Es ist schon beinahe sechs Jahre her seit Stefano Cucchi starb und doch kämpft seine Schwester Ilaria, innerhalb und außerhalb der Gerichte, unermüdlich weiter um die Wahrheit über das, was damals geschehen ist, ans Licht zu bringen.
Wie ist Stefano Cucchi gestorben?
Die Geschichte von Stefano Cucchis Tod steht beispielhaft für das Versagen des italienischen Justizapparats. Er wurde in der Nacht des 15. Oktober 2009 für den Verkauf einer kleinen Menge Drogen in einem Park in Rom verhaftet. Eine Woche später, immer noch in staatlichem Gewahrsam, starb er. Während dieser Woche wurde Stefano in einer Reihe von offiziellen Institutionen festgehalten: Die zwei Carabinieri-Stationen von Appia und Tor Vergata, die Transfer und Sicherheitszellen des Gerichtsgebäudes in Rom, die Krankenstation und die Zellen des Gefängnisses Regina Coeli, die Notaufnahme des Krankenhauses Fatebenefratelli und schließlich die Sicherheitsabteilung des Krankenhauses Sandro Pertini.
Stefano wurde erst misshandelt, dann ignoriert und schließlich ließ man ihn einfach sterben. Die schockierenden Bilder seines Körpers in der Leichenhalle, die auf Ersuchen der Familie von den NGOs A Buon Diritto und Antigone, und später von der Zeitung Il Fatto Quotidiano veröffentlicht wurden, sprechen für sich. Wie konnte das geschehen, während er sich in offiziellem Gewahrsam befand? Wer hat das zu verantworten?
Wer trägt daran Schuld?
Die juristische Aufarbeitung des Todes von Stefano begann bereits 2010, erbrachte aber keine befriedigenden Antworten auf diese Fragen. Trotz der Zweifel; ob die Verantwortlichkeit für seine Tod nicht möglicherweise bei den Carabinieri, die ihn verhaftet hatten liegt - es gab Aussagen, dass Stefano auf den zwei Polizeistationen, in denen er zunächst festgehalten wurde, zusammengeschlagen wurde - ging es in dem Gerichtsverfahren vornehmlich um die Verantwortung der drei Gefängniswärter, die nacheinander für die Haft Stefanos zuständig waren, sowie um die Schuld von Ärzten und Krankenschwestern des Pertini Krankenhauses, in dem er schließlich starb.
Im Juni 2013 sprach das Gericht die Wärter sowie die Krankenschwestern in erster Instanz frei, wodurch lediglich die sechs Ärzte wegen fahrlässiger Tötung verurteilt wurden. Dann, ein Jahr später, im Oktober 2014, hob das Berufungsgericht diese Entscheidung wegen Mangels an Beweisen wieder auf. Das bedeutet, dass bis heute niemand für Stefanos Tod zur Rechenschaft gezogen wurde.
Der Anwalt der Familie Cucchi, Fabio Anselmo hat vor Italiens Oberstem Gerichtshof Berufung eingelegt. Anselmo begleitete bereits andere berüchtigte Fälle von Menschen, die in Polizeigewahrsam ums Leben gekommen sind, wie etwa die Fälle von Federico Aldrovandi und Giuseppe Uva. Am 15. Dezember 2015 wird das Gericht (Corte die Cassazione) seine Entscheidung über die Legitimität des Verfahrens sowie der Freisprüche bekanntgeben.
Werden neue Ermittlungen die Wahrheit ans Licht bringen können?
In der Zwischenzeit wurde eine neue Untersuchung eröffnet, mit der endlich festgestellt werden soll, ob auch die Carabinieri, die Stefano verhafteten, Verantwortung für seinen Tod tragen, wie es das Urteil der ersten Instanz sowie die Begründung der Entscheidung des Berufungsgerichts nahelegen.
Gegen drei Carabinieri laufen zurzeit Ermittlungen wegen Meineid, nachdem sie von zwei Kollegen beschuldigt worden sind. Laut Aussage der beiden Kollegen, die sie im Mai machten und die jetzt veröffentlicht wurden, kam es in der Carabinieri Station von Tor Vergata in der betreffenden Nacht zu lautem Streit über einen Mann, der von den beiden Beamten die ihn verhaftet hatten heftig zusammengeschlagen wurde. "Es sieht übel aus, sie haben jemanden massakriert" sei die Aussage eines der drei Männer gewesen gegen die derzeit ermittelt wird.
Der "jemand" den sie massakriert haben ist Stefano Cucchi und diese Aussagen, gemeinsam mit einem neuen Gutachten, das an Cucchis Leiche einen Lendenwirbelbruch feststellte, haben zu einer hitzigen Debatte über die Ereignisse jener Nacht geführt.
Seine Schwester Ilaria begrüßte diese Entwicklungen und sagte, dass sie keinen Frieden finden könne, bevor sie Gerechtigkeit fände: "Wie schon gesagt, es ist noch nicht vorbei ... das ist erst der Anfang und die Wahrheit kommt ans Tageslicht."
"Endlich hat jemand angefangen auszusagen”, freute sich Susanna Marietti, die Landesbeauftragte von Antigone. Lassen wir Ilaria mit ihrem Kampf für Gerechtigkeit nicht allein - Unterschreibe die Petition und fordere jene die Bescheid wissen auf, auszusagen.