EU-Beobachtung

Die Europäische Kommission schöpft das Potenzial des Rechtsstaatlichkeitsberichts nicht aus

Presseerklärung

by LibertiesEU

Heute wurde der fünfte Jahresbericht der Europäischen Kommission über die Lage der Rechtsstaatlichkeit in der EU veröffentlicht. Nachstehend finden Sie unsere erste Reaktion auf den Bericht und die dazugehörige Pressekonferenz der Kommission. Bitte beachten Sie, dass Liberties im September eine detaillierte Analyse der Defizite veröffentlichen wird. Unsere größten Bedenken sind:

Kommission vs. Zivilgesellschaft: Gegensätzliche Ansichten.

Es besteht ein starker Kontrast zwischen dem Bericht der Kommission und dem Rechtsstaatlichkeitsbericht von Liberties was die Gesamtbewertung sowie die Bewertung bestimmter Länder angeht. So fällt die Bewertung der Rechtsstaatlichkeit für Frankreich im Kommissionsbericht positiver aus als im Bericht französischer Organisationen der Zivilgesellschaft, der mit Ausnahme der Medienfreiheit in allen Bereichen wenig bis gar keine Fortschritte feststellt. In ähnlicher Weise weicht die Einschätzung der Kommission zu den Fortschritten Griechenlands von der Bewertung der griechischen Organisationen der Zivilgesellschaft ab, die in allen Bereichen der Rechtsstaatlichkeit geringe bis gar keine Fortschritte und sogar Rückschritte feststellen.

Empfehlungen gehen nicht auf

Laut der Pressemitteilung der Europäischen Kommission wurden "zwei Drittel (68 %) der im Jahr 2023 ausgesprochenen Empfehlungen vollständig oder teilweise umgesetzt". Dieser Aussage scheint jedoch eine allzu positive Interpretation der Zahlen zu Grunde zu liege, denn sie unterscheidet nicht zwischen Empfehlungen, die sich auf technische Verstöße beziehen, und solchen, die systemische Verstöße betreffen. Unsere Berechnungen haben ergeben, dass von 137 Empfehlungen aus dem Jahr 2023 nur 8 vollständig umgesetzt wurden, bei 18 gab es erhebliche Fortschritte, während bei 41 Empfehlungen (rund 30 %) keine Fortschritte erzielt wurden. Außerdem gibt es eklatante Diskrepanzen zwischen den Länderbewertungen und den Empfehlungen. Empfehlungen zu wichtigen Fragen der Rechtsstaatlichkeit, wie z. B. der Verengung des Raums für die Zivilgesellschaft in der Slowakei, wurden ausgelassen, und in einigen Ländern wurden insgesamt auffallend wenige Empfehlungen ausgesprochen.

Die rosarote Brille der Kommission

Die Interpretation der CIVICUS Bewertung durch die Europäische Kommission ist zu "rosig". Nach den Daten von 2024 werden 12 EU-Mitgliedstaaten als „offen“ (open), 12 als „beeinträchtigt“ (narrowed) und drei als "beschränkt“ (obstructed) eingestuft. Der Bericht zur Rechtsstaatlichkeit kommt dennoch zu dem Schluss: "In der Mehrheit der Mitgliedstaaten gibt es einen förderlichen und unterstützenden Rahmen für die Zivilgesellschaft, und der zivilgesellschaftliche Raum wird weiterhin als 'offen' eingestuft". (p33)

Verbindung zwischen dem Rechtsstaatlichkeitsbericht und anderen Instrumenten bleibt unklar

Auch wenn die Nutzung anderer Rechtsstaatlichkeitsmechanismen etwas detaillierter und besser strukturiert dargestellt wird, gibt es immer noch keine klare Struktur, die den Rest des Rechtsstaatlichkeitsinstrumentariums mit den im Bericht festgestellten Verstößen verknüpft. Stattdessen überbetont die Kommission weiterhin die Nützlichkeit des Dialogs als Zwischeninstrument, um den Niedergang der Rechtsstaatlichkeit anzugehen. Angesichts von Politikern, die bewusst rechtsstaatliche Garantien missachten und den Einsatz von verbindlicheren Instrumenten hinauszögern, sind das fromme Wunschvorstellungen. Für kooperative Mitgliedstaaten mag das funktionieren, aber es zeigt, dass die Kommission die Realität leugnet, dass offensichtlich nicht alle Regierungen mit guten Absichten handeln.

Balazs Denes, Exekutivdirektor der Civil Liberties Union for Europe (Liberties), dazu:

"Wir sehen einige positive Entwicklungen im Rechtsstaatlichkeitsbericht der Europäischen Kommission für 2024, insbesondere das Versprechen, die SME-Dimension in künftige Berichte aufzunehmen und den geografischen Geltungsbereich mit den Erweiterungsländern zu vergrößern. Generell stellen wir jedoch fest, dass die Europäische Kommission weiterhin davor zurückschreckt, das volle Potenzial des Berichts auszuschöpfen, denn sie bewertet den Zustand der Rechtsstaatlichkeit zu optimistisch und schlägt nur vereinzelt Durchsetzungsmaßnahmen vor. Obwohl die Kommission die Langfristigkeit der Überwachung der Rechtsstaatlichkeit betont, fehlt ihr immer noch ein klarer und detaillierter Fahrplan, um Verstöße gegen die Rechtsstaatlichkeit schnell und effektiv zu ahnden. Das sie den Ansatz des Dialogs auch bei vorsätzlichen und schwerwiegenden Verstößen gegen die Rechtsstaatlichkeit überbetont ist Wunschdenken und birgt die Gefahr, die Chance zu verpassen, Frühwarnzeichen auszuräumen, bevor sie systemisch werden. Wo es an politischem Willen mangelt, ist ein anderer Ansatz unverzichtbar."
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