In Italiens Gefängnissen scheinen die Menschen weiterhin einfach so zu sterben. Der plötzliche Tod eines 29-jährigen in der Strafanstalt Pordenone ist nach wie vor ungeklärt.
Stefano Borriello war ein junger Mann, der wegen Raubes im Gefängnis von Pordenone in Norditalien inhaftiert war. "Er hatte versucht, einem alten Mann die Brieftasche zu stehlen, und bereute es zutiefst", erklärt seine Schwester.
Dann, eines Tages, ist er plötzlich gestorben - einfach so. Bis heute wurde keine Erklärung für Stefanos Tod abgegeben und Antigones Ombudsfrau die Anwältin Simona Filippi, die Stefanos Familie vertritt, hält es für äußerst beunruhigend, dass sich niemand wirklich für den Fall zu interessieren scheint.
Was ist passiert?
Am Abend des 7. August, wurde Stefano ins Krankenhaus gebracht. Er starb kurz nach seiner Aufnahme. Laut dem medizinischen Bericht war die Ursache des Todes Herzstillstand.
Aber das ist keine wirkliche Erklärung, nicht wahr? Stefanos Mutter fordert Antworten und sie hört nicht auf zu fragen, was genau mit ihrem Sohn passiert ist: Wie kann ein 29-jähriger Mann, der nie unter irgendwelchen körperlichen Gebrechen gelitten hatte, ohne ersichtlichen Grund, einfach so tot umfallen?
In den ersten zwei Monaten, die er in der Strafanstalt von Pordenone verbrachte war Stefano völlig in Ordnung. Er war sogar bereit an seinen Drogenproblemen zu arbeiten, ein Treffen mit einem Psychologen war geplant, mit dem er seine Aufnahme in ein Rehabilitationsprogramm diskutieren sollte.
In der letzten Woche seines Lebens sahen die Dinge aber plötzlich anders aus: seine Abwesenheit bei den wöchentlichen Gruppentreffen mit dem Kaplan am Montag war ungewöhnlich - "sie sagten er fühle sich unwohl", berichtete der Kaplan.
Dann, am darauf folgenden Donnerstag, versuchte ein Priester zu dem Stefano eine enge Beziehung entwickelt hatte ihn zu sehen, was ihm aber nicht gelang. "Sie sagten, er könne nicht kommen, weil er Rückenschmerzen habe und sie verweigerten mir den Zugang zu seiner Zelle",sagte er.
Was war mit Stefano los? Und welche Ereignisse haben zu seinem Tod geführt?
5 Monate des Schweigens
Fünf Tage nach Stefanos Tod eröffnete die Staatsanwaltschaft ein Strafverfahren wegen Totschlags gegen Unbekannt. Und doch sind bereits fünf Monate vergangen, ohne dass etwas passiert ist.
Die Gutachter, welche die Staatsanwaltschaft nominiert hat, um die Ursache von Stefanos Tod aufzuklären und die Existenz von inneren oder äußeren Verletzungen zu überprüfen, haben noch keine Ergebnisse produziert.
Darüber hinaus verweigert die Staatsanwaltschaft den Zugriff auf Dokumente die im Zusammenhang mit der Untersuchung stehen (unter Anderem medizinische Berichte und Transkripte der Interviews mit Stefanos Mitgefangenen). Diese sind solange als geheim eingestuft, bis die Sachverständigen ihren Bericht erstellt haben.Ein weiterer Stefano Fall
"Im Grunde stecken wir immer noch beim Stand von August letzten Jahres fest", klagt Filippi, "wir versuchen immer noch Stefanos Tod zu verstehen." Filippi verurteilte im November die unverzeihliche Langsamkeit der Untersuchung und beklagte das ernste Problem, immer noch kein medizinisches Gutachten über die Ursache von Stefanos Tod vorliegen zu haben. Ihrer Meinung nach werden diese groben Verzögerungen mit Sicherheit schwere Komplikationen bei der Durchführung eines Strafverfahrens nach sich ziehen.
"Das wirkt auf mich wie ein weiterer Stefano Cucchi Fall", sagte schließlich der Priester. Aber wie lange wird es noch dauern, bis Cucchis Familie Gerechtigkeit erfährt, wie lange, bis Borriellos Familie die ersten Antworten bekommt?