Was ist mit Versammlungsfreiheit gemeint?
Die Versammlungsfreiheit in ein grundlegendes Freiheitsrecht und unter anderem in Artikel 20 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrecht und in Artikel 12 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union festgeschrieben. Sie besagt, dass Menschen sich friedlich versammeln dürfen.
Mit “Versammlung” ist in diesem Fall aber nicht jedes Treffen von mehreren Personen gemeint. Sich am Wochenende mit seinen Freunden zu treffen, um zu einem Fußballspiel zu gehen oder mit tausenden Menschen ein Rockkonzert zu besuchen ist keine “Versammlung” im Sinne der Versammlungsfreiheit. Vielmehr geht es hier darum, dass Menschen das Recht dazu haben, sich mit anderen Personen zu treffen, um eine Meinung zu äußern oder sich zu informieren, beispielsweise indem sie eine Fridays for Future Demonstration besuchen. Damit sind sie ein wichtiger Teil der öffentlichen Debattenkultur und geben Bürgerinnen und Bürgern beispielsweise nicht nur die Gelegenheit, ihren Unmut über ein neues Gesetz zum Ausdruck zu bringen, sondern helfen auch der Regierung dabei, die Wünsche der Bevölkerung zu verstehen.
Was sagt das Grundgesetz zur Versammlungsfreiheit?
Im deutschen Grundgesetz ist die Versammlungsfreiheit durch Artikel 8 garantiert. Absatz 1 besagt, dass alle Deutschen das Recht haben, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln. Absatz 2 schränkt dies etwas ein, denn Versammlungen unter freiem Himmel können durch Gesetze und auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden.
Neben Artikel 8 des Grundgesetzes gibt es außerdem ein Versammlungsgesetz, welches bestimmte Regelungen des Versammlungsrechts vorgibt. Einige Bundesländer (zum Beispiel Bayern und Niedersachsen) haben ein eigenes Landesversammlungsgesetz, andere folgen dem Bundesgesetz.
Was sind legitime Einschränkungen?
Wie bereits beschrieben, können Versammlungen “unter freiem Himmel” beschränkt werden. Was heißt das aber, beziehungsweise warum kann dies notwendig sein? Bei solchen Veranstaltungen kann der Gesetzgeber verlangen, dass sie angemeldet werden müssen. Im Allgemeinen muss dies spätestens 48 Stunden vor der öffentlichen Bekanntgabe bei der zuständigen Versammlungsbehörde geschehen. Das hat vor allem praktische Gründe, da für einen Demonstrationszug durch eine Innenstadt der Straßenverkehr umgeleitet werden muss oder dafür gesorgt werden muss, dass die Sicherheit garantiert werden kann.
Außerdem kann es bestimmte Auflagen geben, die eine Versammlung unter freiem Himmel beachten muss, etwa dass den Vorgaben der Polizei über die Strecke eines Demonstrationszuges gefolgt werden muss.
Ausgenommen von dieser Regel sind sogenannte Spontanversammlungen, also solche, bei denen sich Menschen ungeplant und ohne Veranstalter zusammenfinden.
Besteht eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung, so kann eine Versammlung entweder durch die Polizei aufgelöst werden oder bereits im Vorfeld untersagt werden. Beides soll dabei aber in jedem Fall der letzte Ausweg sein und nur dann zum Zuge kommen, wenn Auflagen für die Versammlung nicht befolgt werden. Solche Auflagen können entweder die Durchführung der Veranstaltung betreffen, wie zum Beispiel den bereits erwähnten Weg, den eine Demonstration nehmen soll, oder aber auch den Inhalt. Letzteres bedeutet, dass einer Person ein Redeverbot erteilt werden könnte oder dass das Tragen von Flaggen nicht gestattet ist. Passieren kann das etwa, wenn eine rechtsextreme Gruppierung Fahnen mit Hakenkreuzen (einem in Deutschland verbotenen Symbol) trägt, also etwas, das auch außerhalb von Versammlungen strafbar ist.
Wer mit seiner Versammlung eine für verfassungswidrig erklärte Partei fördern will, hat kein Recht darauf, eine solche zu veranstalten.
Wird eine Versammlung bereits im Vorfeld verboten, so können die Veranstalter vor Gericht ziehen. Das Gericht entscheidet dann, ob das Verbot rechtens war oder ob die Versammlung stattfinden darf.
Was sind die Pflichten des Staates hinsichtlich der Versammlungsfreiheit?
Der deutsche Staat ist dazu verpflichtet die Versammlungsfreiheit zu garantieren und zwar unabhängig davon, welche Meinung die Teilnehmenden vertreten. Eine Demonstration für mehr erneuerbare Energien dürfte also nicht deshalb untersagt werden, weil die Regierung gerade neue Atomkraftwerke plant.
Die Versammlungsfreiheit soll außerdem durch den Gesetzgeber gefördert werden, indem das Recht auf friedliche Versammlungen diskriminierungsfrei ausgeübt werden kann. Was bedeutet das in der Praxis? Wenn etwa eine rechte Gruppierung eine Demonstration ankündigt, finden meist gleichzeitig linke Gegendemonstrationen statt. Häufig kommt es auch zu gewalttätigen Auseinandersetzungen. Die Sorge vor solchen Auseinandersetzungen darf aber keinen Einfluss darauf haben, ob die Demonstration stattfinden darf.
Das bedeutet zum Beispiel, dass die Tatsache, dass bei einer Demonstration davon auszugehen ist, dass es gewalttätige Gegendemonstrationen geben wird, nicht Grund genug ist, sie von vornherein nicht zu genehmigen.
Was ist eigentlich ein “Befriedeter Bezirk”?
“Befriedete Bezirke” gibt es um die drei Verfassungsorgane in Deutschland - den Deutschen Bundestag, Bundesrat und das Bundesverfassungsgericht - und um die Landtage in den einzelnen Bundesländern. In diesen Bereichen sind Versammlungen unter freiem Himmel grundsätzlich verboten. Begründet ist dies damit, dass die Arbeits- und Funktionsfähigkeit dieser Organe gewährleistet werden sollen.
Allerdings kann es in bestimmten Fällen auch hier Ausnahmen geben und zwar dann, wenn davon auszugehen ist, dass die Versammlung die Arbeit der entsprechenden betroffenen Institution nicht einschränkt. Das kann etwa der Fall sein, wenn der Deutsche Bundestag in der Sommerpause ist und keine Sitzungen stattfinden.
Die Beantragung einer Versammlung in einem befriedeten Bezirk ist schwieriger als anderswo. Über die Zulassung eines Antrages entscheidet das Bundesinnenministerium und der Präsident oder die Präsidentin des betroffenen Verfassungsorgans. Der Antrag muss spätestens sieben Tage vor Beginn der Veranstaltung eingereicht werden. Spontanversammlungen sind nicht erlaubt.
Versammlungsfreiheit in Deutschland: Was ist die Lage?
Wie viele andere Teile des öffentlichen Lebens wurde auch die Versammlungsfreiheit auf Grund der Corona Pandemie stark eingeschränkt.
Gerade zu Beginn der Pandemie, als gemeinhin eine große Unsicherheit über das Virus und seine Folgen bestand, wurde häufig die öffentliche Gesundheit über das Grundrecht der Versammlungsfreiheit gestellt. Viele Bundesländer erließen zusammen mit Rechtsverordnungen zum Schutz der Bevölkerung vor Covid-19 auch Versammlungsverbote. Diese reichten vom kompletten Untersagen von Versammlungen zu Ausnahmen, in denen Versammlungen genehmigt werden mussten. Ein solcher Erlaubnisvorbehalt ist vom Grundgesetz jedoch nicht vorgesehen, sagt es doch ausdrücklich, dass die Versammlungsfreiheit ohne Erlaubnis gilt. Das deutsche Verfassungsgericht entschied daher auch in einem Urteil im April 2020, dass ein pauschales Aussetzen der Versammlungsfreiheit nicht rechtens ist.
Zum Teil gibt es die Befürchtung, dass während der Pandemie neue Maßnahmen für Beschränkungen geschaffen wurden, die auch in anderen gesellschaftlichen Krisen aus der Schublade geholt werden könnten.
Unsere Demokratie lebt jedoch von gesellschaftlichen Austausch und politischer Meinungsbildung. Die Versammlungsfreiheit ist essentiell dafür, beides zu garantieren. Verbote müssen immer das letzte Mittel sein, ein Grundsatz, der auch in Ausnahmezeiten wie einer Pandemie gelten sollte.
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