Die Europäische Kommission will das Urheberrecht modernisieren. Das ist ein willkommener Schritt, denn die EU-Regulierung ist stark veraltet: Sie ist halb so alt wie das World Wide Web selbst und es ist viel passiert im Internet, seit sich die EU des Themas das letzte Mal angenommen hat. Der jetzt von der Kommission vorgelegte Vorschlag gefährdet jedoch die Meinungsfreiheit. Liberties fordert die Kommission auf, Artikel 13 ihres Vorschlags für eine Richtlinie über das Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt zu entfernen, um die drastischen Bedrohungen unserer Menschenrechte zu vermeiden.
Bisher ist die Haftung von Internet-Firmen für den Inhalt der Nutzer durch die so genannte E-Commerce-Richtlinie geregelt. Nach dieser Richtlinie haften die Internetgesellschaften nicht für die von ihnen übermittelten Daten, wenn sie keine Kenntnis von Urheberrechtsverletzungen haben. Sie müssen den Inhalt der Benutzer nicht überwachen. Sie sind nur dann verantwortlich, wenn der Urheberrechtsinhaber sie über den Bruch informiert und sie nicht entsprechend handeln. Vielen Unternehmen, vor allem aus der Musikbranche, ist dieses System ein Dorn im Auge, weil sie Urheberrechtsverletzer selber aktiv jagen müssen. Die Löschung entsprechender Inhalte erfordert Aufwand, Zeit und andere wertvolle Ressourcen - Ressourcen, von denen sie meinen, sie könnten sie besser einsetzen. Sie fühlen sich ungeschützt und verwundbar. Sie glauben, dass Plattformen wie Youtube, Instagram oder Tumblr größere finanzielle Verantwortung tragen sollten, da einige ihrer Einnahmen zweifellos mittels der urheberrechtlich geschützten Inhalte generiert werden, die hochzuladen, sie den Nutzern erlauben.
Artikel 13 der vorgeschlagenen Richtlinie würde das derzeitige beschränkte Haftungssystem durch die Notwendigkeit ersetzen, in der Praxis automatisierte Inhaltsfilterungssysteme zu implementieren, die verhindern, dass urheberrechtlich geschütztes Material überhaupt in das Internet hochgeladen wird. Er würde alle Internet-Unternehmen verpflichten, alle Inhalte zu überwachen, die ihre Nutzer hochzuladen versuchen.
Es ist wichtig zu unterstreichen: Der betreffende Artikel würde für alle Internet Service Provider gelten, und sie müssten alle möglichen vom Benutzer hochgeladenen Inhalte überwachen. Wenn Artikel 13 durchkommt, sind nicht nur Video-Plattformen, (wie Youtube), sondern auch Social Media Plattformen (wie Facebook oder Twitter), Blogging-Plattformen (denken Sie an Blogger oder Wordpress), Foto-Sharing-Plattformen (wie Instagram, Flickr) und Grundsätzlich alle Arten von Internetplattformen, auf denen das Hochladen von Inhalten möglich ist, gezwungen, die Aktivitäten ihrer Nutzer konstant zu überwachen.
Es ist höchst unwahrscheinlich, dass die Filtertechnologien von Internetdienstanbietern genutzt werden, um sich mit Urheberrechts-Zweifelsfällen, wie Parodie oder Zitat zu befassen. Sie werden einfach verhindern, dass Material, das das geringste Risiko birgt, das Urheberrecht zu verletzen, hochgeladen wird. Wenn Dienstleister Filter-Mechanismen zur Vermeidung von Haftung anwenden müssen, werden sie fast sicher etwas übermäßig restriktives anwenden, anstatt eine Geldstrafe zu riskieren.
Das ist sehr problematisch.
Stell Dir vor, dass Du ein Video auf Facebook über einen noch laufenden Protest hochladen möchtest, um Deine Freunde zu überzeugen, sich anzuschließen. Es läuft jedoch eine urheberrechtlich geschützte Musik, die im Hintergrund identifizierbar ist - die Leute lassen sich von einem passenden Lied unterhalten, während sie für ihre Rechte marschieren. Wenn Artikel 13 in Kraft tritt, ist es ziemlich wahrscheinlich, dass Du nicht mehr in der Lage sein wirst, Dein Video hochzuladen.
Oder stell Dir vor, du möchtest Deine Meinung über die politischen Führer Deines Landes ausdrücken, indem Du zeigst, wie ihre Gesten mit einigen bösen Charakteren aus bekannten Filmen übereinstimmen. Du produzierst ein kurzes Video mit Filmszenen und News-Schnipseln und Du möchtest dieses Video auf Deinen Blog hochladen. Wenn Artikel 13 in Kraft tritt, gibt es eine gute Chance, dass genau das nicht mehr möglich sein wird.
Obwohl Artikel 13 die Mitgliedsstaaten verpflichtet, Beschwerde und Rechtsschutzmechanismen für solche Fälle zu schaffen, werden diese Mechanismen nicht helfen. Um rechtliche und bürokratische Belastungen zu vermeiden, werden die meisten Anbieter die Inhalte auf der Grundlage ihrer Nutzungsbedingungen und nicht auf der Grundlage des neuen Gesetzes entfernen oder blockieren. Unternehmen neigen systembedingt dazu, ihren Gewinn zu maximieren, anstatt das beste Gleichgewicht zwischen Urheberrecht und freier Rede zu finden.
Die Sorgen über Artikel 13 werden von vielen geteilt. Viele sind der Meinung, dass Artikel 13 nicht nur die Freiheit der Meinungsäußerung gefährdet, sondern auch die Vielfalt im Internet-Ökosystem verringert. Er schafft auch eine ernsthafte Rechtsunsicherheit. Renommierte Gelehrte und Akademiker haben ihre Besorgnis über das vorgeschlagene Gesetz zum Ausdruck gebracht. Offene Briefe wurden an verschiedene europäische Institutionen verschickt. Die Mitgliedstaaten haben ihre Besorgnis über die Rechtmäßigkeit des Vorschlags geäußert.