nicht genau messen kann - die abschreckende Wirkung ist bereits zu spüren.
Erfahre mehr über unsere Diskussionen bei früheren Democracy Drinks-Veranstaltungen:
Online-Aktivismus: Gefahr, Desinformation und die DSA | Democracy Drinks Berlin