Wenn du schon einmal in Frankreich warst, ist dir vielleicht aufgefallen, dass es im französischen Fernsehen keine politische Werbung gibt. Das ist gewollt. Seit den 1990er Jahren versucht Frankreich, den Einfluss des großen Geldes auf die Politik zu begrenzen, indem es politische Werbung im Fernsehen und Radio komplett verbietet. Heute hat sich die Medienlandschaft verändert und die Forschung muss mit den neuen Formaten der politischen Kommunikation Schritt halten, die sich die sozialen Medien als neues Medium zu eigen gemacht haben.
Politische Polarisierung in Frankreich
Seit der Wende zum 21. Jahrhundert hat das politische System Frankreichs eine Reihe von Veränderungen durchlaufen, zu denen auch Stimmungsumschwünge in der Öffentlichkeit zu wichtigen Themen wie soziale und wirtschaftliche Ungleichheit, Einwanderung und Integration in die EU gehören. Mit dem Aufkommen neuer politischer Kräfte wie der liberalen La République En Marche! und dem rechtsextremen Rassemblement National hatten etablierte Parteien wie die Mitte-links-Sozialisten und die Mitte-rechts-Republikaner Schwierigkeiten, sich zu behaupten.
Diese Verschiebungen haben Frankreich in eine Ära der Unsicherheit geführt, in der neue ideologische Bewegungen die Stabilität der Fünften Republik in Frage stellen. Das Aufkommen der sozialen Medien wird als einer der treibenden Faktoren für die Fragmentierung der politischen Ideologie in Frankreich angesehen, da sie die Polarisierung ähnlich wie in anderen liberalen Demokratien vorantreiben.
Facebook verliert an Relevanz
Da die politischen Parteien und Mandatsträger in Frankreich zunehmend soziale Medien nutzen, um ihre Botschaften zu verbreiten, haben auch viele Organisationen neue Strategien zur Bekämpfung von Falsch- und Desinformation entwickelt. Um einen tieferen Einblick in die Problematik der Online-Desinformation und der politischen Kommunikation in Frankreich zu erhalten, haben wir uns mit Laure Paradis unterhalten. Sie ist Projektmanagerin bei VoxPublic, einer unabhängigen Organisation, die zivilgesellschaftliche Gruppen und organisierte Bürgerinnen und Bürger dabei unterstützt und berät, effektive Lobbykampagnen durchzuführen. VoxPublic arbeitet gemeinsam mit Liberties an dem Projekt Electoral Integrity and Political Microtargeting.
Wie Laure beschreibt, handelt es sich bei der Who Targets Me Extension um ein Tool, das von den Nutzern freiwillig heruntergeladen werden kann und das politische Werbung, die den Nutzern auf Facebook angezeigt wird, markiert und analysiert. Eine Einschränkung des Tools besteht darin, dass die verschiedenen Social-Media-Plattformen unterschiedliche demografische Merkmale aufweisen. Laure sagte, dass „Facebook nicht mehr von jungen Menschen genutzt wird“, weshalb gezielte Facebook-Werbung für ältere Nutzer/innen besser geeignet sei als für jüngere. Aufgrund dieser Einschränkung konzentrierte sich die Kampagne auf Solidaritätsnetzwerke mit älteren Freiwilligen. Laure hofft jedoch, dass das Tool in Zukunft auch in anderen Kontexten eingesetzt werden kann, um seine Anwendbarkeit zu erweitern.
Hürden für politische Werbung in Frankreich
Der wichtigste Aspekt bei der Analyse der Forschungsergebnisse von Laure ist der gesetzliche Rahmen in Frankreich, insbesondere in Bezug auf politische Werbung. In den 1990er Jahren wurden Maßnahmen zum Verbot politischer Werbung in Fernsehen und Radio eingeführt, die später auf die Einschränkung von Desinformation in sozialen Medien ausgeweitet wurden. Diese Gesetzgebung sollte verhindern, dass wohlhabendere Parteien und Kandidat*innen den Äther dominieren und so einen unfairen Vorteil haben, um mehr Wähler*innen zu erreichen.
Aufgrund der besonderen rechtlichen Situation in Frankreich merkte Laure an, dass VoxPublic von den sechs Partnern des Who Targets Me-Projekts vielleicht am wenigsten Einfluss hatte, da ihre Kampagne keine Daten über politische Werbung sammeln konnte. Die Ergebnisse des Projekts seien daher nicht sehr aussagekräftig, obwohl sie darauf hindeuten, dass das französische Gesetz über politische Werbung auf Facebook „respektiert“ wird. Obwohl diese Gesetzgebung in ähnlichen politischen Systemen unüblich ist, war Laure von diesem Ergebnis nicht überrascht, da der gesetzliche Rahmen in früheren Wahlzyklen gut eingehalten wurde.
Zukünftige Projekte
Wir fragten Laure auch, wie ihrer Meinung nach diese Untersuchung erweitert werden könnte, um die besondern Bedingungen der französischen Gesetzgebung zu berücksichtigen. Sie merkte an, dass es zwar keine direkte politische Werbung für eine bestimmte politische Partei gebe, dass es aber viele allgemeine Aufklärungsmaßnahmen gebe, die nicht in den Rahmen der politischen Werbung fallen, wie z.B. die „Get Out to Vote“-Kampagnen. Die Frage, welche Parteien diese Strategien am aktivsten einsetzen, ist ein weiterer Ansatzpunkt für ihre Forschung, zumal auch überparteiliche Kampagnen das Bewusstsein der Wähler für bestimmte Parteien schärfen können.
Für die kommenden Kampagnen hofft Laure, die Aktivitäten in den sozialen Medien genauer untersuchen zu können, da diese einen großen Einfluss auf die politische Polarisierung haben, obwohl politische Werbung in Frankreich eigentlich verboten ist. Gemeinsam mit ihren Kolleginnen und Kollegen bei VoxPublic ist Laure der Meinung, dass es interessant wäre, die Nutzung anderer sozialer Plattformen wie TikTok und Instagram durch politische Parteien zu beobachten und auszuwerten, um zu sehen, ob der rechtliche Rahmen auch dort eingehalten wird. Um über die Arbeit von Laure an diesem und anderen Projekten auf dem Laufenden zu bleiben, besuche die Website von Voxpublic.
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